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In Zimbabwe droht Bürgerkrieg

Von Chris Talbot
16. August 2000
aus dem Englischen (11. August 2000)

In Zimbabwe wächst die Gefahr eines wirtschaftlichen Zusammenbruchs und offenen Bürgerkrieges. Diese Entwicklung ist in großen Teilen ein Ergebnis der westlichen Bemühungen, das Regime von Präsident Robert Mugabe zu destabilisieren.

Vorletzte Woche erklärte Mugabe, dass 3000 Farmen in weißem Besitz - das sind zwei Drittel der Gesamtzahl - zur Beschlagnahmung vorgesehen seien. Hierin eingeschlossen sind die 800 Farmen, die bereits zuvor zur Übernahme und Vergabe an die arme Landbevölkerung ausersehen waren. Die Regierung gab bekannt, dass die Armee eingesetzt würde, um Millionen Kleinbauern auf das Land zu führen. Bis zum Beginn der Regenzeit in wenigen Wochen sollen bereits eine halbe Million Menschen mit Land versorgt sein.

Diese Maßnahme wurde nach einer Reihe von Produktionsstopps ergriffen, die vom Landwirtschaftsverband CFU organisiert worden waren. Der CFU vertritt die reichen, weißen Farmer Zimbabwes und protestierte mit diesen Aktionen gegen die Farmbesetzungen durch die Vereinigung der Kriegsveteranen, die von der Regierung unterstützt worden waren. Die Aktionen des CFU gingen einem Generalstreik voraus, zu dem die Bewegung für Demokratischen Wandel (MDC) aufgerufen hatte. Der Generalstreik sollte die CFU unterstützen und richtete sich ganz allgemein gegen politische Gewaltanwendung durch das Mugabe-Regime. Die MDC-Aktion gewann breite Unterstützung in den städtischen Gebieten.

Die MDC wird von Morgan Tsvangirai geführt, der auch dem Gewerkschaftsverband Zimbabwes (ZCTU) vorsteht. Sie ist eine selbsternannte Reformpartei, die offen die ökonomischen Vorschriften des Internationalen Währungsfonds (IWF) unterstützt.

Die Ankündigung, weitere Farmen zu beschlagnahmen, ist die Antwort Mugabes auf den zunehmenden Druck der Westmächte. Als Vergeltung für Mugabes Unterstützung der Landbesetzungen erließ der amerikanische Kongress kürzlich die "Zimbabwe Demokratie Verordnung 2000", welche Washington darauf verpflichtet, seinen Einfluss zu benutzen, um sämtliche internationale Gelder und Hilfen für Zimbabwe zu blockieren. Dies bedeutet eine Verschärfung der Sanktionen, die der IWF bereits verhängt hatte.

Gleichzeitig hat Großbritannien beschlossen, die Aktivitäten seines Auslandsgeheimdienstes MI6 auf dem afrikanischen Kontinent zu verstärken. Es wurde ein neues Regierungskomitee eingerichtet, das vorgeblich frühzeitig vor Putschversuchen und drohenden Bürgerkriegen in den Ländern südlich der Sahara warnen soll. Zu den Aufgabengebieten des Komitees unter Führung des Ministeriums für Internationale Entwicklung wird zweifellos auch Zimbabwe gehören. Dem Komitee steht ein jährlicher "Konfliktvermeidungsfond" von 110 Millionen Pfund (ca. 350 Millionen DM) zur Verfügung, um die Operationen des MI6 zu koordinieren.

Spaltung zwischen Stadt und Land

Die MDC, die ihre Basis vorwiegend in den Städten hat, hat sich von der verarmten und nach Ackerböden verlangenden Bevölkerung auf dem Land entfremdet, nachdem sie sich innenpolitisch mit den wohlhabenden weißen Landbesitzern und international mit den Vereinigten Staaten, Großbritannien und dem IWF zusammengeschlossen hat. Auf der anderen Seite versucht Mugabe die Unzufriedenheit der Landbevölkerung zu kanalisieren, indem er Feindschaft gegen die Städte und ihre arbeitende Bevölkerung schürt. Die zunehmende politische Spaltung zwischen Stadt und Land beinhaltet das Potential für einen Bürgerkrieg. Um die Entstehung dieser Situation zu erklären, muss untersucht werden, wie es zu der derzeitigen Feindschaft zwischen Mugabe und den Westmächten gekommen ist.

Mugabe übernahm die Macht als Ergebnis eines 15-jährigen bewaffneten Kampfes gegen das weiße Regime im damaligen Rhodesien, das von Großbritannien unterstützt wurde. Obwohl er maoistische Slogans verbreitete, war Mugabe doch der politische Repräsentant einer aufstrebenden nationalen Bourgeoisie, deren Ambitionen vom Rassismus der Regierung durchkreuzt wurden. Das Lancaster House-Abkommen von 1980, das Mugabe mit Großbritannien traf, bewahrte die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse und die Beherrschung der ökonomischen Schlüsselsektoren Bergbau und Landwirtschaft durch internationale Unternehmen und eine schmale Schicht reicher weißer Farmer. Umverteilungen des Grundbesitzes konnten nur auf der Basis "freiwilliger Verkäufe" stattfinden, wobei mit Hilfe britischer Fonds Entschädigungen gezahlt wurden.

Für eine gewisse Zeit war Mugabe in der Lage, die staatliche Verteidigung von Geschäftsinteressen mit beschränkten Sozialreformen zu verbinden und sicherte dadurch seinem Regime die Unterstützung in der Bevölkerung. Er wurde vom Westen als wertvoller Verbündeter und stabilisierende Kraft auf dem afrikanischen Kontinent angesehen.

Aber im vergangenen Jahrzehnt übten der IWF und die Weltbank zunehmend Druck aus, um ein Umstrukturierungsprogramm durchzusetzen, das starke Kürzungen im öffentlichen Sektor und die Öffnung der Wirtschaft für privates internationales Kapital vorsah. Mit dem Sinken der Exporterlöse und dem Anstieg der Auslandsschulden Zimbabwes führten die vom IWF diktierten "Reformen" zu wachsender Armut im Lande. Eine Studie der Vereinten Nationen stellt fest, dass der Anteil der zimbabwischen Bevölkerung, der in Armut lebt, im letzten Jahrzehnt von 40 Prozent auf 75 Prozent angestiegen ist.

Der steile Niedergang im Lebensstandard, eine Arbeitslosigkeit von 50 Prozent und der zunehmend repressive Charakter von Mugabes Herrschaft riefen Opposition in der Bevölkerung hervor und schufen die Bedingungen für gewalttätige gesellschaftliche Konflikte. Da sich Mugabe des Ausmaßes der sozialen und politischen Spannungen bewusst war, sah er sich nicht in der Lage, die Forderungen des IWF nach weiteren Kürzungen zu erfüllen. Aus dem gleichen Grunde lehnte er den geforderten Abzug von 10.000 Soldaten aus dem Kongo ab, wo Zimbabwe das Regime von Laurent Kabila unterstützt.

Mugabe konnte keine Maßnahmen akzeptieren, die seine Herrschaft unterminiert hätten. Dies wurde in der New York Times vom 5. Juli durch einen anonymen westlichen Wirtschaftswissenschaftler bestätigte. Er sagte: "Wir alle haben die sozialen Auswirkungen des [IWF-] Programms unterschätzt. Und als wir sie wahrnahmen, haben wir uns nicht schnell genug zum Helfen aufraffen können."

Vor einigen Jahren beschlossen die Westmächte unter Führung von Großbritannien und den Vereinigten Staaten, dass es an der Zeit sei, sich gegen Mugabe zu wenden. Während sie praktisch alle Hilfsgelder für und Investitionen in Zimbabwe strichen, förderten sie gleichzeitig den Aufbau der MDC als alternativer Führung, die sich aufgeschlossener gegenüber ihren Forderungen zeigte. Die MDC basiert auf einer Allianz zwischen wohlhabenden weißen Farmern und Teilen der schwarzen Kapitalisten und stützt sich auf die städtische Mittelklasse. Einfluss hat sie vor allem in der jüngeren Generation, die nach dem Bürgerkrieg aufgewachsen ist.

Die Gewerkschaften spielten eine Schlüsselrolle bei der Schaffung der MDC und haben dafür gesorgt, dass sie von Teilen der Arbeiterklasse in den Städten unterstützt wird. Weiße Farmer haben drei der vier Spitzenposten in der MDC inne, aber ihr Generalsekretär ist der Gewerkschaftsführer Tsvangirai.

Mugabe hat keine progressive Antwort auf die westlichen Drohungen und Einmischungen zu bieten. Statt dessen versucht er seine Macht zu erhalten, indem er den berechtigten Zorn der armen Landbevölkerung nicht nur gegen die privilegierten weißen Farmer und deren britische Unterstützer anheizt, sondern ihn auch gegen die Arbeiterklasse lenkt. Und dabei hilft ihm vor allem die reaktionäre Politik von Tsvagirai und dem Gewerkschaftsverband ZCTU.

In den letzten zwei Jahrzehnten tat Mugabe kaum etwas, um eine Umverteilung des Landes zu verwirklichen und verlor dadurch die Unterstützung der Landbevölkerung für sein Regime. Um diesen Niedergang aufzuhalten und den Provokationen durch westliche Regierungen und Finanzinstitutionen etwas entgegenzusetzen, organisierte er im Frühjahr diesen Jahres die Besetzung Hunderter weißer Farmen durch die Vereinigung der Kriegsveteranen, die von Mugabes Partei ZANU-PF finanziert und kontrolliert werden.

Bei den allgemeinen Wahlen im Juni diesen Jahres gewann die MDC die Mehrheit in den Städten, doch die ZANU-PF konnte aufgrund ihrer Gewinne in den ländlichen Gebieten auf nationaler Ebene einen knappen Sieg davontragen.

Mugabe sagte kürzlich über die ZANU-PF: "Wir sind im Land verwurzelt und nicht in den Fabriken". Seine herrschende Clique bezeichnet regelmäßig die städtische Bevölkerung als Handlanger der weißen Farmer und der britischen Regierung. Dies hat bösartige Formen angenommen: Angriffe auf schwarze Landarbeiter, die auf den großen Farmen von Weißen arbeiten, dehnen sich auf die Städte aus.

In den vergangenen Monaten patrouillierte die Armee in den ärmsten Stadtvierteln und schlug Leute zusammen, die sie der Zusammenarbeit mit der MDC verdächtigte. Dies erklärt sich allerdings eher aus der breiten städtischen Unterstützung für den jüngsten Generalstreik der MDC, als dass es in der Bevölkerung große Sympathien für die weißen Farmer gäbe.

Die Landfrage

Mugabe konnte seine Popularität in ganz Afrika steigern, indem er sich die Landfrage zunutze machte. Inspiriert von den Landbesetzungen in Zimbabwe, haben bereits 5000 Menschen in der südafrikanischen Region KwaZulu-Natal Ländereien besetzt. Am Ende eines kürzlich abgehaltenen zweitägigen Gipfeltreffens in der namibischen Hauptstadt Windhoek billigte die 14 Länder umfassende Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrikas Mugabes Haltung in der Landfrage und drängte den südafrikanischen Präsidenten Mbeki, sich gegenüber Großbritannien für Entschädigungen einzusetzen, mit denen die Farmbesetzungen durch das Mugabe-Regime kompensiert werden sollen.

Die Grundbesitzverteilung in Afrika ist allerdings Ausdruck der Unfähigkeit jedes Teils der nationalen Bourgeoisie, die demokratischen und sozialen Problem zu lösen, die durch imperialistische Herrschaft und wirtschaftliche Unterentwicklung hervorgerufen wurden. Zwei Jahrzehnte nach der formalen Unabhängigkeit besitzen die weißen Farmer in Zimbabwe immer noch mehr als die Hälfte des Ackerlandes, während die Mehrheit der schwarzen Landbewohner entweder überhaupt kein Land hat oder sich mühsam auf kleinen Parzellen mit schlechter Bodenqualität durchschlägt. Schwarze Südafrikaner, die 75 Prozent der Bevölkerung ausmachen, besitzen nur 25 Prozent des Landes, und in Namibia besitzen 4000 Weiße etwa 44 Prozent des gesamten Bodens.

Was die Politik der MDC in Bezug auf die Landfrage betrifft, so ist sie praktisch identisch mit den Ansichten der weißen Farmer und der britischen Regierung. Sie besteht darauf, dass weiße Farmer für jede Landübernahme in vollem Umfang entschädigt werden müssen.

Während der Status Quo in den ländlichen Gegenden weder sozial noch wirtschaftlich Bestand haben kann, besteht Mugabes Rolle darin, die Landfrage als politische Waffe zu benutzen, ohne dabei eine vernünftige Politik zur Entwicklung der Landwirtschaft - neben Gold Zimbabwes wichtigste Exportindustrie - anzubieten. Das Aufbrechen der großen und profitablen Güter und die Ansiedlung von Millionen Familien auf Parzellen ohne Wasserzugang, landwirtschaftliches Gerät und Zugang zu günstigen Krediten oder Subventionen bereiten den Boden für eine ökonomische Katastrophe.

Trotz seiner antiwestlichen Rhetorik bleibt Mugabe außerdem der Verteidigung von Geschäftsinteressen auf Kosten der arbeitenden Menschen verpflichtet. Während er die Enteignung weißer Ländereien verspricht, wertet seine Regierung gleichzeitig die Währung ab und gelobt weitere Haushaltskürzungen und Privatisierungen - Maßnahmen, die gänzlich auf der Linie der IWF-Forderungen liegen und der Politik der MDC entsprechen.

Eine gerechte und tragfähige Lösung der Landfrage kann nur erreicht werden durch die Entwicklung einer politischen und sozialen Bewegung von Arbeitern und unterdrückten Landbewohnern, die unabhängig von den beiden rivalisierenden Lagern innerhalb der nationalen Bourgeoisie agiert. Hierfür braucht es eine neue sozialistische Führung, die ein Programm zur Befreiung Zimbabwes und ganz Afrikas vom Zugriff der transnationalen Konzerne, des IWF und der westlichen Banken vertritt.