Dänemark
Nein im Euro-Referendum verschärft europäische Währungskrise
Von Chris Marsden und Steve James
5. Oktober 2000
aus dem Englischen (30. September 2000)
Das Referendum in Dänemark vom 28. September zur Einführung des Euro war die erste Volksabstimmung über die europäische Einheitswährung. Bei einer 90prozentigen Beteiligung stimmte die Dänen mit 53 zu 47 Prozent für die Beibehaltung der dänischen Krone. Das Nein-Votum hat dem bereits schwankenden europäischen Rivalen des Dollars einen harten Schlag versetzt, der sich weit über die dänischen Grenzen hinaus auswirken wird.
Innerhalb weniger Monate hat sich eine satte Mehrheit der Eurobefürworter bei den Meinungsumfragen in eine Niederlage verwandelt - trotz der vereinten Anstrengungen der dänischen Medien und einer gemeinsamen Kampagne der fünf führenden politischen Parteien Dänemarks und der Gewerkschaften.
Premierminister Poul Nyrup Rasmussen erklärte, das Stimmergebnis werde nicht bedeuten, dass sich nun das Land von Europa abwende. Es werde weiterhin seinen Anteil an der künftigen Entwicklung der Europäischen Union (EU) tragen. Der dänische Finanzminister Mogens Lykketoft sagte allerdings, es werde vier oder fünf Jahre dauern, bis das Ergebnis umgekehrt werden könne.
Auch wenn Dänemark die Krone behält, bleibt die dänische Wirtschaft mittels einer erweiterten Fassung des bisherigen europäischen Wechselkurssystems (ERM) an den Euro gebunden. Es gibt keinen Zweifel, dass das Nein-Votum durch den Fall des Euros gegenüber dem Dollar um fast ein Drittel seit seiner Einführung begünstigt worden ist. Erst vergangene Woche hatten die G7-Länder interveniert, um einen weiteren Fall zu verhindern. In erster Linie aber drückt sich in diesem Votum die wachsende Opposition gegen die sozialen Angriffe aus, die die europäische Einigung auf kapitalistischer Basis unweigerlich nach sich zieht und von denen Millionen Arbeiter betroffen sind.
Die Konkurrenzfähigkeit der EU und des Euro gegenüber Amerika und dem Dollar erfordert weitreichende ökonomischen Umstrukturierungen und insbesondere massive Kürzungen im Sozialbereich. Viele Wähler verbanden ihre Opposition gegen die sozialen Angriffe der sozialdemokratischen Regierung von Rasmussen sowie deren Vorgängerregierungen mit einer ablehnenden Haltung gegenüber einer weiteren europäischen Integration und mit einer Verteidigung der dänischen Souveränität.
Das gescheiterte Referendum bedeutet einen herben Rückschlag für die dänische Regierung und das gesamte politische Establishment der EU. Gleichzeitig sind in dem undifferenzierten Charakter der "Nein"-Kampagne politische Gefahren beinhaltet. Die verbreitete Gleichsetzung der sozialen Errungenschaften der Arbeiterklasse mit einer Verteidigung des dänischen Staates und seiner Währung, für die Organisationen wie die ehemaligen Stalinisten der SPP (Sozialistische Volkspartei) verantwortlich waren, wurde von extrem rechten und rassistischen Gruppen um die DPP (Dänische Volkspartei) ausgenutzt. Die DPP stellt jetzt das Ergebnis als Sieg des Nationalismus dar und erklärt, es sei "ein sehr gutes Zeichen für die politische Richtigkeit derjenigen in Dänemark, die die politische Integration in Europa aufhalten und individuelle Staaten aufrechterhalten wollen."
Die Eurogegner präsentierten den Euro als Gefahr für die Sozialleistungen und den Lebensstandard, die nur gebannt werden könne, wenn Dänemark seine Unabhängigkeit bei der Entscheidung über Steuern und Sozialstandards wahren würde. Diese Argumentation gab in der Kampagne für das Referendum den Ton an. Sie erhielt Aufwind durch die europaweiten Proteste gegen die hohen Kraftstoffpreise, die unmittelbar vor dem Referendum stattfanden und aufgrund der steigenden indirekten Besteuerung der arbeitenden Bevölkerung große Popularität gewannen.
Das Lager der Eurobefürworter, geführt von der regierenden Sozialdemokratischen Partei, versuchte die Wähler vom Euro mit dem Argument zu überzeugen, ein Verbleib außerhalb Eurolands würde eine finanzielle Krise hervorrufen und eine viel größere Gefahr für die Sozialausgaben bedeuten. Rasmussen sagte auf einer Sonderkonferenz im Mai: "Die größte Gefahr für unser Sozialsystem sind die Spekulanten der internationalen Finanzmärkte, die sich gegen uns richten werden, wenn wir den Euro ablehnen. Unsere beste Versicherung dagegen ist die Annahme der gemeinsamen Währung."
Doch unter Bedingungen, unter denen der Euro durch ständigen Abfluss des Kapitals aus Europa in die USA geschwächt wurde, konnten derartige Versuche, den Euro als Absicherung der sozialen Leistungen darzustellen, kaum die wachsende oppositionelle Stimmung besänftigen.
Die Finanzagentur Bloombergs kommentierte die Intervention der G7-Länder vor dem dänischen Referendum folgendermaßen: "In der Woche vor der Abstimmung gab es eine koordinierte und bisher erfolgreiche Intervention, um den Euro zu stärken. Dies bedeutete ein Plus für die Ja-Kampagne. Aber in den Wochen zuvor war die Währung auf neue Tiefen sowohl gegenüber dem Dollar als auch dem Yen gesunken, und die Währung schien in einer permanenten Krise zu sein. Es war kein Zufall, dass mit dem Wertverfall des Euro auch die dänische Unterstützung für ihn sank."
Die Folgen des dänischen Referendums müssen vom Standpunkt seiner ökonomischen als auch seiner politischen Wirkung beurteilt werden.
Es gab Befürchtungen, dass die dänische Ablehnung des Euro sofort das Vertrauen in die gemeinsame Währung untergraben und einen Spekulationsboom zugunsten des Dollars auslösen könnte. Unmittelbar nachdem die ersten Abstimmungsergebnisse ein Nein-Votum wahrscheinlich machten, forderte das Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank die Europäische Zentralbank zur Intervention auf, sollte der Euro drastisch fallen. "Die Europäische Zentralbank wird sich nicht vorwerfen lassen, dass sie nur einmal gehandelt hat ... weitere Interventionen kann man daher erwarten", sagte er.
Die deutsche Regierung spielte die dänische Entscheidung herunter und beteuerte ihr völliges Vertrauen in den Euro. Der französische Premierminister Lionel Jospin sagte: "Die Dänen treffen ihre Wahl als souveränes Volks. Ich habe viel Respekt vor diesem Land, aber sein Gewicht in der europäischen Wirtschaft ist nicht so bedeutend."
Ihre Argumente stützen sich auf die Tatsache, dass die 5,3 Millionen Menschen Dänemarks nur ein Bruttosozialprodukt von 185 Mrd. Dollar produzieren, während sich das Bruttosozialprodukt der 11 Mitglieder der EU zusammen auf 6.19993 Mrd. Dollar beläuft, sowie darauf, dass die Krone mittels ERM II an den Euro gebunden bleibt.
Nick Parsons, ein Währungsanalytiker der Commerzbank, warf die rhetorische Frage auf: "Sollen wir wirklich glauben, dass die Abstimmung einiger tausend Dänen die Geschicke eines Wirtschaftsraums von 275 Millionen Menschen verändern könnte?"
Die dänische Zentralbank war nach dem Referendum gezwungen, die Zinsraten um ein halbes Prozent zu erhöhen, um einen Run auf die Krone zu verhindern, während der Euro zunächst mit etwas über 0,88 US-Dollar stabil blieb. Allerdings könnte die Zuversicht der Finanzmärkte schwinden. Das Nein-Votum könnte als Ausdruck sinkenden Vertrauens in den Euro gewertet werden. Die Financial Times zitierte Carl Weinberg, den Chefökonomen von High Frequency Economics in New York mit den Worten: "Das unmittelbare Problem besteht darin, dass die dänische Zurückweisung der EMU (Europäische Währungsunion) als Misstrauensvotum für die gemeinsame Währung gesehen wird. ... Der Euro wird wieder unter Druck kommen. Unattraktive ökonomische Bedingungen haben Euroland nun schon geraume Zeit zum wenig verlockenden Ziel für internationale Investoren gemacht. Das Nein-Votum in Dänemark, das zu den schlechten wirtschaftlichen Bedingungen hinzukommt, bedeutet einen weiteren Rückfall."
Das dänische Ergebnis zeigt erneut den wachsenden Unmut über die Art und Weise, wie die Wirtschaft die europäische Einigung vorantreibt. Es schafft neue Schwierigkeiten für die Länder, die die Einführung des Euro noch nicht unterzeichnet haben, wie England und Schweden.
Die Labour Regierung in Britannien bekräftigte ihre Entschlossenheit, sich dem Euro anzuschließen, "wenn die ökonomischen Bedingungen dafür gegeben sind". Außerdem verpflichtete sie sich, ebenfalls ein Referendum abzuhalten. Aber die antieuropäischen Kräfte jubelten über das dänische Ergebnis, an ihrer Spitze der Oppositionsführer der Konservativen Partei William Hague, der seiner Häme über die missliche Lage des Premierministers freien Lauf ließ.
Wie immer glaubt die britische Regierung, dass jedes politische Problem mit Hilfe eines Marketing-Lexikons lösen zu können. In diesem Sinne argumentierte ein Sprecher der Regierung, das dänische Referendum habe einfach gezeigt, welche Bedeutung es habe, die richtige Kampagne mit den richtigen Messages zu versehen. Blair wird in der nächsten Woche in Warschau eine Rede zur künftigen Verfassung Europas halten und darin, wie eine Regierungsquelle verlauten ließ, "versuchen, einerseits pro Nationalstaat, ja fast gaullistisch und andererseits pro Europäische Union aufzutreten".
Der schwedische Premierminister Goran Persson seinerseits gab zu, das dänische Ergebnis werde die innenpolitischen Debatten in Schweden beeinflussen. Er muss noch entscheiden, ob er ein Referendum zum Euro abhalten lässt oder nicht.
Der deutsche Aussenminister Joschka Fischer und der französische Präsident Jacques Chirac haben die Bildung eines Kerns von Euro-Enthusiasten vorgeschlagen, die einen "schnellen Gang" für die politische und ökonomische Integration einlegen und Dänemark, Schweden und Britannien der "langsamen Spur" überlassen sollen. Der EU-Gipfel in Nizza im Dezember wird diesen Vorstoß diskutieren.
Ein solches Vorgehen beinhaltet die Gefahr, einer ökonomischen und politischen Spaltung innerhalb Europas den Weg zu ebnen. Die Financial Times warnte, "das dänische Nein könnte dazu führen, dass die wohlhabenden, finanziell disziplinierten nordeuropäischen Länder niemals eine zentrale Rolle bei der europäischen Integration spielen werden." Dies würde bedeuten, dass "die nächste Gruppe der neuaufgenommenen Mitglieder nach Griechenland - wenn es überhaupt welche gibt" die verarmten und instabilen osteuropäischen Staaten wie Estland, Ungarn, Polen und Slowenien sein werden. "Dies könnte Politiker und die öffentliche Meinung in einigen der existierenden Mitglieder der Europäischen Union dazu veranlassen, lieber enger untereinander zu kooperieren statt Zentral- und Osteuropa zu integrieren", schlußfolgert die Zeitung.
Im ähnlichen Tonfall kommentierte Bloombergs: "Die Spaltung in der Europäischen Union zwischen den Euro-Ins und den Euro-Outs, die eigentlich als vorübergehender Zustand betrachtet wurde, solange bis man die Outs herumgekriegt hat, wird sich als permanente Spaltung erweisen - eine Spaltung, die über die europäische Wirtschaft des kommenden Jahrzehnts einen langen Schatten wirft."