Die Wut über die Bonuszahlungen von AIG und die Klassenfragen
Von Bill Van Auken
18. März 2009
aus dem Englischen (16.März 2009)
Der bankrotte amerikanische Versicherungsgigant American International Group (AIG), der von allen Finanzgesellschaften aus dem Rettungspaket den größten Anteil an Steuergeldern erhalten hat, zahlt an seine Vorstandsmitglieder Bonuszahlungen in Höhe von Millionen von Dollar. Es handelt sich dabei um die gleichen Topmanager, die für die Transaktionen verantwortlich waren, durch die ein großer Teil der amerikanischen und der Weltwirtschaft in den Abgrund gezogen wurde.
Diese Enthüllung hat große Wut in der Bevölkerung erzeugt, denn sie illustriert überdeutlich den Klassencharakter der Wirtschaftspolitik, die die Obama-Regierung angesichts der tiefsten Wirtschaftskrise seit der Großen Depression in den 1920er Jahren verfolgt.
Dem Wall Street Journal zufolge, zahlt AIG 450 Millionen Dollar an Boni an die Vorstände seiner Londoner Tochtergesellschaft AIG Financial Products, die vor allem für die schwindelerregenden Verluste von 99,3 Milliarden Dollar im Jahr 2008 verantwortlich war.
Diese Bonuszahlungen werden zusätzlich zu sogenannten "Anreizzahlungen" für 2008 bezahlt, die 6.400 AIG-Angestellte erhalten und weiteren 600 Millionen "einbehaltenen Zahlungen", die an 4.000 von ihnen gehen, was zusammen mehr als eine Milliarde ausmacht.
Die New York Times berichtet, dass sieben AIG-Vorstände Bonuszahlungen im Wert von 3 Millionen Dollar oder mehr erhalten, die Washington Post teilt mit, dass 165 Millionen unter vierhundert Angestellten aufgeteilt werden - ein Durchschnitt von 412.200 Dollar für jeden. Das ist zehnmal soviel wie der Durchschnittslohn eines Arbeiters.
Wenn man berücksichtigt, dass AIG de facto bankrott ist, dann werden diese Boni, direkt aus Steuergeldern bezahlt, obwohl der Konzern bereits mit 180 Milliarden Dollar bedacht wurde. Diese Summe entspricht ungefähr den angekündigten Ausgaben der Obama-Regierung für das schwächliche Paket zur Konjunkturankurbelung.
Während Millionen voller Wut auf den Bonusplan reagieren, weil sie täglich ihren Arbeitsplatz oder ihr Haus über dem Kopf verlieren und ihr Einkommen infolge der Krise gekürzt wird, kamen von Seiten der Obama-Regierung nur ein paar zahnlose Missfallenskundgebungen.
US-Finanzminister Timothy Geithner soll den von der Regierung eingesetzten Vorstandsvorsitzenden der AIG, Edward Liddy, angerufen und ihn mitgeteilt haben, dass die Bonuszahlen "nicht akzeptabel" seien und verlangt haben, dass sie etwas heruntergeschraubt werden. Wenn man in Betracht zieht, dass die Regierung mit dem ersten Rettungspaket vom September 80 Prozent der Anteile der Firma übernommen hat, dann sollte man annehmen, dass Geithners Forderung einiges Gewicht haben würde.
Aber halt!
Liddy, ein früheres Vorstandsmitglied von Goldman Sachs feuerte einen Brief zurück, in dem der Regierung mitgeteilt wurde, sie solle sich raushalten. Goldman Sachs ist eine Investmentbank, von der man annimmt, dass ein großer Teil des Geldes aus dem Rettungspaket an sie geflossen ist, nachdem es in den AIG-Versicherungen "gewaschen" worden war.
Er schrieb "Um es offen zu sagen, AIG sind die Hände gebunden," und behauptete, dass die Bonuszahlungen "bindende Verpflichtungen" und Teil der Arbeitsverträge der Vorstandsmitglieder seien. Wenn man sie nicht einhalte, würde man Gerichtsprozesse provozieren. Darüberhinaus seien sie auch dann vollkommen gerechtfertigt, wenn man berücksichtigt, dass einige derer die sie erhalten für die vergangenen Verluste verantwortlich sind. Würde man diese zusätzlichen Vergütungen nicht zahlen, behauptete er weiter, würde AIG riskieren, "die besten und klügsten Leute für die Leitung und Durchführung der AIG-Geschäfte" verlieren. Die Angestellten würden kündigen, wenn "ihre Vergütungen Gegenstand fortgesetzter willkürlicher Festsetzung durch das US-Finanzministerium" seien, erklärte er.
"Die Besten und Klügsten?" Die Vorstandsvorsitzenden der Finanzabteilung der AIG führten eine ungesicherte Operation mit Kreditderivaten durch, die genau so betrügerisch war, wie das Schneeballsystem von Madoff und mit noch weit zerstörerischen Folgen.
Die Frage, die sich aufdrängt ist, wo genau sind diese "Besten und Klügsten", die gehen würden, wenn sie ihre Bonuszahlungen in Höhe von Hunderten Millionen nicht erhalten? Der Markt für diese Art parasitäre Finanztransaktionen ist zusammengebrochen und hat die Lebensbedingungen von Millionen arbeitender Menschen mit sich in den Abgrund gerissen. Statt Bonuszahlungen zu bekommen, sollten diejenigen, die für die Finanzmanipulationen bei AIG und ihren Geschäftspartnern verantwortlich waren, gerichtlichen Ermittlungen unterzogen werden.
Schließlich schwenkte die Obama-Regierung auf Liddys Position ein, das die Boni gezahlt werden müssen. Das wurde am Sonntag von Lawrence Summers, dem Vorsitzenden des Wirtschaftsrates des Weißen Hauses, in einem Interview in der ABC Sendung This Week klargemacht.
"In den letzten 18 Monaten sind eine Menge schlimme Dinge passiert," erklärte Summers, "aber was bei AIG passiert ist, ist einfach abscheulich."
Trotz dieser angeblichen Abscheulichkeit bestand Summers darauf, dass die Regierung ungeachtet des 80-prozentigen Anteilseigentums an AIG nichts gegen die Bonuszahlungen unternehmen könne. "Wir sind ein Land mit Gesetzen," verkündete er. "Da gibt es Verträge. Die Regierung kann nicht einfach die Verträge aufheben."
Die Regierung kann keine Verträge aufheben? Versucht einmal dies amerikanischen Autoarbeitern zu erklären, denen nicht nur Bonuszahlungen, sondern auch Löhne, Urlaub, Renten, Gesundheitsversorgung und gute Arbeitsbedingungen - all dies war Teil ihrer Arbeitsverträge - gestrichen wurden, weil das Weiße Haus dies zur Bedingung machte, für die Zahlungen zur Abwendung des Bankrotts.
Da gab es keine frommen Sprüche aus Washington über einen "Rechtsstaat" und die Heiligkeit von Verträgen, als die Regierung hinter dem bösartigen Angriff stand, durch den die Autoarbeiter zurück in die 1930er Jahre getrieben werden sollen. Vielmehr wurden diese Arbeiter - mit Unterstützung der Gewerkschaften -verunglimpft durch die allgemeine Forderung, dass sie von heute auf morgen der Vernichtung ihrer Verträge zuzustimmen hätten.
Das ist der wirkliche Inhalt der Wirtschaftspolitik der Obama-Regierung. Heilig sind Nicht Verträge oder Gesetze, sondern das Prinzip, dass der Reichtum, die Macht und die Privilegien des obersten einen Prozents der amerikanischen Gesellschaft nicht angetastet werden dürfen, ganz gleich, wie tief die Wirtschaftskrise ist.
Wirklich Sorgen machen sich Summers und die anderen in der Regierung, weil diese Bonuszahlungen bei AIG so provokativ sind, dass sie ihrem Versuch in die Quere kommen, eine Politik durchzuführen, durch die die gesamte Last der Krise der arbeitenden Bevölkerung aufgebürdet werden soll unter dem Motto: "Alle müssen Opfer bringen."
Das drückte der Wirtschaftsberater von Obama, Austan Goolsbee, ganz deutlich aus, als er davor warnte, dass das Vorgehen von AIG "den Zorn von Millionen Menschen erregen" könnte. Er fügte hinzu: "Man muss sich Sorgen machen, dass sie zurückschlagen."
Genau diese Entwicklung, die die Regierung und die herrschende Klasse so sehr fürchten, deutet auf den einzigen Weg hin, durch den die drohende Wirtschaftskatastrophe im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung gelöst werden kann. Der "Zorn" und das "Zurückschlagen" der Millionen und Abermillionen arbeitender Menschen müssen mobilisiert und vorbereitet werden, um die Finanzoligarchie die für die gegenwärtige Krise verantwortlich ist, zur Rechenschaft zu ziehen und ihre wirtschaftliche und politische Macht über die Gesellschaft zu brechen.
Das erfordert den Aufbau einer neuen sozialistischen Massenbewegung, den Kampf für die Vergesellschaftung der großen Konzerne und Banken und ihre Umwandlung in öffentliche Einrichtungen, die demokratisch von der arbeitenden Klasse kontrolliert werden. Nur auf diesem Weg kann das Wirtschaftsleben so umorganisiert werden, dass die Bedürfnisse der Millionen nach Arbeitsplätzen, Wohnungen, Gesundheitsversorgung und Bildung befriedigt werden können statt nur für die herrschende Elite Profit zu bringen.