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Massenvertreibungen von Roma und Aschkali aus dem Kosovo

Von Brigitte Fehlau
15. September 1999

Seit dem Ende des Krieges im Kosovo und dem Einmarsch der KFOR-Truppen haben Vertreibungen, Mord und Terror gegen die Bevölkerung nicht aufgehört. Die serbische Bevölkerung wurde aus ihren Häusern vertrieben, mit dem Tode bedroht und oftmals umgebracht. Aber auch alle anderen nicht albanischen Bevölkerungsteile, wie z.B. Roma und Aschkali (eine Minderheit indischer Abstammung) haben unter massivem Terror zu leiden.

Diese beiden Minderheiten lebten seit Jahrhunderten im Kosovo, zuletzt waren etwa 120.000 hier ansässig. In den wenigen Wochen seit dem Einmarsch der KFOR-Truppen wurden aber mindestens drei Viertel von ihnen vertrieben und leben heute in den Flüchtlingslagern und Elendsvierteln der Nachbarländer. Diejenigen die geblieben sind, leben in ständiger Angst.

Verantwortlich dafür sind extrem nationalistische Teile der albanischen Bevölkerung und die UCK, die ungehindert von den KFOR-Truppen ihr Unwesen treibt.

"Wer sich heute mit dunkler Haut auf Plätze und Straßen des Kosovo wagt, muss damit rechnen, dass er beleidigt, verunglimpft, angerempelt oder sogar misshandelt wird," schreibt Tilman Zülch, der Präsident der "Gesellschaft für bedrohte Völker International" (GfbV). Er besuchte im August den Kosovo, sprach dabei mit Roma und Aschkali-Flüchtlingen und überprüfte vor Ort die Angaben von Plünderungen und Zerstörungen. Sein Bericht führt Erschreckendes zu Tage.

"Der extremistische Teil der albanischen Bevölkerung hat offensichtlich mit Unterstützung oder Duldung von großen Teilen der UCK eine Politik der ‚ethnischen Säuberung‘ der beiden alteingesessenen Minderheiten Roma und Aschkali durchgeführt und weitgehend abgeschlossen," fasst er das Ergebnis seiner Recherchen zusammen.

Zum Verhalten der KFOR schreibt er: "Die KFOR hat in vielen Fällen die Minderheitenangehörigen unzureichend geschützt, in ihren Siedlungen keine kontinuierliche militärische Präsenz gezeigt, bei der Verfolgung von Roma und Aschkali-Angehörigen häufiger nicht interveniert oder ‚Auseinandersetzungen‘ nur angehalten, ohne das Recht auf Wohnung und Gesundheit der Bedrohten durchzusetzen, und hat diese vielfach in die Nachbarländer eskortiert und somit die Vertreibung begünstigt."

Weiter heißt es: "Nach der NATO-Intervention wandten sich albanische Extremisten, zurückkehrende albanische Flüchtlinge, häufig auch albanische Nachbarn der Roma und Aschkali und vielfach uniformierte und bewaffnete UCK-Mitglieder überall im Kosovo gegen die Minderheiten. Sie bedrohten Kinder, Frauen und Männer vielfach mit dem Tode, schüchterten sie ein und forderten - nicht selten mit vorgehaltener Waffe - ultimativ auf, ihre Häuser und Wohnorte zu verlassen. Oft setzten sie ihnen eine Frist von wenigen Minuten oder Stunden. Viele konnten nur mit der Kleidung, die sie auf dem Leibe trugen entkommen.

In der Regel wurden die Häuser geplündert, Einrichtungsgegenstände, Fernseh- und Videogeräte, Autos und in Einzelfällen auch Traktoren gestohlen. Ironisch sagten uns Aschkali-Familien, die als einzige in den Stadtteilen zurückgeblieben waren, die albanische Art zu plündern sei gründlicher als die serbische, weil auch Ziegelsteine und Dachziegel mitgenommen würden.

In der Mehrheit der Fälle wurden dann die Häuser in Brand gesetzt oder mit anderen Mitteln zerstört, in nicht wenigen Fällen aber auch von Nachbarn oder von albanischen Rückkehrern, deren Häuser von serbischen Truppen zerstört worden waren, in Besitz genommen. Nach unserer groben Schätzung könnten zwei Drittel der Häuser der Roma und Aschkali zerstört worden sein."

Die Vertreibungen waren begleitet von Misshandlungen, Entführungen, Folter, Vergewaltigungen und Mord. Bis heute gibt es unzählige Vermisste. Die genauen Zahlen der Toten und Vermissten sind nicht zu ermitteln, da sich die Mehrheit der Roma und Aschkali nicht mehr im Land befinden und Zeugenaussagen von albanischer Bevölkerung nur schwer zu bekommen sind.

In einer Reihe von Orten hat sich die albanische Bevölkerung auf die Seite der Roma und Aschkali geschlagen und sie konnten gemeinsam eine Vertreibung verhindern. Über ihre Lebensbedingungen schreibt Tilman Zülch folgendes: "Wo Roma- oder Aschkali-Gemeinschaften in ihren Dörfern oder Stadtteilen geblieben sind, müssen die dennoch mit Diskriminierungen und Menschenrechtsverletzungen rechnen, wenn sie ihre Siedlung oder das Stadtgebiet verlassen. In Podujeva/Podujevo etwa klagen die Angehörigen der Aschkali, dass sie außerhalb der Stadt ihrer Arbeit nicht nachgehen können und massiv bedroht werden. Eine 16-köpfige Aschkali-Familie, die einer albanischen Familie während der Kriegsmonate das Leben rettete, kann ihren winzigen Hof nicht mehr verlassen. Sie werden bei jedem Versuch, auch nur einzukaufen, massiv eingeschüchtert und sogar angegriffen."

Siehe auch:
Protektorat Kosovo - Eine ehrenwerte Gesellschaft
(31. August 1999)