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Spannungen zwischen Deutschland und Frankreich in Außen- und Wirtschaftspolitik

Von Francis Dubois
14. März 2008
aus dem Englischen (13. März 2008)

Die Spannungen zwischen Deutschland und Frankreich haben sich in letzter Zeit deutlich verschärft. Die beiden Länder sind die größten Volkswirtschaften der Europäischen Union, deren gemeinsame Europapolitik früher als "europäische Lokomotive" bezeichnet wurde. Die Konflikte zwischen den beiden sind mit der Amtsübernahme des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy offen ausgebrochen.

Die Lage spitzte sich vor zwei Wochen zu, als zwei lange geplante hochrangige Treffen abgesagt wurden, das eine zwischen dem französischen Präsidenten und der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, das andere zwischen den Finanzministern der beiden Länder. Die Absage des Treffens des deutschen Finanzministers Peer Steinbrück mit der französischen Wirtschafts- und Finanzministerin Christine Lagarde wurde von der deutschen Presse als Affront gewertet. In den deutschen Medien erhob sich eine Welle der Kritik an der französischen Regierung. In den westeuropäischen Medien wurde der Vorfall ebenfalls eifrig kommentiert.

In dieser gespannten Situation entschieden sich der Präsident und die Regierungschefin für ein kurzes Treffen und führten zum Auftakt der Computermesse Cebit in Hannover politische Gespräche, die groß herausgestellt wurden. Sie versuchten, den Anschein großer Einigkeit zu erwecken, und klopften sich gegenseitig auf die Schulter. Sie verkündeten eine "gemeinsame Position" in einer Frage, die zwischen den beiden Ländern besonders umstritten ist, nämlich der "Mittelmeerunion". Diese wird von Sarkozy im Alleingang vorbereitet und propagiert, aber auf deutscher Seite vehement bekämpft.

Merkel ließ ihren Widerstand gegen die Mittelmeerunion erst fallen, als Sarkozy zugestand, dass alle EU-Länder, darunter Deutschland, voll berechtigt daran teilnehmen können, und nicht auf einen "Beobachterstatus" beschränkt werden. Schon am nächsten Tag stellte der französische Premierminister François Fillon die Übereinkunft von Hannover allerdings wieder in Frage. Er erklärte in einem Radio-Interview, dass Frankreich nur bereit sei, Deutschland einen Beobachterstatus einzuräumen. Damit desavouierte er die Vereinbarung von Hannover. Die deutsche Regierung ihrerseits wies Fillons Interpretation der Übereinkunft umgehend zurück.

Frankreich wird die EU-Präsidentschaft am 1. Juli für ein halbes Jahr übernehmen. Im wirtschaftlichen und politischen Establishment Deutschlands wird weithin befürchtet, dass die französische Regierung ihre Position nutzen wird, ihre eigenen nationalen Interessen und ihre eigene politische und ökonomische Position in Europa auf Kosten Deutschlands zu stärken.

Die Beziehungen gestalten sich mittlerweilen so konfliktgeladen, und die gegenseitigen Vorwürfe zwischen den Vertretern beider Länder haben eine solche Lautstärke angenommen, dass in Medienberichten offen darüber spekuliert wird, dass das französisch-deutsche "Tandem" nicht mehr existiere.

Weil der Ton zwischen Berlin und Paris besonders seit der Amtsübernahme Sarkozys so rauh geworden ist, wird für das schlechte politische Klima zwischen den beiden Ländern meistens der gegensätzliche "Stil" der deutschen Kanzlerin und des französischen Präsidenten verantwortlich gemacht. Aber das unbestritten frostige Verhältnis Merkels und Sarkozys würde unter anderen objektiven Umständen eine untergeordnete Rolle spielen. Es reflektiert aber Konflikte in der Wirtschafts- und Außenpolitik, die weit über persönliche Abneigungen oder auch momentane atmosphärische Störungen zwischen den beiden Ländern hinausgehen.

Die Mittelmeerunion

Der Plan für eine Mittelmeerunion wurde schon vor Sarkozys Wahl im Mai letzten Jahres bekannt gegeben, seither aber konsequent vorangetrieben. Sie ist der Versuch, einen neuen Machtblock aus den Staaten Südeuropas, Nordafrikas und des Nahen Ostens zu schaffen. Die ökonomischen Konsequenzen wären weit reichend.

Die Mittelmeerunion ist die Antwort der französischen Bourgeoisie auf die Osterweiterung der Europäischen Union und die Wiedervereinigung Deutschlands, die den Einfluss Deutschlands auf Kosten Frankreichs vergrößert haben. Der französische Präsident will ein Gegengewicht zum Osten schaffen, der traditionellen Einflusssphäre des deutschen Kapitalismus, und die Machtbalance in der EU wieder zu Gunsten Frankreichs verschieben.

Die französische Regierung macht kein Geheimnis daraus, die EU-Präsidentschaft für einen Schub für ihre Pläne nutzen zu wollen. Sie behauptet, sich dabei auf den "Barcelona-Prozess" zu stützen. Das war eine EU-Initiative, die 1995 in der spanischen Mittelmeerstadt auf den Weg gebracht wurde, um eine "stärkere Zusammenarbeit" zwischen der Europäischen Union und ihren Nachbarn in Nordafrika und im Nahen Osten zu erreichen. Offiziellen Beteuerungen zufolge will Frankreich den Barcelona-Prozess "wiederbeleben", der ins Stocken geraten sei.

Aber während es beim Barcelona-Prozess um die Zusammenarbeit aller 27 EU-Mitglieder mit den übrigen Mittelmeeranrainern ging, sieht Sarkozys Projekt eine privilegierte Zusammenarbeit der EU-Mittelmeerländer Frankreich, Italien, Spanien und Griechenland mit den Ländern Nordafrikas und des Nahen Ostens vor, wenn auch unter dem Firmenschild der EU. In dieser Konstellation würde Frankreich die führende Rolle spielen.

Das ergab sich klar aus der Tagesordnung des französischen Präsidenten in den Monaten nach seiner Wahl im vergangenen Jahr. Er stellte engere Beziehungen zu Libyen her und empfing Staatschef Muammar Ghadaffi zu einem offiziellen Staatsbesuch in Frankreich. Auch besuchte er Marokko und Algerien, wo er mehrere Abkommen über industrielle Projekte unterzeichnete.

Dieses Projekt ist von zentraler Bedeutung für die französische Außenpolitik und wird von breiten Teilen der französischen Bourgeoisie unterstützt. Die Verstärkung des Einflusses Frankreichs im Mittelmeerraum ist für den französischen Imperialismus eine entscheidende Frage und der einzige Weg, den Status einer Regionalmacht zu halten. Es wird von Vielen auch als Weg gesehen, die Türkei in einen lockereren ökonomischen und politischen Verbund zu integrieren, anstatt sie als Vollmitglied in die EU aufzunehmen.

Hervé de Charette, Außenminister in der Chirac-Juppé-Regierung (1995-97) und einflussreiche Stimme in diplomatischen Kreisen Frankreichs, betonte in einem Beitrag für Le Monde die strategische Bedeutung der Mittelmeerunion für Frankreich. "Die beiden Ufer des Mittelmeeres näher zueinander zu bringen, ist für den Einfluss Frankreichs und Europas in der Welt von zentraler Bedeutung", behauptete de Charette.

Er beschwerte sich bitter über den deutschen Widerstand gegen den Plan: "In der EU ist das Projekt trotz der Unterstützung durch Italien und Spanien auf den entschlossenen Widerstand der Kommission und vor allem Deutschlands gestoßen. Er wird stillschweigend von anderen Mitgliedsstaaten wie Großbritannien unterstützt, die froh sind, in Deckung bleiben zu können."

De Charette betonte, dass "das europäische Mittelmeerprojekt nicht ausschließlich im Rahmen des Barcelona-Prozesses wiederbelebt werden kann", weil "der politische Wille Europas fehlt, dessen Gravitationszentrum sich seit dem großen und notwendigen Erweiterungsabenteuer nach Osten verschoben hat. Seit der Zeit haben wir uns vom Süden abgewendet: Von 2000 bis 2006 hat die EU Mittel von ungefähr fünf Milliarden Euro in den Süden vergeben und 50 Milliarden in den Osten."

Um ihren Einfluss im Mittelmeerraum zu verbreitern, zu dem 25 Länder mit umfangreichen Energierohstoffen, Bodenschätzen, billigen Arbeitskräften, potentiellen Märkten, aber auch explosiven politischen und sozialen Konflikten gehören, versucht sich die Sarkozy-Regierung auf die Vereinigten Staaten zu stützen. Das erklärt zumindest teilweise die außenpolitische Annäherung Sarkozys an Washington.

Die deutsche Regierung hat dem Plan für eine Mittelmeerunion dadurch entgegenzuwirken versucht, dass sie Sarkozys Projekt der Kontrolle der gesamten EU unterordnet und als Teil der diplomatischen Aktivität der gesamten EU behandelt. In Hannover musste sich Sarkozy auf einen Handel mit Merkel einlassen, um zu verhindern, dass die deutsche Regierung die Initiative während der französischen EU-Präsidentschaft torpediert.

Ursprünglich wollte Sarkozy die neue Union auf einem Gipfel am 13. Juli aus der Taufe heben, mit den Mittelmeeranrainern der EU, fünf nordafrikanischen Staaten, sowie Syrien, Libanon, Israel und der Türkei als Mitgliedern. Am 14. Juli, dem französischen Nationalfeiertag, sollte das Kind dann den übrigen EU-Mitgliedsstaaten vorgestellt werden. Teil der Vereinbarung von Hannover war eine Umstellung der beiden Termine.

Konflikte in der Verteidigungs- und Wirtschaftspolitik

Konflikte zwischen Deutschland und Frankreich haben sich auch über die europäische Verteidigungspolitik, die Rolle der Europäischen Zentralbank, über Wirtschaftspolitik und einige andere Fragen entwickelt.

Die Differenzen in der Verteidigungspolitik traten Ende letzten Jahres zu Tage, als die Frage der EUFOR-Mission im Tschad und der Zentralafrikanischen Republik auf dem Tisch lag. Frankreich hat sich bei anderen EU-Mitgliedern für die EUFOR-Mission eingesetzt, die unter der Verantwortung der EU läuft und mit einem Mandat des UN-Sicherheitsrats ausgestattet ist.

Frankreich stellt jetzt 2.100 der 3.700 Mann starken EU-Friedenstruppe für die zentralafrikanische Region, während Deutschland es abgelehnt hat, überhaupt Soldaten zu schicken. Deutsche Kommentatoren haben unter Hinweis auf französische Interessen in der Gegend den wahren Zweck der Mission in Frage gestellt. Sie meinten, die EU-Mission im Tschad diene dem Interesse Frankreichs, seinen Protégé Idriss Deby im Tschad zu stützen. In der EU wurden Bedenken geäußert, dass die Abgrenzung zwischen der Rolle der EUFOR und den schon im Tschad stationierten 1.450 französischen Soldaten problematisch sein könnte.

Wirtschaftspolitisch hält Frankreich daran fest, dass es die Kriterien des europäischen Stabilitätspakts (der das Haushaltsdefizit auf drei Prozent des BIP begrenzt) noch nicht erfüllen kann und hat eine Verlängerung der Frist für die Verringerung seines Staatsdefizits beantragt. Deutschland lehnt das ab. Am 9. Juli vergangenen Jahres führte das bei einem Treffen der Eurogruppe zu einem scharfen Wortwechsel zwischen dem deutschen Finanzminister Peer Steinbrück und Sarkozy. Steinbrück ermahnte den französischen Präsidenten wegen der Verletzung der Maastricht-Kriterien.

Während die französischen Exporte sehr unter dem starken Euro leiden und Frankreich ein riesiges Handelsbilanzdefizit aufweist, kommt Deutschland ganz gut zurecht und nimmt seit mehreren Jahren hintereinander die Position des Exportweltmeisters ein. Der Handelsbilanzüberschuss Deutschlands betrug 2007 198 Mrd. Euro, während Frankreich ein Defizit von fast 40 Mrd. Euro erzielte, ein starker Anstieg gegenüber 2006. Die meisten deutschen Exporte gehen in die EU. Deutsche Firmen haben inzwischen einen deutlichen Wettbewerbsvorteil, besonders gegenüber Frankreich und Italien.

Die französische Regierung verlangt zusammen mit vielen anderen europäischen Ländern von der EZB, den Leitzins zu senken und die europäische Währung abzuwerten. Die deutsche Regierung wendet sich entschieden dagegen und besteht auf der "Unabhängigkeit" der EZB, d.h. darauf, dass andere Mitgliedsstaaten die praktizierte Geldpolitik nicht ändern. Paris hat den Präsidenten der EZB, Jean-Claude Trichet, schon mehrfach kritisiert, weil er an der Hochzinspolitik festhält.

Die französische Regierung hat in den letzten Jahren keinen Kurs der freien Marktwirtschaft verfolgt, sondern mehrfach mit einem traditionellen Reflex, mit Staatsintervention in der Wirtschaft, reagiert. Sie versucht, große nationale Konzerne zu schaffen (wie kürzlich mit der Fusion von Suez und Gaz de France), und nicht globale oder europäische. Deutsche Konzerne haben daher Schwierigkeiten, in Frankreich Fuß zu fassen. Eine solche Strategie verhindert auch, dass europäische Kozerne die kritische Masse erreichen, die sie in die Lage versetzen würde, mit ihren Konkurrenten auf Weltebene, vor allem in den USA, zu konkurrieren. Sie schreckt auch Investoren ab, nach Frankreich zu kommen, weil diese befürchten, der Staat werde verhindern, dass sie Einfluss im Land gewinnen.

Die politische Wochenzeitung Nouvel Observateur merkte an: "Der ‚Staatsprotektionismus’ [Frankreichs] steht im Gegensatz zur Globalisierung und dem Postulat der Europäischen Union, sich der Welt zu öffnen. Was soll man zu seinem Interventionismus und seiner Besessenheit sagen, koste es, was es wolle nationale Champions zu schaffen, wo doch die Kräfteverhältnisse die französischen Firmen Alstom und Sanofi in den Einflussbereich von Siemens und Aventis gebracht hätten?"

In seinem früheren Amt als Finanzminister hatte Sarkozy eingegriffen und Alstom vor dem finanziellen Bankrott und vor einer Übernahme bewahrt, was damals von der deutschen Regierung scharf kritisiert worden war. Die Regierung von Angela Merkel reagiert auf die französische Industriepolitik mit einer stärkeren Zusammenarbeit mit Großbritannien.

Die Öffnung der europäischen Energiemärkte hat zu einer starken wirtschaftlichen Rivalität zwischen den großen Energielieferanten in Europa und besonders in Deutschland und Frankreich geführt. Der deutsche Energieriese RWE ist kürzlich mit seinem französischen Konkurrenten GDF in der Frage der geplanten Gaspipeline Nabucco zusammengestoßen, die Gas vom kaspischen Meer nach Europa transportieren soll. Die türkische Regierung hat sich vor kurzem für RWE als Teilhaber an dem Projekt entschieden und nicht für GDF. GDF drohte daraufhin, sich an einem rivalisierenden Projekt der russischen Gasprom zu beteiligen.

Weitere Streitpunkte sind die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik, der Klimaschutz und der Verkauf von Atomreaktoren durch die französische Regierung an instabile Regierungen.

Die Spannungen zwischen den beiden traditionellen Stützpfeilern der europäischen Einheit beginnen Europa insgesamt zu dominieren. Der deutsch-französische Konflikt wird von der britischen Presse mit großem Interesse verfolgt. Die britische Bourgeoisie spürt offensichtlich eine Gelegenheit, einen Keil zwischen Deutschland und Frankreich zu treiben und das deutsch-französische Bündnis zu spalten - ein seit langem verfolgtes Ziel der britischen Außenpolitik.

Siehe auch:
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(17. November 2007)
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