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AfPak-Krieg und geopolitische Spannungen überschatten indisch-amerikanischen Gipfel

Von Keith Jones
4. Dezember 2009
aus dem Englischen (27. November 2009)

Die Pläne der Obama-Regierung, den afghanisch-pakistanischen Krieg auszuweiten, und die wachsenden geopolitischen Spannungen werfen einen deutlichen Schatten auf den viertägigen Besuch des indischen Premierministers Manmohan Singh in den USA. Spannungen zwischen Indien und Pakistan, Indien und China, den USA und Indien und nicht zuletzt den USA und China nehmen ständig zu.

Singh, der eine Koalitionsregierung unter Führung der indischen Kongresspartei anführt, ist der erste Regierungschef nach dem Amtsantritt von Barack Obama, dem ein offizieller Staatsbesuch mit allem dazugehörigen Pomp zuteil wurde. Am Donnerstagabend veranstaltete Obama ein üppiges Abendessen in beheizten Zelten, die auf dem Rasen des Weißen Hauses aufgestellt worden waren. Zu den 300 Gästen gehörten hohe Beamte der Obama-Regierung, führende demokratische und republikanische Politiker, leitende Unternehmer, Berühmtheiten aus Hollywood und prominente Indo-Amerikaner.

Der Pomp und die Feierlichkeit dienten zum Teil dazu, die indische Regierung und die Elite des Landes zu besänftigen, die befürchtet, dass Washington unter Obama die Beziehungen zwischen Indien und den USA erheblich herunterstuft.

Mit der Absicht, dem aufstrebenden China etwas entgegenzusetzen, schmiedete die republikanische Regierung von George W. Bush eine "globale strategische Partnerschaft" mit Indien und erklärte, die USA seien bereit, Indien zu helfen, eine "Weltmacht" zu werden. Als Beweis dafür handelte die Bush-Regierung für Indien eine ganz besondere Befreiung vom weltweiten kerntechnischen Regulierungssystem aus, die es Indien erlaubt, Nukleartechnologie und Brennstoff einzukaufen, obwohl es unter Missachtung des Atomwaffensperrvertrags Atomwaffen entwickelt hat.

Seit ihrer Amtsübernahme Anfang des Jahres hat sich die Obama-Regierung jedoch nicht auf die indisch-amerikanische Partnerschaft, sondern eher auf die Beziehung der USA zu den zwei wichtigsten Rivalen Indiens, nämlich Pakistan und China, konzentriert.

Die Unterstützung Pakistans ist ausschlaggebend für den Krieg der USA zur Unterjochung Afghanistans. Um Islamabad mit Einschüchterung und Bestechung dazu zu bewegen, jegliche Unterstützung für den afghanischen Aufstand in den paschtunisch-sprachigen Grenzgebieten Pakistans zu unterdrücken, hat Washington sowohl die wirtschaftliche als auch die militärische Unterstützung für Islamabad ausgeweitet.

Und weil China durch den Aufkauf amerikanischer Schuldverschreibungen die Staatschulden der USA finanziert, musste die Obama-Regierung dringend um dessen Unterstützung nachsuchen, um mit der größten Wirtschaftskrise seit der Großen Depression fertig zu werden.

Mehrfach hat sich das indische Establishment besorgt darüber geäußert, dass die Obama-Regierung in ihrem Eifer, Islamabad und Peking zufrieden zu stellen, Indiens Interessen vernachlässigt.

Ein Abschnitt in dem Bericht des US-Oberbefehlshabers in Afghanistan, General Stanley McChrystal, der Obama Ende August vorgelegt wurde, wurde in der indischen Presse ausführlich erörtert. Dort stellt McChrystal fest, der wachsende indische Einfluss in Afghanistan könne "regionale Spannungen verschärfen" und zu "Gegenmaßnahmen" Pakistans führen.

Obamas Reise nach Ostasien Anfang November führte dazu, dass sich in Indiens politischen und geo-strategischen Kreisen die Ansicht verhärtete, Washington habe Neu Delhi im Stich gelassen.

Als erstes unterließ es Obama, in einer wichtigen Rede in Japan, in der es um die Ansichten der USA zur Entwicklung der geopolitischen Ordnung in Asien ging, Indien zu erwähnen. Und dann unterzeichnete der US-Präsident am Ende seines Gipfeltreffens mit dem chinesischen Präsidenten Hu Jintao ein Kommuniqué, in dem steht, zusammen mit Washington spiele Peking eine wichtige Rolle, um "Frieden, Stabilität und Entwicklung" in Südasien voranzubringen.

Indiens Außenministerium veröffentlichte im Eiltempo eine Erklärung, in der die Einmischung einer "dritten Partei" in die indisch-pakistanischen Beziehungen wütend zurückgewiesen wird.

Die Kommentare in der indischen Presse waren durchweg kritisch, wenn nicht feindlich gegenüber Obama und seiner Regierung.

"Letztendlich", erklärte der Kolumnist des Deccan Chronicle, S. Raghotham, "denkt Amerika lediglich an das eigene nationale Interesse. Indiens Interessen kümmern sie nicht. Vielleicht ist das der Preis, den Indien dafür zahlen muss, dass es den Amerikanern erlaubt hat, im letzten Jahrzehnt über unsere Sicherheitspolitik im Allgemeinen und unsere Pakistan-Politik im Speziellen zu entscheiden. Man muss sich nur vorstellen, dass unser Premierminister die Winter-Parlamentssitzung ausfallen lässt, um diesen Mann [Obama] zu treffen, der sich einen Dreck um Indiens Selbstachtung und Sicherheit kümmert."

In einer Kolumne mit dem Titel "Obama versteht es einfach nicht", erklärt B. Raman, ein ehemaliger Regierungs- und Geheimdienst-Mitarbeiter: "Zu einer Zeit, in der in Indien die Besorgnis über die wachsende strategische Präsenz und über den Einfluss Chinas in Indiens Nachbarschaft immer mehr wächst, ist es ein erstaunlich empörender Akt von Gefühllosigkeit von Seiten Obamas und seiner politischen Berater, China als freundliche Macht mit einer positiven Rolle in Südasien darzustellen..."

Lalit Mansingh, ehemaliger indischer Botschafter in den USA und ehemaliger Außenminister, erklärte gegenüber der New York Times : "Dass Obama sich vor dem japanischen Kaiser verneigt, ist ein Akt der Höflichkeit, aber dass er sich für die Chinesen das Kreuz verbiegt, ist Beschwichtigungspolitik."

Während Sings Besuchs in dieser Woche versuchten Obama und seine Berater den Schaden wieder gut zumachen, indem sie lautstark und mehrmals die Wichtigkeit der amerikanischen Beziehungen zu Indien betonten, die führende Rolle Indiens in Asien verteidigten, Indiens Engagement in Afghanistan hervorhoben, die Forderungen Neu Delhis an Pakistan, dass die anti-indischen Aufständischen unterdrückt werden müssten, unterstützten und ganz selbstverständlich Indien als Atomwaffenstaat bezeichneten.

Die gemeinsame Erklärung, die Obama und Singh am Ende ihrer Gespräche am Donnerstag herausgaben, "bekräftigte die globale strategische Partnerschaft zwischen Indien und den Vereinigen Staaten" und erklärte sie für "unverzichtbar für globalen Frieden und Sicherheit". Außerdem drängte sie auf eine Ausweitung der expandierenden indisch-amerikanischen Militärbeziehungen. Wichtig seien gemeinsame "Sicherheits-, Friedens- [und] humanitäre" Missionen und Operationen, um die Meere zu überwachen.

Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz erklärte Obama, die USA "begrüßen und unterstützen die führende Rolle Indiens" bei der Gestaltung Asiens, und er sprach davon, dass Indien eine führende Rolle im "asiatischen Pazifik" spiele. Indien liegt zwar viele Kilometer westlich des Pazifiks und ist nicht Mitglied im Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsforum (APEC). Aber es strebt sicherlich eine führende Rolle in Ostasien an, das zurzeit eine besonders dynamische Wirtschaftsregion ist. Die USA sind ihrerseits bestrebt, China und/oder Japan daran zu hindern, einen ostasiatischen Handelsblock zu schaffen, von dem sie selbst ausgeschlossen sind. Sie sehen Indien in dieser Hinsicht als Verbündeten.

Die gemeinsame Erklärung von Obama und Manmohan Singh bekräftigt auch "ein gemeinsames Interesse" in Afghanistan und erklärt, dass der US-Präsident "Indiens Rolle bei den Wiederaufbaubemühungen in Afghanistan anerkennt".

Der indische Premierminister erklärte in seiner Rede vor dem amerikanisch-indischen Wirtschaftsrat am Montag seine volle Unterstützung für die Besetzung Afghanistans durch die USA und die Nato und warnte vor einem "vorschnellen Abzug". Für Indien sind die Taliban nichts weiter als Vertreter Pakistans, und es ist eifrig bemüht, alle Vorschläge zunichte zu machen, die auf Verhandlungen oder eine Versöhnung Washingtons oder Kabuls mit einem Teil des afghanischen Widerstands abzielen.

Die gemeinsame Erklärung griff auch ein weiteres Anliegen Indiens auf. Während die USA unerbittlich von Islamabad fordern, gegen Elemente in Pakistan vorzugehen, die den Aufstand der Taliban unterstützen, setzen sie zur Erbitterung der Regierung in Neu-Delhi Islamabad nicht mit derselben Dringlichkeit unter Druck, wenn es um die Unterdrückung des anti-indischen Aufstands in Kaschmir geht.

"Die zwei Führer", stellt die Erklärung fest, "stimmten darin überein, dass entschlossene und glaubwürdige Schritte unternommen werden müssen, um Zufluchtsorte und Schutzräume für Terroristen und ihre Aktivitäten zu zerstören."

Anfang dieses Monats drohte der indische Innenminister P. Chidambaram praktisch einen Militärschlag über die Grenze hinweg auf Stützpunkte von Aufständischen aus Kaschmir in Pakistan an, für den Fall dass es einen weiteren größeren terroristischen Anschlag in Indien geben sollte. "Ich habe Pakistan gewarnt", erklärte Chidambaram, "es solle keine Spielchen mit uns treiben. Die Anschläge von Mumbai [November 2008] müssen die letzten gewesen sein. Macht Schluss damit... Wenn Terroristen aus Pakistan versuchen, irgendwelche Anschläge in Indien zu verüben, dann werden sie nicht nur besiegt werden, sondern wir werden Vergeltung üben."

Wie der Hindu in einem Editorial feststellt, könnte eine solche Maßnahme Indiens "lawinenartig zu einem Konflikt anschwellen, der Not und Elend über alle Völker Südasiens bringt".

Die Obama-Regierung ist bemüht, Singh zu versichern, dass die USA ihre Beziehungen zu Indien in wirtschaftlicher, militärischer und Sicherheits-technischer Hinsicht vertiefen wollen. Viele Kommentatoren vermerkten dennoch, dass es sich auf dem Gipfel als unmöglich erwies, den Abschluss von langjährigen Verhandlungen über die "praktische Umsetzung" des indisch-amerikanischen zivilen Atomvertrags zu verkünden. Auch der Verkauf von hoch entwickelter militärischer Ausrüstung aus den USA stockt nach wie vor.

Singh maß dem fehlenden Abschluss des Atomvertrags keine große Bedeutung bei und erklärte, es ginge nur noch um einige redaktionelle Fragen. Es ist jedoch allgemein bekannt, dass die Regierungs- und Militärkreise Indiens gewisse Forderungen der Obama-Regierung vehement ablehnen. Obama wollte, dass Indien dem Vertrag über das umfassende Verbot von Atomwaffentests beitrete, den Vertrag zur Ächtung der Produktion von spaltbarem Material für Atomwaffen unterstütze und seine zivilen Atomanlagen für internationale Inspektionen öffne. Das indische Establishment sieht in diesen Forderungen eine unüberwindliche Beeinträchtigung des indischen Atomwaffenprogramms. (Die USA befürworten solche Maßnahmen, um ihre nukleare Überlegenheit zu sichern. Gleichzeitig wollen sie sich damit einen juristischen und "progressiven" politischen Deckmantel für ihre Kampagne gegen den Iran verschaffen.)

Neu Delhi und Washington sind außerdem über eine Menge anderer Fragen zerstritten. Dazu gehören die wirtschaftlichen Lasten und Kosten der Eindämmung von Klimaveränderungen und die ins Stocken geratenen Handelsgespräche der Doha-Runde.

Vor Singhs Besuch drängten mehrere ehemalige Mitglieder der Bush-Regierung Obama, die indisch-amerikanische Partnerschaft neu zu beleben. Sie argumentierten, das sei entscheidend für alle US-amerikanischen Anstrengungen, Chinas ehrgeiziges Streben einzudämmen und, wenn notwendig, zu stoppen. In einem Artikel im Boston Globe schreibt Nicolas Burns, ein Architekt des indisch-amerikanischen Atomvertrags: "Amerika ist mit einer Zukunft konfrontiert, in der Chinas wachsende Macht eine zentrale Herausforderung sein wird. In diesem Zusammenhang ist der Aufbau dieser neuen Partnerschaft zwischen den USA und Indien von elementarer Bedeutung für alles, was wir in Asien erreichen wollen. Stärkere politische und militärische Bindungen Indiens an die Vereinigten Staaten, Japan und Australien sind der beste Weg, um sicherzustellen, dass diese demokratischen Mächte den potentiell gefährlichen Aspekt von Chinas Aufstieg in den kommenden Jahrzehnten ausgleichen und eindämmen können."

Singh seinerseits sprach öffentlich und privat bei seinen Treffen mit Obama über Indiens Spannungen mit China. Die Washington Post berichtete: "In seinen Äußerungen vor dem Rat für Auswärtige Beziehungen holte Singh mehrmals gegen China aus, was nicht besonders elegant war und zu Gelächter in der Menge führte. Er stellte ’beträchtliche Anmaßung’ auf Seiten der Chinesen in Bezug auf langjährige Grenzstreitigkeiten zwischen den beiden Ländern fest und erklärte, obwohl Chinas Entwicklung ein höheres Tempo habe als das Indiens, ’habe ich immer geglaubt, dass es andere Werte gibt, die wichtiger sind als das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts’."

Singh behauptete, er "verstehe nicht ganz die Gründe" für Chinas "beträchtliche Anmaßung". Sie hängt in Wirklichkeit klar mit den erstarkenden Verbindungen Indiens mit den USA zusammen. Aus leicht ersichtlichen Gründen hat Peking weniger Bedenken, Indien vors Schienenbein zu treten als Washington.

Ein weiterer Punkt verdient Erwähnung. Wie die zuvor zitierten indischen Kommentare zeigen, hat das indische Establishment genau soviel dazu beigetragen, die Spannungen zu verschärfen, wie Peking. Indiens politische und militärische Führung ist über Chinas wachsenden wirtschaftlichen und politischen Einfluss in Südasien verärgert. Indien sieht diese Region von Rechts wegen als sein Herrschaftsgebiet an. Außerdem sind die indischen Unternehmer aufgebracht, weil chinesische Firmen erfolgreich in den indischen Markt eindringen.

Am Dienstag, nur wenige Stunden vor dem Treffen Obamas mit Singh, hielt Richard Holbrooke, Obamas Sondergesandter für Afghanistan und Pakistan, eine Rede, in der er erklärte, in Pakistan solle niemand die Aufmerksamkeit, mit der Indiens Premierminister überschüttet wird, "so interpretieren, als ob wir die Rolle Pakistans geringer schätzen würden".

In Wirklichkeit ist Pakistan erbost und erregt, weil Washington sich mit Indien über seine Pläne für den AfPak-Krieg berät, während es gleichzeitig Islamabad im Dunkeln lässt. Und was noch wichtiger ist: Washington strebt eine strategische Partnerschaft mit Indien an, die nur zum Nachteil von Pakistan sein kann.

Tatsächlich waren die Spannungen zwischen Indien und Pakistan auf dem Siedepunkt, als sich Singh und Obama in Washington trafen.

In dieser Woche warf Indiens Armeechef General Deepak Kapoor, Pakistan vor, es plane, noch vor dem Wintereinbruch 2.500 Militante nach Kaschmir zu schicken. Er fügte hinzu: "Ein begrenzter Krieg überschattet von nuklearer Bedrohung ist sehr real, zumindest auf dem indischen Sub-Kontinent." Pakistans Außenministerium reagierte darauf, indem es Indien vorwarf, sich aktiv auf einen begrenzten Krieg gegen Pakistan vorzubereiten. Der pakistanische Premierminister Yousuf Raza Gilani erklärte, Pakistan werde sehr bald Beweise vorlegen, die zeigen, dass Indien Aufständische im pakistanischen Baluchistan via Afghanistan unterstützt hat.

Gleichzeitig bemühen sich die USA, durch einen verstärkten Militäraufmarsch die Kontrolle über die Ölreserven Zentralasiens sicherzustellen und China in Schach zu halten. Dieser neue Vorstoß des US-Imperialismus nach Süd- und Zentral-Asien bereitet den Boden für noch viel extremere Flächenbrände.

Siehe auch:
Chinesisch-indische Grenzverhandlungen lassen wachsende Spannungen erkennen
(20. August 2009)
USA unterstützen indische Großmachtpläne
( 5. August 2005)