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CIA-Direktor droht Kongress

Von Bill Van Auken
5. August 2009
aus dem Englischen (4. August 2009)

CIA-Direktor Leon Panetta richtete am Sonntag in einer Kolumne in der Washington Post eine offene Drohung an den Kongress. Dieser möge doch bitteschön die Hände von den Geheimdiensten lassen und eine Untersuchung ihrer Tätigkeit unter der Bush-Regierung unterlassen.

"Ich mache mir immer mehr Sorgen, weil sich besonders der Kongress schwerpunktmäßig mit der Vergangenheit beschäftigt und die CIA von ihren wichtigen Aufgaben ablenken könnte, nämlich vom Sammeln von Geheimdienstinformationen, von ihrer Analyse und von verdeckten Operationen", schreibt Panetta.

Mit anderen Worten, eine Abrechnung mit den Verbrechen der Vergangenheit darf die Verbrechen der Gegenwart und der Zukunft nicht behindern!

Panetta will offenbar eine in seinen Augen angemessene Beziehung zwischen dem gewählten Kongress und dem mächtigen Geheimdienst des US-Imperialismus wieder herstellen. Im Wesentlichen argumentiert er, diese Beziehung müsse sich auf einen ganz bestimmten "Konsens" gründen: Der Kongress solle die geheimen Operationen der CIA absegnen und im Übrigen seinen Mund halten.

"Wir brauchen breite Übereinstimmung zwischen der Exekutive und der Legislative über das, was unsere Geheimdienste tun und warum", schreibt Panetta. Vermutlich meint er damit die Jahrzehnte lange parteiübergreifende Unterstützung Washingtons für Verbrechen, die sich von der Ermordung von kolonialen Führern wie Patrice Lumumba über den Sturz gewählter Regierungen im Iran, in Guatemala, Chile und anderen Ländern bis hin zu verdeckten Kriegen von Nicaragua bis Angola erstrecken, die Hunderttausenden das Leben gekostet haben.

Panetta beklagt, dass der "Konsens" durch die Politik der letzten acht Jahre zerbrochen sei und führt insbesondere "die Inhaftierung und das Verhören von Terroristen" an, womit er auf den "Krieg gegen den Terror" anspielt. In diesem Krieg wurden Tausende Menschen - die zum größten Teil völlig unschuldig waren - Maßnahmen wie Entführung, willkürliche Verhaftung, "außergerichtliche Überstellung", Folterung und Mord unterworfen.

Das Ende des Konsenses, fügt er hinzu, hat zu einer "zunehmenden Frustration und immer häufiger auftretenden undichten Stellen geführt, durch die berechtigterweise klassifizierte Informationen an die Öffentlichkeit gelangen".

Welche "berechtigterweise klassifizierten Dokumente" er meint, sagt er nicht. Die undichten Stellen, die die CIA in den letzten Jahren erschüttert haben, betrafen z.B. die "schwarzen Löcher" - Geheimgefängnisse in aller Welt, wo Menschen gefoltert wurden - und die Existenz und Zerstörung von Videobändern, auf denen CIA-Angehörige beim Foltern zu sehen waren.

Bei der Geheimnistuerei, die diese Praktiken umgab, ging es nicht um den Schutz "berechtigterweise klassifizierter Dokumente", sondern um die Verschleierung von Verbrechen, was selbst ein kriminelles Vergehen ist.

Panetta behauptet, die CIA habe die illegalen Methoden der Bush-Ära beendet, und betont gleichzeitig, dass "die CIA nur Entscheidungen des Präsidenten umsetzt, wir treffen diese Entscheidungen nicht". Er fügte hinzu: "Dennoch hat mein Dienst immer noch an den anhaltenden Disputen über eine Politik zu knabbern, die es schon längst nicht mehr gibt."

Folter, Attentate und willkürliche Verhaftung verletzen amerikanisches wie internationales Recht. Kein Verantwortlicher hat dafür bisher gerade gestanden. Panettas Argument läuft letztlich auf die berüchtigte Verteidigung hinaus, die bei den Nürnberger Kriegsverbrechertribunalen am Ende des Zweiten Weltkriegs vorgebracht wurde: "Wir haben nur Befehle befolgt."

Das wurde damals zurückgewiesen und ist auch heute noch nach internationalem Recht illegitim. Regierungen sind heute verpflichtet, Bürger anzuklagen, die glaubhaft des Folterns beschuldigt werden. Präsident Obama hat sich, genau wie sein Vorgänger im Weißen Haus, über die von Washington ratifizierten Verträge gegen Folter hinweggesetzt, als er öffentlich eine umfassende Amnestie für die CIA verkündete.

Aber Panetta beschränkt sich nicht nur auf CIA-Agenten, die "nur Befehle befolgt haben". Er macht deutlich, dass sich die Straffreiheit auch auf diejenigen erstrecken müsse, die die Befehle erteilt haben.

"Demokraten und Republikaner müssen jetzt mal tief Luft holen und die Realität nach dem 11. September 2001 anerkennen", betont Panetta. "Die Ernsthaftigkeit und der Patriotismus derjenigen, die nach dem 11. September Entscheidungen treffen mussten, sollten nicht in Frage gestellt werden. Das Land hatte Angst, und führende Politiker versuchten so gut zu reagieren, wie sie konnten."

Welch ein Unsinn! Bush, Cheney, Rumsfeld und andere waren keine Politiker, die nach bestem Wissen und Gewissen im Namen eines vor Furcht erstarrten Landes reagierten. Sie standen an der Spitze einer Verschwörung im Weißen Haus, die die Anschläge als Vorwand nutzten, Aggressionskriege gegen Afghanistan und den Irak vom Zaun zu brechen, die schon seit langem vorbereitet waren. Diese Kriege verfolgten nicht das Ziel, die amerikanische Bevölkerung zu schützen, sondern die amerikanische Hegemonie in den ölreichen Regionen Zentralasiens und des Persischen Golfs zu sichern.

Sie schürten die Angst ganz bewusst und nutzten sie aus, um sich Zustimmung zu militärischer Gewalt und weitreichenden Angriffen auf demokratische Rechte im Inland zu sichern.

Die Anschläge werden dem früheren Geheimdienst-Zögling Osama bin Laden zugeschrieben. Welche Rolle die CIA dabei spielte, diese Anschläge zuzulassen oder sogar zu ermöglichen, ist sicherlich ein weiterer Aspekt der Vergangenheit, die Panetta am liebsten hinter sich lassen würde.

Panetta erwähnt seinen Auftritt auf dem Kapitol im Juni, als er die Geheimdienstausschüsse über ein bis dato geheimes Programm informierte. Es existierte seit sieben Jahren, und der Kongress war nie darüber informiert worden. Bei dem Programm war es um die Aufstellung von Killer-Gruppen gegangen. Der CIA-Direktor beschwert sich, dass sein Auftritt "nicht als Chance genutzt wurde, um die Beziehungen der CIA zum Kongress auf eine neue Grundlage zu stellen, sondern stattdessen zum Anlass für neue gegenseitige Beschuldigungen über die Vergangenheit genommen wurde."

Die Enthüllung brachte den Vorwurf führender Demokraten wieder auf die Tagesordnung, dass sie von der CIA unter Bush belogen und in die Irre geführt worden seien. Die Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi, früher führende Vertreterin der Demokraten im Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses, hatte im Mai behauptet, sie sei nie darüber informiert worden, dass der Dienst Häftlinge der Wasserfolter unterzogen habe. Daraufhin verschickte Panetta eine Erklärung an die Beschäftigten der CIA, in der er die Sprecherin im Grunde eine Lügnerin nannte.

Mal von dem durchaus zweifelhaften Charakter der Behauptung Pelosis abgesehen, demonstriert die öffentliche Zurechtweisung eines gewählten Repräsentanten, der dazu noch als zweiter Stellvertreter des Präsidenten fungiert, was der geheimdienstlich-militärische Komplex für eine Rolle als mächtiger und zunehmend autonomer Staat im Staate spielt.

Panetta geht in seiner Kolumne sogar noch weiter: "Nachrichtendienstliche Erkenntnisse können eine nützliche Waffe sein, aber wir sollten sie nicht gegeneinander verwenden. Wie der Präsident gesagt hat, dies ist nicht die Zeit für Rache. Debatten darüber, wer was wann wusste, oder was vor sieben Jahren geschah, gehen an dem größeren und wichtigeren Thema vorbei: Wir sind eine Nation im Krieg in einer gefährlichen Welt..."

Diese Aussage hat einen Beigeschmack, der einem eine Gänsehaut über den Rücken treibt. Verpackt in die "Nation im Krieg"-Rhetorik, die zum Standardrepertoire von Bush, Cheney und Co gehörte, wird gesagt, dass "wir", d.h. die CIA und der Kongress, nachrichtendienstliche Erkenntnisse nicht "gegeneinander verwenden sollten". Droht Panetta dem Kongress? Die Erklärung kann als Warnung an Pelosi und andere gelesen werden, dass der Dienst über die Mittel verfügt, um zurückzuschlagen, wenn Untersuchungen gegen ihn eröffnet werden sollten.

Man kann davon ausgehen, dass die Demokraten im Kongress kuschen werden, wie sie auch Komplizen zweier Aggressionskriege waren und sich an der Einführung von Gesetzen beteiligt haben, die den Rahmen für einen Polizeistaat geschaffen haben.

Weder die Obama-Regierung noch die Demokratische Mehrheit im Kongress werden demokratische Rechte verteidigen oder die Verantwortlichen für Aggressionskrieg, Folter und andere Verbrechen zur Rechenschaft ziehen. Im Gegenteil, sie setzen diese entsetzlichen Praktiken in den Kriegen in Afghanistan und im Irak und in den Gefängnissen von Guantánamo, Bagram und anderswo fort.

Diese Aufgaben können nur durch die unabhängige politische Mobilisierung der Arbeiterklasse im Kampf gegen beide von der Finanzelite kontrollierte Parteien erfüllt werden. Nur eine solche Bewegung der arbeitenden Bevölkerung kann die illegalen Aktivitäten der CIA und anderer amerikanischer Geheimdienste offen legen und die Befehlsgeber zur Verantwortung ziehen. Das bedeutet auch, Bush, Cheney und andere Komplizen der Verbrechen der letzten acht Jahre vor Gericht zu stellen.

Siehe auch:
Obamas Schlagabtausch mit Cheney und die Gefahr von Diktatur in Amerika
(28. Mai 2009)