Neue Techniken zur Erhöhung der Kapazitäten des Internet
Von Luciano Fernandez
24. Juli 1999
aus dem Englischen (16. Juli 1999)
Die schnell wachsende Nutzung internationaler Kommunikationsnetze führt zu einigen bemerkenswerten technischen Entwicklungen auf dem Gebiet der Glasfaseroptik.
Der Hauptanstoß war die ungeheure Zunahme der Nutzung des Internet - sowohl was die Anzahl der Nutzer betrifft, als auch in Bezug auf die Verwendung von Grafik, Ton, Video und potentieller weiterer Arten der Kommunikation wie z. B. von Sprach- und Videokonferenzen.
Das Wachstum der Anzahl der Internet-Nutzer ist schwindelerregend. Im Juni 1997 lag die Zahl Schätzungen zufolge bei 82 Millionen. Nach Voraussagen werden im Jahre 2002 bis zu 329 Millionen Leute täglich online sein. Bis zu 16,6 Millionen Menschen in Europa nutzen das Internet. In Großbritannien wurde geschätzt, daß Mitte 1999 25 % der Bevölkerung online sind. In Australien sind es schon bis zu 30 % der Haushalte. In Ländern wie Indien und Indonesien ist der Anteil an der Bevölkerung zwar klein, beträgt aber doch viele Millionen, besonders aus jüngeren gutgebildeten Schichten.
Die Schaffung des World Wide Web seit 1993 hat die umfangreiche Nutzung von Grafik, Ton und Video möglich gemacht und zur immer komplexeren Gestaltung von Web-Seiten und -sites geführt. Jede dieser neuen Nutzungsarten hat die Anforderungen an die Übertragungskapazität, die sogenannte Bandbreite, erhöht, um einen schnellen Zugriff auf die Websites zu garantieren.
In den letzten 20 Jahren hat die Verwendung von Glasfaserkabeln den großen Kommunikationsunternehmen ermöglicht, diese Nachfrage zu erfüllen und die Bandbreite international wesentlich zu erhöhen. Aber die Geschwindigkeit des Wachstums des Internet und der Nutzung der Telekommunikation hat die existierenden optischen Netze unter Druck gesetzt. Es besteht die Gefahr, daß sie überlastet werden und nicht mit der Nachfrage Schritt halten.
Noch mehr Kabel mit der gleichen Technologie zu verlegen ist eine sehr kostspielige Angelegenheit. Die andere Möglichkeit besteht darin, neue Technologien zu entwickeln, die die Kapazitäten bereits verlegter Kabel erhöhen. Dieser zweiten Möglichkeit wird die größte Aufmerksamkeit gewidmet. Die wichtigsten Unternehmen haben viele Millionen in die Entwicklung der Technik gesteckt, die zur Vergrößerung der Bandbreite notwendig ist. Dabei gab es eine Reihe bemerkenswerter Ergebnisse.
Information wird in einer Glasfaser durch einen Laserstrahl einer festen Frequenz (oder Farbe) übertragen. In der Vergangenheit konnte in einer Faser nur eine einzige Frequenz verwendet werden. Jetzt haben Wissenschaftler aber technische Mittel entwickelt, um mehrere Frequenzen gleichzeitig in einer einzigen Faser zu verwenden.
Zwei technische Durchbrüche waren nötig. Erstens wurden winzige optische Bausteine namens Bragg-Gitterreflektoren entwickelt, mit denen Licht leicht auseinanderliegender, aber ausgeprägter Frequenzen gewonnen werden kann. Diese Gitter werden hergestellt, indem der Kern der Faser in einem genau festgelegten Muster mit UV-Strahlung behandelt wird. Dieser Prozeß verändert dauerhaft die Brechungseigenschaften des Glases. Zweitens wurden Methoden entwickelt, um die Faserdämpfung zu reduzieren, die das Signal abschwächt. Dazu wird der Faser-Kern mit einer winzigen Menge von Ionen aus der Gruppe der Metalle der seltenen Erden versehen ("Dotierung").
Diese Komponenten sind sehr effektiv und auch preiswert herzustellen. Daher haben sie schnell die überholten und umständlichen optischen Geräte ersetzt, die vorher verwendet wurden. Das Ergebnis sind Systeme, die als Wellenlängenmultiplex mit engem Wellenlängenabstand (Dense Wavelength Division Multiplexing - DWDM) bezeichnet werden. Hierdurch wird die Bandbreite dramatisch erhöht.
In der Vergangenheit lag die Kapazität einer Faser, durch die eine einzige Frequenz geleitet werden konnte, bei etwa 2,5 Milliarden Bit pro Sekunde (Gbit/s). 1996 entwickelte das Forschungsinstitut Bell Laboratories einen Multiplexer, mit dem acht Frequenzen gleichzeitig durch ein optisches Kabel geschickt werden konnten. Die Bandbreite wurde damit auf 20 Gbit/s angehoben. Der gegenwärtige Stand der DWDM-Technik erlaubt bis zu 400 Frequenzen gleichzeitig, also etwa 1000 Gbit/s - das entspricht grob der Übertragung der Information von 20000 Romanen pro Sekunde.
Diese Technik entwickelt sich so schnell, daß Wissenschaftler planen, bis zum Ende dieses Jahres bis zu 1000 Frequenzen in einer optischen Faser zu verwenden, die so dünn ist wie ein menschliches Haar. Jetzt werden Experimente vorbereitet, um die Möglichkeit zu testen eine Trillion Bits (Terabit) pro Sekunde zu übertragen - mehr, als sich vor einem Jahr durch das ganze Internet bewegten.
DWDM wird die Kosten wesentlich reduzieren. In einem gewöhnlichen optischen Kabel muß das Signal nach einer Strecke von 40 km verstärkt werden, aber mit einem DWDM-System muß dies erst nach 100 Kilometern geschehen. DWDM verwendet auch weniger Komponenten und ist zuverlässiger, was Einsparungen bei der Installation und der Wartung bedeutet. Es wurde berechnet, daß bei einer allgemeinen Einführung der DWDM-Technologie deren Kosten um weitere 30 % pro Jahr sinken werden. Sie kann auch für regionale Netze in Ballungsgebieten und kleinere Unternehmen oder Institutionen wie z. B. Universitäten verwendet werden, die große Datenmengen bearbeiten und transportieren.
Trotz dieser erstaunlichen Entwicklungen gibt es immer noch Nachteile, die überwunden werden müssen. Das Hauptproblem ist jetzt nicht die Bandbreite der optischen Faser, sondern eher die Verarbeitung der riesigen Datenmengen an beiden Enden. Die Information bewegt sich mit Lichtgeschwindigkeit in der optischen Faser, aber an den beiden Enden verwenden die komplexen Schaltverfahren viel langsamere elektronische Technik.
Um diese Mängel zu überwinden, wenden sich Forscher und Wissenschaftler dem Gebiet der Photonik zu. So wie die Elektronik die Beeinflussung von Signalen in Form von Elektronen zum Gegenstand hat, zielt die Photonik darauf, direkt die Information der Laserstrahlen zu manipulieren. Die Unternehmen greifen jetzt nach etwas, was noch in den siebziger und achziger Jahren als leicht abstruses Forschungsgebiet galt.
Große Mengen Geld werden in die Photonik-Forschung gesteckt, weil mit riesigen Profiten gerechnet wird. Die Nachfrage nach Photonik-Bauelementen und -Geräten einschließlich DWDM-Systemen ist in den USA von fast Null 1994 auf 1,5 Milliarden Dollar im Jahr 1997 explodiert und wird nach Schätzungen bis 2001 auf 4 Milliarden Dollar ansteigen.
Gegenwärtig wird angestrebt ein photonisches Schaltgerät zu entwickeln, welches die enormen Informationsmengen umleiten kann, ohne den langsamen und zeitaufwendigen Prozeß der Umwandlung optischer Signale in elektronische Signale und umgekehrt. Die nächste Generation von DWDM-Technik soll optische Kreuzverbinder beinhalten, die einzelne Frequenzen zwischen Fasern umschalten können.
Die Firma Astarte Fibre Networks liefert bereits optische Kreuzverbinder, in denen piezoelektrisches Material verwendet wird, um Licht von 72 Eingangs-Fasern auf eine Gruppe von Ausgangs-Fasern zu schalten. Das Gerät könnte verwendet werden, um im Falle einer Faserbeschädigung unmittelbar Verbindungen wiederherzustellen. Derzeit ist seine Anwendbarkeit allerdings begrenzt, und es ist nicht für Weitverkehrsnetze brauchbar.
Ein weiterer Wettlauf findet statt, um das optische Gegenstück eines Routers zu schaffen - eines Gerätes, welches den einkommenden Datenstrom liest und einzelne Daten-"Pakete" in die für sie vorgesehene Richtung lenkt. Ein europäisches Konsortium, ACTS, hat schon ein rudimentäres optisches Gerät vorgeführt, welches diese Funktion erfüllt, aber die Aussichten für einen optischen Router liegen dennoch in einiger Ferne.
Diese jüngsten Entwicklungen liefern einen Eindruck des enormen Potentials für weitere Sprünge in der Telekommunikation und der Erweiterung des Internet um Dienste wie Video-Übertragung und -Konferenzen, für deren allgemeine Verwendung die gegenwärtige Technologie noch nicht ausreicht.