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Obamas "reibungsloser Übergang" zum endlosen Krieg

Von Bill Van Auken
20. November 2008
aus dem Englischen (18. November 2008)

Der künftige amerikanische Präsident Barack Obama gab am Sonntag zum ersten Mal seit seinem Wahlsieg vor zwei Wochen auf CBS ein Fernsehinterview.

Er sprach ohne sehr konkret zu werden in gelassenem Ton zu einer ganzen Palette von Themen, wie jemand, der zahlreiche Spickzettel durchgearbeitet, aber noch wenig eigene klare Positionen hat und vor allem niemandem zu nahe treten will.

Auf die Frage, worauf er sich in der vergangenen Woche "hauptsächlich konzentriert" habe, antwortete er aber ohne zu Zögern: "Als erstes ist es wichtig, ein Team für die nationale Sicherheit zu haben, weil in Übergangszeiten die Gefahr eines Terroranschlags besonders groß ist. Wir wollen, dass es in Fragen der nationalen Sicherheit einen möglichst reibungslosen Übergang gibt."

Ein "reibungsloser Übergang bei der nationalen Sicherheit". Angesichts der Strategie und der Politik der Regierung, die die Macht an die Obama-Regierung übergeben wird, lohnt es sich, über diesen Satz nachzudenken.

Die Bush-Regierung hat eine nationale Sicherheits-Politik formuliert, die unter dem Namen Bush-Doktrin bekannt ist. Im Wesentlichen hat sie das Recht der US-Regierung proklamiert, jedes Land präventiv anzugreifen, von dem sie glaubt, es könne in der Zukunft einmal zu einer militärischen Gefahr für die Vereinigten Staaten werden. Hinter dieser offiziell verkündeten Politik des Aggressionskriegs steht die Entschlossenheit der herrschenden amerikanischen Elite, ihr Macht- und Eigentumsmonopol durch Krieg nach außen und Unterdrückung im Innern zu sichern.

Die Bush-Doktrin war der politische Ausdruck eines explodierenden amerikanischen Militarismus, der sich in den Kriegen und Besetzungen des Iraks und Afghanistans und einer ganzen Reihe militärischer Angriffe auf andere Länder wie Pakistan, Syrien, Somalia und den Jemen äußerte.

Die "nationale Sicherheit" und der "Krieg gegen den Terror" dienten auch zur Rechtfertigung für kriminelle Machenschaften, wie Entführungen, außerordentliche Überstellungen, Folter und Inhaftierung ohne Gerichtsurteil.

Obamas Entschlossenheit, auf diesem Gebiet einen "reibungslosen Übergang" zu vollziehen, steht in offensichtlichem Gegensatz zu der Tatsache, dass er seinen Wahlsieg vor allem der Abscheu der Bevölkerung gegen diese Politik verdankte. Wenn es einen Bereich gibt, in dem die Wählerschaft "Reibungen" - d.h. einen Unterschied und eine Abkehr - erwartet, dann in diesem.

Aber schon vor der Wahl hatte Obama klar gemacht, dass seine Differenzen mit Bush eher taktischer Natur waren, als strategisch oder grundsätzlich. Stillschweigend akzeptierte er die Politik des Präventivkriegs und ließ erkennen, dass er ihn einsetzen werde, um Pakistan anzugreifen und vorbeugend gegen das angebliche Atomwaffenprogramm des Iran vorzugehen.

Und je weiter der Prozess der Machtübernahme voranschreitet, desto deutlicher wird, dass die amerikanische Finanzoligarchie - unbeschadet taktischer Differenzen über die Außenpolitik - nicht aufhören wird, ihre globalen strategischen Ziele mittels militärischer Aggression und internationaler Kriminalität zu verfolgen, wenn Obama im Januar ins Weiße Haus einzieht.

Das herrschende Establishment betrachtet den Regierungswechsel vielmehr als Gelegenheit, den amerikanischen Militarismus effektiver zu gestalten. Die Person Obamas verleiht ihr einen besseren politischen Deckmantel für die Verfolgung ihrer weltweiten Interessen.

In seinem Interview am Sonntag wiederholte Obama seine Entschlossenheit, die Truppen im Irak zu verringern, aber nur, um den Krieg in Afghanistan zu verstärken. Er erklärte "die endgültige Zerschlagung von al-Qaida" zu seiner "obersten Priorität". Er machte deutlich, dass der "globale Krieg gegen den Terror" nicht nur weitergeht, sondern möglicherweise noch verschärft wird.

Was die Obama-Regierung auf militärischem Gebiet wahrscheinlich vorhat, wurde recht ausführlich in einem Leitartikel der New York Times vom Sonntag deutlich. Das Blatt steht in engem Kontakt mit führenden Politikern der Demokratischen Partei, die die Politik der kommenden Regierung ausarbeiten.

Unter dem Titel "Das Militär für eine gefährliche neue Welt" präsentiert der Leitartikel eine beängstigende Blaupause für die Aufrüstung des amerikanischen Militärs in Vorbereitung auf mehrfache Kriege, die alles in den Schatten stellen, was wir aus dem Irak oder Afghanistan kennen.

Zu Beginn klagt der Artikel, der schon lange dauernde Krieg und die Besetzung des Irak hätten "Truppen und Material derart überstrapaziert", dass sie nicht mehr in der Lage seien, eine notwendige Eskalation in Afghanistan oder "die nächsten Bedrohungen" zu meistern.

Neben dem Kampf "gegen die Taliban und al-Qaida in Afghanistan" und "der Verfolgung von al-Qaida in aller Welt", argumentiert die Times, müsse das amerikanische Militär in der Lage sein, "den nuklearen Ambitionen des Iran, dem unberechenbaren Nordkorea, dem aufsteigenden China, dem selbstbewussten Russland und der Lage in unsicheren Ländern wie Somalia und der Atommacht Pakistan zu begegnen."

Die Zeitung greift Obamas Vorschlag für eine Aufstockung der amerikanischen Bodentruppen um fast 100.000 Mann auf, was die Gesamtzahl auf 759.000 aktive Soldaten bringen würde. Weiter schreibt sie, das "höre sich zwar viel an", sei aber immer noch unzureichend.

Aus der Feststellung, das Militär sei durch den Irakkrieg "über Gebühr beansprucht", schließt die Times : "Die verantwortungsvollste Lösung dieses Problems wären deutlich mehr Bodentruppen."

Woher soll die Obama-Regierung diese "deutlich höhere Zahl" Truppen nehmen? Das sagt die Times nicht. Die einzig logische Schlussfolgerung aber ist, dass die Wehrspflicht wieder eingeführt werden muss, wenn eine derart deutliche Vergrößerung der Armee Wirklichkeit werden soll. Mit seinen wiederholten Bemerkungen über eine "nationale Dienstpflicht" und die Notwendigkeit, "Opfer zu bringen", hat Obama schon im Wahlkampf die ideologische Begründung dafür geliefert, erneut Zehntausende Jugendliche als Kanonenfutter für die militaristischen Abenteuer des amerikanischen Imperialismus zu verpflichten.

Die Times ist nicht nur der Meinung, dass die amerikanische Armee deutlich größer sein müsse, sie fordert außerdem, dass sie "neue Fähigkeiten" erwerben müsse. Sie müsse besonders ihre Fähigkeit verbessern, "Aufstände" zu unterdrücken und "irreguläre Kriege zu führen". Mit anderen Worten erfordern die "Kriege des 21. Jahrhunderts", um einen Ausspruch George W. Bushs zu benutzen, mehr schmutzige koloniale Besetzungen und die Unterwerfung unterdrückter Länder zur Sicherung von Rohstoffen, Märkten und billigen Arbeitskräften für den amerikanischen Kapitalismus.

Gleichzeitig setzt sich das Blatt für die Erweiterung der "Transportkapazitäten" des amerikanischen Militärs ein, um "große Mengen Personal und Material schnell um die Welt zu fliegen und wenn nötig über das Meer zu versorgen".

Sie weist auch auf den Ausbau der chinesischen Marine hin und beteuert, dass Washington nicht "zulassen kann, dass irgendein Land die wichtigen Seewege bedroht". Der Leitartikel verlangt hohe neue Investitionen in Schiffe der Maritime Prepositioning Force, die für schnelle Eingreifoperationen benötigte Versorgungsgüter anliefert, und in Littoral Combat Ships, kleinere Schiffe, die für Angriffe auf Ziele in Küstennähe geeignet sind.

"Was wir fordern, wird teuer", gibt die Times zu. 92.000 neue Bodentruppen würden in den nächsten sechs Jahren 100 Mrd. Dollar Mehrkosten verursachen. Die noch viel stärkere Aufrüstung, die die Zeitung verangt, würden, wie auch der Ausbau der Marine und der Kauf anderer militärischer Ausrüstungsgüter, noch höhere Ausgaben erfordern.

"Ein großer Teil der Einsparungen durch den Rückzug aus dem Irak wird für die Wiederherstellung und den Neuaufbau der Streitkräfte draufgehen", heißt es im Leitartikel. Soviel zu Obamas Wahlkampfversprechen, zehn Mrd. Dollar im Monat im Irak einzusparen und mit dem Geld stattdessen "Amerika wiederaufzubauen". Stattdessen wird das Geld darauf verwandt werden, mehr Tod und Zerstörung vorzubereiten.

Dass wegen der Billionen-Dollar-Rettungspakete für die Wall Street das Versprechen, die Sozialausgaben zu erhöhen, aufgeschoben werden müsse, war schon zu hören. Daher ist es bemerkenswert, dass die Notwendigkeit, Hunderte Milliarden zusätzlich in die amerikanische Kriegsmaschine zu stecken, von niemandem in Frage gestellt wird.

Der Leitartikel der Times und die Entwicklung von Obamas Übergangsprozess müssen als scharfe Warnung verstanden werden, dass die auswegslose Wirtschaftskrise des amerikanischen Kapitalismus in den nächsten Monaten und Jahren zu einer noch explosiveren Entwicklung des amerikanischen Militarismus führen wird.

Siehe auch:
Obamas Übergangsteam steht für mehr Krieg und Unterdrückung
(15. November 2008)
Obama beruhigt das Großkapital
( 11. November 2008)