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Obamas Rückzugsplan aus dem Irak bereitet Fortsetzung des Kriegs vor

Von Bill Van Auken
27. Februar 2009
aus dem Englischen (26. Februar 2009)

In seiner ersten Rede vor beiden Häusern des Kongresses am Dienstagabend versprach Präsident Barack Obama, er wolle bald einen Weg aufzeigen, "wie der Irak dem irakischen Volk überlassen werden und der Krieg auf verantwortungsvolle Weise beendet werden" könne.

Der Präsident der Vereinigten Staaten machte jedoch keine genaueren Angaben über diesen Plan. Es wurden aber einige Informationen aus der Regierung und dem Pentagon bekannt, durch die klar wurde, das die hochtrabende, aber zweideutige Rhetorik und die Ungenauigkeit seiner Aussage bewusst gewählt waren, um eine - oder in diesem Fall - sogar zwei Lügen zu kaschieren.

Obamas Plan wird weder den Krieg beenden noch "den Irak seinem Volk zurückgeben."

Vizepräsident Joseph Biden wies am Mittwoch darauf hin, dass Obama am Freitag eine offizielle Ankündigung machen wolle. Es gibt Berichte, dass er ins Camp Lejeune des Marine Corps oder ins Fort Bragg der Army reisen wird, die sich beide in North Carolin befinden. Dort wolle er seinen Plan bekannt machen.

Ungenannten Regierungskreisen und hochrangigen Militärs zufolge, die am Mittwoch in diversen US-Medien zitiert wurden, werden nach Obamas Plan alle "Kampftruppen" innerhalb von 19 Monaten zurückgezogen, wobei die letzten im August 2010 den Irak verlassen sollen.

"Kampftruppen" ist ein militärischer Fachausdruck. Associated Press zitiert zwei nicht genannte Regierungsvertreter: "Das US-Militär würde eine Resttruppe von 30.000 bis 50.000 Mann dort lassen, um weiterhin die Sicherheitskräfte des Irak zu beraten und auszubilden. Weiter sollen über die 19 Monate hinaus Geheimdienste und Überwachungsspezialisten mit ihrer Ausrüstung einschließlich unbemannten Flugzeugen dort bleiben."

Darüber hinaus scheint es so, dass "Kampftruppen" im Irak bleiben könnten und das Pentagon sie nur zu Versorgungseinheiten umfirmiert. Die New York Times zitiert Vertreter des Militärs mit den Worten, "sie wüssten nicht, wie viele Kampftruppen dort mit neuen Aufgaben als Ausbilder, Berater oder Anti-Terror-Einheiten bleiben sollten. Zumindest einige von ihnen würden weiterhin definitiv für Kampfaufträge zur Verfügung stehen."

Die Times fährt fort: "Militärische Planer haben gesagt, dass sie einige Kampftruppen in Ausbildungs- oder Versorgungskräfte für die Iraker umbenennen müssten, um den Stichtag für den Rückzug einhalten zu können, auch wenn die Truppen weiterhin bewaffnet wären und mit ihren irakischen Kollegen auf Patrouille gehen würden.

Die Los Angeles Times zitiert einen hohen Offizier, der offenbar davon ausgeht, dass der Zeitrahmen für den Abzug von zweitrangiger Bedeutung ist.

"Worauf ich achten würde, ist, was zurückbleiben wird", meinte der Offizier. "Die Schlüsselfrage für den Präsidenten ist: Was für Streitkräfte sind dort und welche besonderen Aufgaben haben sie?"

Und er fügte hinzu: "Wenn Präsident Obama sagte, wir würden in 16 Monaten rausgehen, dann haben einige das so verstanden, wie ‘Wir gehen raus’ und alle sind weg. Aber so wird das nicht sein."

Selbst der Zeitrahmen für den beschränkten Rückzug wird schon drei Monate länger dauern als 16 Monate, wie Obama während seines Wahlkampfs 2008 versprach. Das ist offensichtlich ein Zugeständnis an Verteidigungsminister Robert Gates, General Petraeus, den Oberbefehlshaber General Ray Odierno, den höchsten Kommandeur im Irak, die versuchen eine große Streitkraft länger im Irak zu halten.

Alle drei Personen waren von der Regierung Bush in ihre Ämter eingesetzt worden und werden mit der "Stoß"-Strategie identifiziert, der militärischen Eskalation und Verstärkung der dort eingesetzten Truppen um 30.000, die 2007 begann.

Indem er Gates und die militärischen Befehlshaber im Amt beließ, sicherte Obama im Wesentlichen die Kontinuität der militaristischen Strategie, die unter der Regierung Bush entwickelt worden war.

In einer wichtigen taktischen Veränderung bereitete er seine eigene "Stoß"-Strategie in Afghanistan vor und kündigte an, zusätzlich 17.000 Soldaten dorthin schicken zu wollen, um die Aufstände in diesem Land zu bekämpfen. Dieser Einsatz wird nur als der Beginn für eine größere Eskalation angesehen.

Die Verringerung der US-Truppen im Irak ist nicht zuletzt notwendig geworden, um die US-Intervention in Afghanistan zu verstärken. Zwei der Brigaden, die nach Afghanistan geschickt wurden, waren ursprünglich für den Einsatz im Irak vorgesehen.

Da aber die Regierung Obama den Krieg in Afghanistan verstärken will, wobei die Intervention über die pakistanische Grenze ausgeweitet wird, gehen die Besetzung des Irak und das Töten dort weiter. Das ist die wirkliche Bedeutung von Obamas Plan.

Während die Regierung ihren Plan ankündigte, sind vier weitere US-Soldaten im Irak umgekommen. Drei von ihnen wurden am Montag von Aufständischen in der Provin Diyala getötet und ein weiterer wurde von uniformierten irakischen Polizisten am Dienstag in Mossul erschossen. Bei dem zweiten Zwischenfall wurde auch ein irakischer Dolmetscher getötet und drei US-Soldaten und ein zweiter Dolmetscher wurden verwundet.

Die Aufgabe der im Irak verbleibenden US-Streitkräfte wird sich nicht auf Ausbildung und den Schutz der US-Interessen und "Anti-Terror"-Operationen beschränken. Da sie weiterhin über das Monopol von Luftstreitkräften und schwerer Artillerie im Land verfügen, werden sie beherrschende Militärmacht bleiben und die irakische Armee wird im Wesentlichen nur eine Marionettenstreitmacht der USA bleiben.

Die wichtigste Aufgabe der US-Truppen, ganz gleich ob es sich um 50.000 oder mehr handelt, wird dieselbe bleiben, die sie vor nahezu sechs Jahren hatten, als sie dort einfielen - die neokoloniale Unterjochung eines der erdölreichsten Länder der Erde.

Die Regierung Obama verfolgt dieses Ziel weiter - wenn auch mit etwas anderen Mitteln. Ihr Ziel ist genau wie zuvor bei der Bush-Regierung, den USA einen strategischen Vorteil gegenüber ihren wichtigsten wirtschaftlichen Rivalen in Europa und Asien zu sichern, indem sie die Vorherrschaft über die Hauptenergiequellen festigen, von denen sie abhängig sind.

Die liberalen Anhänger Obamas haben es sich bequem gemacht und weichen der Kritik aus, indem sie behaupten, der Abzug der Truppen in 19 Monaten, bedeute nur eine dreimonatige Verzögerung gegenüber der Frist, die während der Wahlkampagne von 2008 genannt wurde und dass von vornherein eine Resttruppe dort verbleiben sollte.

Derartige legalistische Argumente weichen dem entscheidenden Punkt aus. In den Wahlen - 2002, 2004, 2006 und 2008 - wurde die amerikanische Bevölkerung betrogen und des Rechts beraubt, ein wirkliches Votum gegen den Krieg abzugeben. Jedes Mal haben die Demokraten mit den Republikanern insgeheim zusammengearbeitet, um sicherzustellen, dass der militärische Angriff, den beide Parteien billigten und unterstützten, nicht durch eine Wahl gefährdet wurde. Die Millionen von Wählern, die ein Ende des Krieges wollten, wurden wirksam entrechtet.

Dieser Prozess gipfelte in der Wahl 2008, als Obama seine Nominierung für die Kandidatur zweifellos in hohem Maße deswegen durchsetzen konnte, weil er versuchte, sich zur Identifikation dieser breiten Antikriegsstimmung zu machen und seine Konkurrentin Hillary Clinton an den Pranger stellte, weil sie im Oktober 2002 für den Krieg gestimmt hatte.

Clinton dient ihm jetzt als Außenministerin, während der von Bush ernannte Gates immer noch im Pentagon das Sagen hat.

Dass Obamas Regierung jetzt die Politik der Besetzung des Irak fortsetzt und den Krieg in Afghanistan und Pakistan ausweitet, unterstreicht nur den Bankrott des demokratischen Prozesses in Amerika. Unter dem derzeitigen Zwei-Parteien-System ist es den Wählern unmöglich, ihren Einfluss durchzusetzen, ob es jetzt den Krieg oder andere wichtige Fragen betrifft.

Obamas Politik wird nicht durch die Feindschaft der Bevölkerung gegen den Krieg bestimmt, die Millionen deutlich machten, die ihn gewählt haben, sondern durch die strategischen Interessen der amerikanischen Wirtschafts- und Finanzelite. Immer eindeutiger erweist er sich als Sprachrohr des Finanzkapitals und des Militärs.

Der Kampf gegen den Krieg kann nicht innerhalb der bestehenden politischen Institutionen und des Zwei-Parteien-Systems geführt werden, das die Banken und die Wirtschaftsbosse beherrschen.

Zu allererst ist es nötig, mit der Demokratischen Partei zu brechen und die Arbeiterklasse unabhängig von ihr gegen das Profitsystem zu mobilisieren, das zu Militarismus und Krieg führt. Das erfordert den Aufbau der Socialist Equality Party und einen Kampf, um die breitesten Schichten von Arbeitern, Studierenden und jungen Menschen für ihr sozialistisches und internationalistisches Programm zu gewinnen.