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Öffentliche Untersuchungskommission zu den Bränden in der Dexter Avenue

Von Tom Eley
17. März 2010
aus dem Englischen (13. März 2010)

Die amerikanische Socialist Equality Party hat eine öffentliche Untersuchungskommission zu den Bränden in der Dexter Avenue initiiert, um damit auf die tödliche Gefahr hinzuweisen, die die häufige Abschaltung der Energieversorgung bedeutet. Sie will eine Bewegung für die Einstellung dieser Abschaltungen in Gang bringen.

Die Kampagne für die Untersuchungskommission wurde beschlossen, nachdem ein Brand in der Dexter Avenue 8011 in Detroit im Bundesstaat Michigan drei Menschen das Leben gekostet hatte - zwei davon waren die schon betagten und behinderten Brüder Marvin (62) und Tyrone (61) Allen, sowie der 58 Jahre alte Lynn Greer. Der Energielieferant DTE hatte Strom und Gas abgestellt; anscheinend wurde der Brand von einem der in dem Haus aufgestellten mobilen Heizgeräte ausgelöst.

Diese individuelle Tragödie ist Ausdruck einer umfassenderen Krise. In den auf den Brand in der Dexter Avenue folgenden Wochen verloren noch mehrere Menschen unter ähnlichen Umständen ihr Leben. Am dritten März kamen drei Kleinkinder im Alter von 3, 4 und 5 Jahren durch Feuer um, das auch durch ein Heizgerät ausgelöst worden war. Die Mutter der Kinder hatte nur wenige Stunden vorher bei der DTE nachgesucht, ihre Wärme- und Elektrizitätsversorgung nicht einzustellen.

Aus den Unterlagen von DTE selbst ist ersichtlich, dass der Energielieferant 2009 die Versorgung bei 221.000 Haushalten abstellte; was im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung um 50 Prozent ausmachte. Die ungeheuere soziale Krise in Detroit - Ergebnis der jahrzehntelangen Deindustrialisierung und Zerstörung von Hunderttausenden von Arbeitsplätzen - wurde durch die Wirtschaftskrise noch schlimmer. Die offizielle Armutsrate in der Stadt, die einmal zu den amerikanischen Städten mit dem höchsten Lebensstandard zählte, liegt derzeit bei 30 Prozent, und die Arbeitslosenrate nähert sich 50 Prozent.

Millionen Arbeiter in Amerika und weltweit sind mit den gleichen Lebensbedingungen konfrontiert. Die Wirtschaftskrise wird benutzt, um die Ausbeutung der Arbeiterklasse noch zu verschärfen. Sie führt zur Vernichtung von Millionen Arbeitsplätzen und Angriffen auf die elementarsten Lebensbedürfnisse. Große Teile der Bevölkerung leben unter Bedingungen, unter denen sie die Wahl treffen müssen, entweder zu heizen, in die Renten- oder die Krankenkasse einzuzahlen, oder etwas Essbares auf den Tisch zu stellen.

Derartige Lebensbedingungen müssen bekämpft und beseitigt werden. Die SEP fordert die sofortige Einstellung aller Strom- und Gasabschaltungen und Zwangsräumungen. Notwendig ist ein umfassendes öffentliches Arbeitsprogramm mit Arbeitsplätzen für alle zum Wiederaufbau der Infrastruktur von Städten wie Detroit.

Wie ist ein solches Programm umzusetzen? In der Mittelschicht setzen sich einige Organisationen für dies und jenes ein - zum Beispiel wenden sie sich gegen die Unterbrechung von Versorgungsleistungen oder andere Erscheinungen der sozialen Krise. Bedingt durch ihre politischen Bindungen an die Demokratische Partei und an die Gewerkschaftsorganisationen ist ihr Widerstand aber immer wieder von faulen Kompromissen geprägt. Derart eingebunden, weigern sich diese Organisationen, die einzelnen Erscheinungen der sozialen Krise im Rahmen der ihnen zugrunde liegenden gesellschaftlichen und politischen Bedingungen zu behandeln.

Mit ihrer Kampagne für die öffentliche Untersuchungskommission geht die SEP von einem ganz anderen Standpunkt aus: Sie geht von der Voraussetzung aus, dass die Arbeiterklasse für ihre Interessen nur kämpfen kann, wenn sie einen unabhängigen Kampf gegen die Demokratische und Republikanische Partei und den ganzen von der Wirtschaft kontrollierten politischen Apparat aufnimmt.

Die SEP setzt absolutes Vertrauen in die Durchsetzungskraft der Arbeiterklasse. Die SEP legt die sozialen und politischen Ursachen des Brandes in der Dexter Avenue offen und strebt damit die Hebung des Bewusstseins der Arbeiterklasse an und will sie ermutigen, sich unabhängig zu organisieren.

In einem Artikel über die Pressekonferenz der Initiative für eine öffentlichen Untersuchung, den die Detroit News am Freitag publizierte, hieß es, dass die SEP "anstrebt, den Staat zur Durchführung einer Untersuchung über das Vorgehen der DTE bei den Strom- und Gasabschaltungen zu veranlassen." Das ist eine unzutreffende Darstellung. Die Untersuchung wendet sich nicht an Regierungsbeamte in Lansing, und auch nicht in Washington. Vielmehr beabsichtigt sie unter anderem, die inzestartigen Beziehungen zwischen der in Detroit seit langem regierenden Demokratischen Partei und den Wirtschaftsführern der Stadt, einschließlich der DTE, ans Licht zu bringen.

Weiter wird die Untersuchungskommission die Folgen der permanenten Jagd eines winzigen Teils der Bevölkerung nach Profit und persönlichem Reichtum durchleuchten und öffentlich machen. In den beiden vergangenen Jahren hat DTE Profite in Höhe von Hunderten Millionen Dollar angehäuft und ihren Managern Dutzende Millionen ausgezahlt. Gleichzeitig genehmigten staatliche Regulierungsbeamte der DTE ohne Rücksicht auf die Verelendung in der Stadt umfangreiche Gebührenerhöhungen.

Jeder einzelne Aspekt der Lebensbedingungen - von den Arbeitsplätzen und Löhnen bis zum Bildungswesen, von Parks und Büchereien bis zu den grundlegendsten menschlichen Bedürfnissen nach Wärme, Wasser und Licht -wird den am Profit orientierten Diktaten der Großindustrie und der Banken untergeordnet. Rücksichtslos setzen die zwei Parteien des Großkapitals dieses System durch.

Die soziale Krise, die schlimmste seit der Großen Depression, wird von der Regierung Obama benutzt, um Automobilarbeiter und Lehrer aufs Korn zu nehmen, Sozialprogramme zusammenzustreichen und gleichzeitig den Reichen Billionen Dollar auszuhändigen, darunter auch genau den Wall Street Spekulanten, die die Krise ausgelöst haben. Die Vorstellung von Obama als dem Wegbereiter eines Zeitalters des "Wandels" hat sich in Nichts aufgelöst.

Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses Lawrence Porter betonte auf der Pressekonferenz: "Es dreht sich hier überhaupt nicht um Rassenfragen. Es ist eine Klassenfrage." Früher machten die Kämpfe der Detroiter Arbeiter den Weg für eine umfassende Hebung des Lebensstandards frei. Nun befinden sich die Detroiter Arbeiter im Visier eines umfassenden Angriffs auf die grundlegendsten Lebensbedürfnisse der gesamten Bevölkerung.

Die kommunalen Versorgungsunternehmen müssen der demokratischen Kontrolle der Arbeiterklasse unterstellt, und zum Nutzen der gesamten Gesellschaft betrieben werden und nicht zur persönlichen Bereicherung von Managern und Finanzinvestoren.

Arbeiter, Studenten und Schüler beginnen derzeit den Kampf aufzunehmen. Am 4. März protestierten Hunderttausende gegen Kürzungen der Haushaltsmittel für die Hochschulausbildung. Europa wurde in den vergangenen Wochen von einer Welle von Streiks und Protestaktionen erfasst, die sich gegen die Forderung der Bankenchefs nach Sparmaßnahmen richteten, durch die die Arbeiter für die Wirtschaftskrise zahlen sollen.

Eine neue Bewegung der Arbeiterklasse erfordert jedoch auch eine neue Perspektive. Auf internationaler Ebene fordert die SEP Arbeiter auf, die öffentliche Untersuchungskommission zu verfolgen und sie zu unterstützen. Sie lädt die Einwohner Detroits zum Besuch der ersten Anhörung ein. Diese soll am 20. März von 13 bis 17 Uhr in der Wayne State Universität in Detroit stattfinden. Dort können sie ihre eigenen Erfahrungsberichte einbringen und einen Plan erstellen, wie der Widerstand organisiert, und eine Verbreiterung der Bewegung eingeleitet werden kann.