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Die Ölkatastrophe im Golf: Das Billionen-Verbrechen eines Großkonzerns

Von Patrick Martin
17. Juni 2010
aus dem Englischen (15. Juni 2010)

Die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko ist ein von einem Großkonzern begangenes Verbrechen, das jegliche Vorstellungskraft sprengt. Berücksichtigt man die Schäden für die komplexen Ökosysteme des Golfs und seiner Küsten, die Vernichtung der Fischerei- und der Tourismusindustrie und die langfristigen Gesundheitsschäden für die Bevölkerung in der Region, so werden sich die Kosten am Ende sehr wahrscheinlich auf über eine Billion Dollar belaufen.

Die Explosion, die die Deepwater-Horizon-Bohrinsel zerstörte, elf Arbeiter tötete und den massiven und andauernden Ölaustritt in Gang setzte, war kein "Unfall", sondern das Ergebnis einer Mischung aus kühl kalkulierter Kostensenkung und Nachlässigkeit. Dokumente, die am Montag vom Energie- und Handelsausschuss des Repräsentantenhauses veröffentlicht wurden, liefern hierfür weitere Beweise. Bei einem Dokument handelte es sich um eine E-Mail des BP-Ingenieurs Brian Morel, der die Bohrinsel am 14. April, sechs Tage vor der Explosion, als "Alptraumquelle" bezeichnete, "auf er alles durcheinander laufe und keinerlei Ordnung herrsche."

Ein Begleitschreiben des Ausschusses beschreibt detailliert Entscheidungen, die BP-Funktionäre in den Tagen vor der Katastrophe getroffen haben. "Allgemeines Merkmal dieser fünf Entscheidungen ist, dass sie einen Kompromiss zwischen Kosten und Sicherheit darstellen", heißt es in dem Schreiben. "Es scheint, dass BP ein ums andere Mal Entscheidungen traf, die das Risiko einer Explosion erhöhten, um dem Konzern Zeit oder Geld zu sparen."

In diesem Zusammenhang erweist sich die weithin propagierte Forderung der Obama-Administration, BP solle einen Treuhandfond von etwa 20 Milliarden Dollar schaffen, aus dem Fischern, Verarbeitern von Meeresfrüchten und anderen, deren Lebensgrundlage zerstört wurde, ein Entschädigung gezahlt werden solle, als reiner Betrug.

Der 20-Milliarden-Fond würde BP gerade einmal zwei vierteljährliche Dividendenausschüttungen kosten. Dies würde sehr wahrscheinlich als "Kompromiss" dargestellt, demzufolge der Ölkonzern sich bereit erklärt, Dividendenzahlungen für ein paar Monate ganz oder teilweise auszusetzen, gewissermaßen als PR-Geste für die Zeit, in der die Golfkrise in den Schlagzeilen ist.

Dies käme in der Tat einer Amnestie des Ölkonzerns gleich. Es wäre eine durch die Hintertür eingeleitete Rettung, denn jegliche Entschädigungszahlungen, die über den Treuhandfond hinausgingen, lägen in der Verantwortung der örtlichen Behörden, des jeweiligen Staates oder der US-Regierung. In anderen Worten: Wie die Rettung der Wallstreet würde auch diese Rettung auf Kosten der Arbeiterklasse vorgenommen.

Das Ausmaß der Ölkatastrophe im Golf ist so enorm, dass jegliche seriöse Einschätzung der wirklichen Kosten, was Säuberungsaktionen, Entschädigungen und die langfristige Behebung der Schäden angeht, bei einer Billion Dollar anfängt - mit rapide ansteigender Tendenz.

Eine von der Umweltschutzgruppe "Earth Economics" veröffentlichte Schätzung besagt, dass allein das Mississippi-Delta in Louisiana einen ökonomischen Wert von zwischen 330 Milliarden und 1,3 Billionen Dollar hat, wenn man berücksichtigt, was es hinsichtlich Wasserversorgung, Wasserstraßenregulierung, Hurricane-Schutz, Nahrungsmittelproduktion, Rohstofferzeugung, Erholungswert, CO2-Abspeicherung, Luftfilterung und Abfallbehandlung bedeutet, gar nicht zu sprechen vom ästhetischen und allgemeinen Wert als Lebensraum.

Der BP-Ölteppich wird nach Louisiana nun auch an die Küsten Mississippis, Alabamas und Floridas gespült. Riesige Schwaden von unter der Wasseroberfläche treibendem Öl sind in der Tiefsee des Golfes von Mexiko entdeckt worden, jenseits des Kontinentalsockels, wo der zerstörerische Effekt auf die Ökosysteme des Ozeans und die Nahrungskette überhaupt nicht abzusehen ist.

Sogar die Untergrenze der Zahlen für das Mississippi-Delta übertrifft die 189-Milliarden-Marktkapitalisierung von BP. In anderen Worten: Selbst die wirtschaftlichen Mittel eines der größten Ölkonzerne sind völlig unzureichend, um das Leck zu stopfen oder den Schaden zu beheben.

Washington wird in diesen Tagen von Aktivitäten beherrscht, die alle nur ein Ziel verfolgen: die Obama-Administration als Kritiker und als Gegner von BP zu zeigen und Obama selbst als einen Fürsprecher der Menschen anzupreisen, deren Lebensgrundlagen und deren Lebensweise bedroht sind. Diese Maßnahmen schließen Obamas vierte Reise an die Golfküste ein, gefolgt von einer landesweiten Fernsehansprache aus dem Oval Office am Dienstagabend, einem Treffen mit BP-Funktionären im Weißen Haus am Mittwoch und einem Auftritt von BP-Chef Tony Hayward vor Kongressausschüssen am Donnerstag. Dies alles sind Medien-Events, die nicht darauf abzielen, die wirklichen Ursachen der Ölkatastrophe im Golf bloßzustellen, sondern sie zu verschleiern.

Während das Ausmaß und die Auswirkungen der Katastrophe unsere Vorstellungskraft übersteigen mögen, liegen die Ursachen dieser jüngsten Krise auf der Hand: Das Verhalten von BP und den Kräften, die ihre Politik bestimmen, unterscheidet sich grundsätzlich nicht von dem anderer Großkonzerne. Bis zur nächsten schrecklichen Katastrophe liefert BP nur das abstoßendste Antlitz der internationalen Elite von Großkonzernen, die die Weltwirtschaft gegen die Wand gefahren, die Arbeitsplätze und Lebensbedingungen von hunderten Millionen Arbeitern zerstört haben und die nun sogar unserem Planeten selber dauerhaften Schaden zuzufügen drohen.

Die Ölkatastrophe im Golf, die sich inmitten der weltweiten Wirtschaftkrise ereignet, diskreditiert das Profitsystem in den Augen der arbeitenden Menschen rund um den Erdball. Sie zeigt die wahre Natur des kapitalistischen "freien Marktes", der nur eines repräsentiert: die Freiheit der Kapitalisten, sich auf Kosten der überwiegenden Mehrheit der Menschheit und sogar auf Kosten und zum Schaden der Natur zu bereichern.

Für jeden, der sich ernsthaft mit der Rolle von BP in dieser Katastrophe auseinandersetzt, stellt sich die Frage nach einer sozialistischen Alternative gegenüber der Abscheulichkeit und dem Verbrechertum des Profitsystems. Die Ölindustrie hat reichlich von der Offensive profitiert, mit der die Finanzaristokratie in den vergangenen drei Jahrzehnten alle Beschränkungen des Marktes, einschließlich Sicherheits- und Umweltbestimmungen, aus dem Weg geräumt hat. BP ist keine Ausnahme, sondern nur das jüngste Beispiel des vorherrschenden Trends und befindet sich in bester Gesellschaft von AIG, Goldman Sachs, Lehman Brothers, Enron, Exxon Mobil, Union Carbide and endlos vielen anderen verbrecherischen Konzernen.

Als Antwort auf diese unverfrorene Kriminalität der Großkonzerne müssen die Kapitalisten und nicht die arbeitenden Menschen an der Golfküste zur Kasse gebeten werden. Als erster Schritt sollte das Vermögen von BP konfisziert werden, um als Entschädigung für jene zu dienen, die wirtschaftliche Verluste hinnehmen mussten, und um weitere Bemühungen zu finanzieren, den Ölfluss zu stoppen und die Schäden zu beseitigen.

Die Ölindustrie sollte in ihrer Gesamtheit verstaatlicht werden - in öffentlichen Besitz übergehen und unter demokratische Kontrolle gestellt werden - um so die Mittel zu liefern, die zur Bewältigung des Desasters benötigt werden und um weitere derartige Katastrophen auf den Hunderten Off-Shore-Quellen, die bereits in der Golfregion operieren, zu verhindern.

Es versteht sich von selbst, dass die Demokratische und die Republikanische Partei sich einer solchen Politik starr und unerbittlich widersetzen. Beide Parteien verteidigen das Profitsystem und das "Recht" riesiger Konzerne, Produktionsmittel zu besitzen und zu kontrollieren. Beide sind sich einig, dass die Bedürfnisse der arbeitenden Menschen dem untergeordnet werden müssen, was "der Markt", d.h. die Kapitalistenklasse, sich leisten kann.

Der einzige Weg aus diesem Würgegriff der Großkonzerne und der Banken führt über den Aufbau einer revolutionären Massenbewegung der amerikanischen und der internationalen Arbeiterklasse, der mächtigsten sozialen Kraft auf diesem Planeten.

Arbeiter und Jugendliche in den USA und in der ganzen Welt müssen die notwendigen politischen Schlussfolgerungen aus den Katastrophen ziehen, die das Profitsystem erzeugt. Die Bedingungen, die zu diesem Unglück geführt haben, können nur durch den Kampf für den Sozialismus beseitigt werden. Wir fordern alle, die diesem Programm zustimmen, auf, eine Entscheidung zu treffen, sich der SEP anzuschließen und sie mit uns aufzubauen.

Siehe auch:
Die BP-Ölkatastrophe und der amerikanische Kapitalismus
(14. Mai 2010)