US-Wahlkampf: Vizepräsidentschaftskandidatin der Republikaner nominiert
Kein Wort der Demokraten zur Bedrohung durch religiöse Rechte
Von Bill Van Auken
6. September 2008
aus dem Englischen (4. September 2006)
Mittwoch war der dritte Tag des Parteitags der Republikaner. Im Mittelpunkt stand die Rede der Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin, Gouverneurin von Alaska.
Palins Kandidatur, die vergangene Woche allgemein auf Überraschung, um nicht zu sagen Ungläubigkeit, gestoßen war, wurde in einer seltsamen politischen Atmosphäre zelebriert. Die Führung der Republikaner hatte sie völlig abgeschirmt, all ihre öffentlichen Auftritte abgesagt und den Medien jeden Zugang zu ihr verwehrt.
Die einzige bekannt gewordene politische Aktivität Palins auf dem Parteitag vor ihrer Rede am Mittwochabend, die von einem ehemaligen Redenschreiber George W. Bushs verfasst worden war, bestand aus einem Treffen mit der zionistischen Lobby-Gruppe AIPAC. AIPAC teilte mit, dass Palin sich mit Mitgliedern der Gruppe privat getroffen und versprochen habe, "sich für eine Erweiterung und Vertiefung der strategischen Partnerschaft zwischen den USA und Israel einzusetzen".
Abgesandte der Republikanischen Partei wurden derweil nach Alaska geschickt, wo sie Palins Freunde und Familienmitglieder dazu verdonnerten, nicht mit den Medien zu sprechen.
Die Demokraten schwiegen derweil vornehm über die Kandidatin und ihre politischen Ansichten. Die Demokratische Partei ist zuvor während ihres eigenen Parteitags in Minneapolis jeder Konfrontation mit der Republikanern aus dem Weg gegangen.
Zunächst hatte es geheißen, man wolle den Republikanern mit dem Slogan "More of the Same" ("Immer weiter so") entgegentreten - eine ironische Anspielung auf die Kontinuität zwischen dem Republikanischen Präsidentschaftskandidaten John McCain und der Bush-Regierung. Die Kampagne sollte zur gleichen Zeit und am Ort des Parteitags der Republikaner stattfinden, aber tatsächlich war kaum etwas davon zu vernehmen. Unter dem Vorwand der parteiübergreifenden Einheit angesichts von Hurrikan Gustav sagten die Demokraten die täglichen Pressegespräche und andere Termine ab. Im Endeffekt konnte Palin ihre umstrittene Kandidatur problemlos durchbringen.
Im Rahmen des politischen Vakuums, das beide große Parteien zu verantworten haben, konzentrierten sich die Medien intensiv auf das Privatleben der Kandidatin und besonders auf die Schwangerschaft ihrer 17-jährigen Tochter. Dieser Umstand war nur wenige Tage nach Palins Nominierung als Vizepräsidentschaftskandidatin der Republikanischen Partei bekannt geworden.
Dass ein Medienrummel um dieses sehr private Ereignis im Leben eines heranwachsenden Mädchens und ihrer Familie entstanden ist, spricht Bände über den ungesunden Zustand der amerikanischen Politik und der Medien. Dennoch waren die Republikaner insgeheim froh über diese Kontroverse, weil sie die Öffentlichkeit von weit wichtigeren inhaltlichen politischen Fragen ablenkte und ihnen ermöglichte, in ihrer rechten populistischen Demagogie gegen die üblichen Sündenböcke zu wüten - gegen die "liberalen" Medien und die Washingtoner "Eliten".
Dass Palin ihre Tochter mit der Annahme der Nominierung selbst ins Rampenlicht gezerrt hat und dass sie selbst Protagonistin der Antiaufklärungs-, Antiverhütungs- und Antiabtreibungspolitik der extremen Rechten ist, die sich einen Dreck um das Wohlergehen zahlloser junger Mädchen und Frauen schert, wird beiseite gewischt.
Die Medien und die Demokraten sind um die wichtigsten politischen Fragen, die mit der Nominierung Palins verbunden sind, wie um den heißen Brei herumgeschlichen: nämlich um die Tatsache, dass eine der beiden großen Parteien Amerikas praktisch von Kräften kontrolliert wird, die man am besten als theokratische Faschisten beschreiben kann. Diese verstehen Palins Nominierung als Mittel, um dem ganzen Land ihre Ideologie aufzuzwingen.
Während es eine Flut von Berichten über die Schwangerschaft von Palins 17-jähriger Tochter Bristol gab, widmeten die Mainstream-Medien den politisch-religiösen Verbindungen der Gouverneurin fast keine Aufmerksamkeit.
Seit ihrer Nominierung als Vizepräsidentschaftskandidatin der Republikanischen Partei wurde bereits bekannt, das Palin und ihr Ehemann früher Anhänger der Alaskan Independence Party (AIP, Alaska-Unabhängigkeitspartei) waren, einer Gruppierung am äußersten rechten Rand, die für eine Loslösung von den Vereinigten Staaten und die Auflösung der Bundesregierung eintrat.
Vertreter der Republikaner versuchen, diesen Berichten unter Berufung auf die Wahlregister entgegenzutreten, nach denen Sarah Palin seit 1982 registrierte Republikanerin ist. Aber die gleichen Unterlagen belegen, dass ihr Ehemann Todd tatsächlich Mitglied der AIP war. Führende Mitglieder der Partei berichteten, das Paar habe 1994 an ihrem Parteitag teilgenommen und ihr Programm unterstützt. Sarah Palin hat auch an dem AIP-Parteitag im Jahre 2000 teilgenommen, wofür die Republikaner die wenig überzeugende Ausrede vorbringen, das sei eine rein formeller Termin gewesen, den sie als Bürgermeisterin von Wasilla, einem Vorort von Anchorage, wahrgenommen habe
Sie haben noch keine Erklärung für die Videobotschaft gefunden, die Palin dem AIP-Parteitag im letzten Jahr schickte. Der stellvertretende AIP-Parteivorsitzenden George Clark hatte sie mit den Worten angekündigt, Palin sei "AIP-Mitglied gewesen, bevor sie Bürgermeisterin einer kleinen Stadt wurde."
Wenn die Massenmedien diese politischen Zusammenhänge überhaupt behandeln, dann konzentrieren sie sich hauptsächlich auf das Parteimotto "Alaska First", das in Widerspruch zu McCains Wahlkampfslogan "Country First" steht. Viel bedeutsamer ist aber die Tatsache, dass die AIP in Alaska ein Ableger der Constitution Party ist, einer ultrarechten Partei, die sich aus der Milizbewegung, extremistischen Steuergegnern und der christlich-fundamentalistischen Rechten entwickelt hat.
Die Constitution Party vertritt ein Programm, das korrekt als theokratischer Faschismus charakterisiert werden kann. Es verpflichtet die Partei, "das Rechtssystem Amerikas wieder auf seine ursprünglich biblischen Gesetzesgrundlagen zu stellen". Dieses Programm wird gewöhnlich mit einer Bewegung in Verbindung gebracht, die sich selbst als "Dominionismus" bezeichnet. Sie verlangt, die Unterordnung jeder Regierung und Institution unter den christlichen Fundamentalismus, nicht nur in den USA, sondern weltweit. Alle anderen Religionen sollen verboten und der Atheismus unterdrückt werden.
Die Anhänger dieses biblischen Staates sind nicht nur für die Verhängung schwerer Strafen bis hin zur Todesstrafe gegen Homosexuelle, Abtreibungsärzte und Ehebrecher, sondern vertreten auch eine sozialpolitische Agenda, die hervorragend mit den Zielen der reaktionärsten Teile der Wirtschaft zusammenpasst. Sie fordern die Abschaffung praktisch jeder Sozialreform der letzten hundert Jahre, darunter des Mindestlohns, der Sozialversicherung, von Umwelt- und Gesundheitsschutz, öffentlicher Bildung und buchstäblich jeder Art staatlicher Unterstützung.
Es besteht kein Zweifel daran, dass Palin diesen Kräften sehr nahe steht. In den letzten Wochen kam ans Licht, dass sie für das Bürgermeisteramt von Wasilla, einem Ort mit kaum 5.000 Einwohnern, auf der Grundlage eines rechten christlichen Programm kandidierte, das sich gegen Abtreibung und für das Recht auf Waffen einsetzte. In ihrer Wahlkampfliteratur versprach sie, die "erste christliche Bürgermeisterin" der Stadt zu sein.
Nach ihrer Wahl versuchte Palin den Bibliothekar der Stadt zu feuern, weil er sich weigerte, bestimmte Bücher aus der Bücherei zu verbannen. Widerstand von Einwohnern zwang sie, von ihrem Ansinnen Abstand zu nehmen.
Es existieren Videoaufzeichnungen von einer Ansprache Palins in ihrer Kirche, die sie gerade einmal drei Monate vor ihrer Berufung zur Vizepräsidentschaftskandidatin der Republikaner gehalten hat. Dort preist sie die amerikanische Intervention im Irak als heiligen Krieg.
Palin erklärte der Gemeinde in der Kirche von Wasilla Assembly of God im Juni: "Betet für unsere Soldaten und Soldatinnen, die versuchen das Richtige zu tun. Betet für dieses Land, dass unsere Führer, unsere nationalen Führer amerikanische Truppen ausschicken, um das Werk Gottes zu tun. Wir müssen dafür beten, dass es einen Plan gibt, und dass dieser Plan Gottes Plan ist."
Dann erklärte sie, dass auch ihr Plan einer Erdgaspipeline aus Alaska Teil von "Gottes Plan" sei.
Der Pastor ihrer Kirche, Ed Kalnins, warnte seine Schäfchen schon 2004, dass in der Hölle schmoren werde, wer den Demokratischen Präsidentschaftskandidaten John Kerry wähle. Er beschimpfte auch die Kritiker der kriminellen Gleichgültigkeit der Bush-Regierung angesichts von Hurrikan Katrina: "Ich hasse Kritik am Präsidenten, weil das wie Kritik am Pastor ist - das nützt gar nichts, außer dass es einen in die Hölle bringt."
Kalnins ist auch ein Glaubensanhänger der "Letzten Tage" und damit zugehörig zu einer Gruppe unter den christlischen Fundamentalisten, die in Kürze die Apokalypse erwarten. Er mahnte seine Gemeinde, sich auf eine Masseneinwanderung nach Alaska einzurichten, das nach seiner Erwartung einer der letzten "Zufluchtsorte" für die Flüchtlinge vor der Zerstörung sein werde.
In einer Predigt verkündete Kalnins: "Wir müssen wie Jesus denken. Wir befinden uns in einer Zeit und in Umständen von Krieg und wir müssen so denken. Wir müssen diesen Instinkt entwickeln. Wir müssen als Gläubige den Instinkt entwickeln, dass wir im Krieg sind und dass der Krieg euren Glauben auf die Probe stellt.... Jesus fordert von uns, bereit zu sein zum Sterben. Ihr fürchtet, verwundet zu werden? Er hat euer Leben gefordert."
Diese Auffassung ist die einer wachsenden Fraktion der Pfingstkirche, die als "Joels Army" bekannt ist. Sie richtet sich vor allem an Jugendliche um die zwanzig, die als die letzte Generation vor dem Armageddon gesehen wird und die als Gottesarmee organisiert werden müsse. In einigen Fällen geht die militärische Terminologie so weit, dass sie von Predigern als "Kommandeuren" spricht. Damit wird die Mission deutlich gemacht, das Christliche Reich gewaltsam einzuführen.
Ein jüngst veröffentlichte Artikel des Southern Poverty Law Center zitierte interne Kirchenkritiker mit der Warnung, dass "Blutvergießen möglicherweise nur noch eine Frage der Zeit ist, wenn eine Bewegung sich selbst als 'Armee der göttlichen Rächer' wahrnimmt.
Es existiert eine deutliche Gefahr ist, dass sich faschistische Kräfte unter dem Deckmantel der Religion vorbereiten, die Arbeiterklasse anzugreifen.
Trotz aller möglichen Folgen dieser giftigen Mischung aus religiösem Fundamentalismus und rechter Politik steht nicht zu erwarten, dass eine vergleichbare Medienschelte über Palin hereinbrechen wird wie Anfang des Jahres über Barack Obama, als es um die Äußerungen des Pastors seiner Kirche, Jeremiah Wright, ging. Reverend Wright hatte schwarz-nationalistische Äußerungen mit Kritik an der amerikanischen Außenpolitik gepaart.
In der Republikanischen Partei hat offensichtlich keine dieser Enthüllungen zu einer erkennbaren Reaktion geführt und die große Unterstützung für Palins Nominierung unter den Delegierten auf dem Parteitag in Minneapolis in irgendeiner Weise beeinträchtigt. Der Grund ist, dass die Delegierten zu einem großen Teil aus der Ecke der christlichen Rechten kommen und sie als eine der Ihren sehen.
Diese Schicht hat auch zu großen Teilen das Wahlprogramm der Republikaner diktiert. So fordert es in der Einwanderungspolitik Massenabschiebungen, den Bau einer Mauer zwischen den USA und Mexiko und die Festschreibung von Englisch als einziger Amtssprache. Gerade einmal auf die Aberkennung der Staatsbürgerschaft für die in den USA geborenen Kinder von Einwanderern wird gerade noch verzichtet. Jetzt sind sie voller Vorfreude darüber, dass eine rechte christliche Fundamentalistin bereit steht, das Amt in unmittelbarster Nähe des "Oberkommandierenden" zu übernehmen.
Aber was noch wichtiger ist: Weder Obama noch die Führung der Demokratischen Partei wagen es, diese Verbindungen der Kandidatin zu einer politischen Frage zu machen.
Fraglos könnte ein erfolgreicher Wahlkampf die Gefahr für die demokratischen Rechte in den USA thematisieren, die von einer solchen religiös beeinflussten Politik ausgeht. Eine jüngste Umfrage des Pew Research Centers ergab, dass eine klare Mehrheit der Amerikaner für die Trennung von Kirche und Staat sind und meinen, dass die Kirchen sich aus der Politik heraushalten sollten.
Zig Millionen Arbeiter haben die Nase voll davon, von rechten Politikern mit christlichem Fundamentalismus überschüttet zu werden. Dieser dient nur dazu, soziale Ungleichheit, Angriffskriege, Steuersenkungen für die Reichen und alle anderen Forderungen von Seiten der Finanzelite zu rechtfertigen.
Aber die Demokraten werden sich nicht auf diese Stimmung stützen und die christliche Rechte in die Schranken weisen. Stattdessen versuchen sie, Stimmen zu ergattern, indem sie sich an sie anpassen. Das ist der wirkliche Grund, warum Palin nur mit Samthandschuhen angefasst wird.
Der republikanische Parteitag, die extreme rechte Ausrichtung des Präsidentschaftswahlkampfs der Republikaner und das feige Schweigen der Demokratischen Partei unterstreichen die enorme Gefahr für die Arbeiterklasse, die von dem politischen Monopol der beiden wirtschaftsnahen Parteien ausgeht.