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Obama spricht vor dem NAACP

Von Tom Eley
21. Juli 2009
aus dem Englischen (18. Juli 2009)

In seiner Rede auf der 100-Jahrfeier der Bürgerrechtsorganisation National Association for the Advancement of Colored People (NAACP) machte US-Präsident Barack Obama die afroamerikanische Arbeiterklasse im Wesentlichen selbst für die Krise verantwortlich, in der sie steckt.

Obama erinnerte an das Ausmaß der sozialen Verelendung schwarzer Arbeiter. Afroamerikaner sind "häufiger arbeitslos, als andere", sie "erkranken mit größerer Wahrscheinlichkeit an zahlreichen Krankheiten und sind mit geringerer Wahrscheinlichkeit krankenversichert" sagte der Präsident. Obama erwähnte auch, dass überdurchschnittlich viele Afroamerikaner im Gefängnis sind oder an Aids erkranken.

Diese verkürzte Liste - Obama hätte auch die Zwangsversteigerungen, Obdachlosigkeit oder die Krise des öffentlichen Bildungssystems nennen können - bietet nur einen schwachen Einblick in die düsteren Bedingungen für afroamerikanische Arbeiter, und beileibe nicht nur für die schwarzen Arbeiter.

Aber was ist der Grund dieses Elends? Und was schlägt Obama vor, um es zu lindern?

Hier brachte Obama die ganzen rechten Allheilmittel wie "persönliche Verantwortung" vor. Aber damit wird immer nur die Abschaffung von Sozialprogrammen gerechtfertigt, was die Krise für breite Teile der Arbeiterklasse noch verschärft.

"Staatliche Programme allein werden unseren Kindern nicht das gelobte Land bringen", erklärte Obama. Mit anderen Worten, schwarze Arbeiter können von der Obama-Regierung keine nennenswerten sozialen Maßnahmen erwarten. Obama sagte, notwendig sei "neues Denken, eine neue Haltung".

Obama zufolge "besteht eine besonders dauerhafte und schädliche Erbschaft der Diskriminierung darin, dass wir das Gefühl eigener Beschränktheit verinnerlicht haben. So viele in unserer Gemeinschaft haben eine Haltung entwickelt, bei der sie von der Welt und von sich selbst nur wenig erwarten."

Obama weiß natürlich, dass das ein Neuaufguss der diskreditierten Theorie der "Kultur der Armut" ist, wie sie Daniel Patrick Moynahan vertrat. 1965 verfasste der Soziologe (und spätere Demokratische Senator) eine Studie, die behauptete, dass Armut unter Schwarzen im Wesentlichen ein gesellschaftliches Leiden sei, das innerhalb "der Neger-Familie" weiter vererbt werde. Diese Vorstellungen spielten immer eine große Rolle, wenn es darum ging, die Sozialhilfe zu beschneiden.

Obama behauptete, schlechte gesellschaftliche Voraussetzungen seien keine Rechtfertigung dafür, dass schwarze Jugendliche staatliche Unterstützung genießen müssten. Auch wenn es wirtschaftliche Probleme gebe, erklärte er, sei das "kein Grund, schlechte Noten zu bekommen, den Unterricht zu schwänzen oder die Schule abzubrechen".

"Wir müssen unseren Kindern sagen... ‘Euer Schicksal liegt in eurer Hand...Keine Ausreden... diese Härten werden euch stärker machen, für den Konkurrenzkampf stählen’." Für Obama sind Hunger, Obdachlosigkeit und Polizeischikanen nicht nur keine "Ausreden". Diese "Härten" sind in Wirklichkeit sogar eine gute Sache, weil sie schwarze Jugendliche "konkurrenzfähiger" machen.

Dann gab der Präsident sogar den Eltern gute Ratschläge für die Erziehung. "Den Eltern möchte ich sagen...Ihr könnt die Erziehung nicht anderen überlassen. Das bedeutet, die Spielkonsole abzuschalten und die Kinder zu einer vernünftigen Zeit ins Bett zu schicken."

Hätte ein weißer Politiker so oder ähnlich gesprochen, wäre er zweifellos als Rassist angegriffen worden. Aber Obamas Worte werden wegen seiner Hautfarbe als "strenge Liebe" gelobt. Vor kurzem hielt Obama in Afrika eine sehr ähnliche Rede, in der er argumentierte, dass der vom Imperialismus am meisten geschädigte Kontinent selbst für sein Schicksal verantwortlich sei. (siehe "Obama im Dienste des Neokolonialismus in Afrika")

Obamas Ratschläge an afroamerikanische Arbeiter ähneln stark der Position Booker T. Washingtons (1856-1915). Washington war ein schwarzer Lehrer zu der Zeit, als im amerikanischen Süden Rassentrennung herrschte. Er argumentierte, die einzige Möglichkeit für Schwarze, sich gegen Brutalität und Armut zu wehren, bestehe in einer Verbesserung ihrer Situation durch "Selbsthilfe" - und nicht etwa in politischer Aktion.

Ironischer Weise wurde der NAACP 1909 von W.E.B. Du Bois (1868-1963) in bitterer Opposition zu den Vorstellungen von Booker T. Washington gegründet. Obama behauptete am Donnerstag, der NAACP sei "nicht gegründet worden, um Almosen zu erbitten". Vielleicht nicht. Aber bei all seiner Beschränktheit wurde er doch gegründet, um politisch gegen die Unterdrückung der schwarzen Bevölkerung zu kämpfen.

Mit folgenden Worten, die seine wirkliche Perspektive erkennen lassen, ließ Obama die Katze aus dem Sack: "Weil die Rassentrennungsgesetze aufgehoben wurden, gibt es heute Konzerne auf der Fortune 500 Liste, die von schwarzen Vortandsvorsitzenden geleitet werden. (Applaus). Weil Bürgerrechtsgesetze verabschiedet wurden, gibt es heute schwarze Bürgermeister, schwarze Gouverneure und schwarze Abgeordnete an Orten, wo sie früher nicht nur nicht wählen, sondern noch nicht mal einen Schluck Wasser nehmen konnten. Und weil einfache Leute solche außergewöhnlichen Dinge leisteten ... kann ich hier als 44. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika zu Ihnen sprechen." (Applaus).

Das überwiegend gut betuchte Publikum bejubelte diese Passage enthusiastisch. In den Augen dieser sozialen Schicht besteht der Erfolg der Bürgerrechtsbewegung darin, dass heute "schwarze Vorstandsvorsitzende" und Politiker möglich sind. Für die Bedürfnisse schwarzer Arbeiter empfinden sie nur Verachtung.

In Wirklichkeit war der progressive Inhalt der Bürgerrechtsbewegung der Kampf für Gleichheit. Aber je mehr sich die sozialen Konflikte in den 1960er Jahren verschärften und die Ghetto-Aufstände von 1967-68 die Situation auf die Spitze trieben, desto stärker konzentrierte sich ein Teil des politischen Establishments darauf, durch die Politik positiver Diskriminierung eine schwarze Mittelschicht zu schaffen und sie in das kapitalistische Establishment zu integrieren. Im Verlauf der letzten vierzig Jahre hat sich die soziale Ungleichheit innerhalb der schwarzen Bevölkerung enorm verschärft.

Obama ist ein Produkt dieses Prozesses. In Obamas persönlicher oder politischer Geschichte gibt es nichts, was mit den Kämpfen der afroamerikanischen Arbeiter zu tun hätte. Er wurde schon sehr früh von mächtigen politischen und Finanzkreisen ausgewählt, die ihn schließlich ins Weiße Haus hoben. Sein ethnischer Hintergrund ließ ihn als besonders geeignet erscheinen, rechte Politik zu verkaufen.

Identitätspolitik dient nicht dazu, die Interessen der Mehrheit der schwarzen Bevölkerung zu vertreten. Sie ist zum Instrument für scharfe Angriffe auf afroamerikanische Arbeiter und auf die Arbeiterklasse insgesamt geworden. Die Obama-Regierung händigt den großen Finanzhäusern zwölf Billionen Dollar aus, aber manipuliert den Bankrott der Autoindustrie in einer Weise, dass die Löhne und der Lebensstandard der Arbeiterklasse gedrückt werden. Obama plant eine Gesundheitsreform mit einer Pflichtversicherung und rationierter Behandlung. Im Bildungsbereich, den er in seiner Rede als Grundvoraussetzung für ein Weiterkommen bezeichnete, unterstützt Obama die Schließung staatlicher Schulen, die Ausweitung konzessionierter Privatschulen und Angriffe auf Lehrer.

Obamas Rede und der gesamte Inhalt der Politik seiner Regierung beweisen nur, dass die Gesellschaft nach Klassen gespalten ist und nicht nach Hautfarbe.

Siehe auch:
Die Wirtschaftskrise und das Wiederaufleben von Klassenkonflikten in den USA
(18. Juli 2009)
Obama’s neocolonial mission in Africa
( 16. Juli 2009)