Verluste der US-Banken verstärken Furcht vor Rezession
Von Patrick Martin
19. Januar 2008
aus dem dem Englischenen (15. Januar 2008)
Zwei weitere große Banken meldeten am Montag für das vierte Quartal 2007 starke Verluste im Bereich Hypotheken und Privatkredite. Dadurch wurden Befürchtungen verstärkt, dass die US-Finanzkrise wahrscheinlich nicht nur in Amerika, sondern weltweit eine Rezession auslösen wird.
Die M&T Bank mit Sitz in Buffalo, New York, meldete einen 70-prozentigen Ertragsrückgang für das vierte Quartal, größtenteils infolge von Verlusten bei besicherten Schulddarlehen - das ist das Finanzinstrument, das meist eingesetzt wird, um Hypotheken auf Immobilien zu handelbaren Wertpapieren zu machen.
Die Sovereign Bancorp of Philadelphia erklärte, sie werde für das vierte Quartal 1,6 Milliarden Dollar abschreiben, das meiste davon in Zusammenhang mit Hypothekendarlehen. Allerdings hätten sich 600 Millionen Dollar der Verluste aus Zahlungsverzügen bei Privatkrediten ergeben, ein Anzeichen dafür, dass die Finanzkrise sich ausbreitet. Sovereign erklärte, sie habe in 15 Staaten, in denen sie Filialen unterhält, aufgehört, Kredite für Autos zu vergeben; das betrifft Nevada, Utah, Arizona, Florida, Georgia und North und South Carolina.
Ebenfalls am Montag berichtete der Sender CNBC, Citigroup, die größte Bank der USA, werde eine gigantische Abschreibung in Höhe von 24 Milliarden Dollar und die Vernichtung von 24.000 Arbeitsplätzen bekanntgeben. Die Bank soll ihre Erträge für das vierte Quartal am Dienstag vorlegen, und es wird erwartet, dass sie eine Kürzung der Dividende verkünden wird.
Die Citigroup hat im Nahen Osten und in Asien sondiert, um Investoren zu finden, die in der Lage sind, Beteiligungen in Höhe von mehreren Milliarden Dollar zu erwerben. Zu den Interessenten soll Prinz Alwaleed bin Talal aus Saudi-Arabien gehören. Die Bank versucht, fünfzehn Milliarden Dollar an neuem Kapital aufzutreiben. Am Montag hat die staatliche China-Development-Bank entschieden, ihre geplante Investition in die Bank in Höhe von zwei Milliarden Dollar nicht zu tätigen, und damit die Citigroup gezwungen, andere Investoren ausfindig zu machen.
Die Financial Times berichtete am Montag, dass Merrill Lynch, der größte US-Börsenmakler, zusätzliches Kapital in Höhe von vier Milliarden Dollar zu beschaffen versuche, wobei die Kuwait-Investment-Behörde als Kandidat an erster Stelle steht. Es wird erwartet, dass Merrill Lynch vierzehn Milliarden Dollar als Verlust abschreiben und bis zu 1000 Mitarbeiter entlassen wird.
So pilgern Vertreter riesiger US-Finanzhäuser mit dem Hut in der Hand zu den Ölscheichs und putzen die Klinken staatlicher Investitionsfonds in China, Taiwan und Singapur - ein bezeichnendes Szenario für den Niedergang des amerikanischen Kapitalismus im globalen Bereich.
Ein weiterer Gradmesser ist der anhaltende Wertverlust des Dollars, sowohl im Vergleich zu den Währungen der rivalisierenden Mächte als auch im Vergleich zum Gold und zu anderen Edelmetallen. Das Gold überstieg am Montag beim Handel in London die 900-Dollar-Marke für die Feinunze und erreichte die Rekordmarke von 914 Dollar. Platin erreichte mit 1587 Dollar die Feinunze ebenfalls einen neuen Rekordstand, während Silber die Marke von 16,58 Dollar die Feinunze erreichte, was der höchste Stand seit 27 Jahren ist.
Der Dollar fiel auf ein Rekordtief von 1,0912 Schweizer Franken und erreichte auch gegenüber dem Euro und dem Yen den tiefsten Stand seit sieben Wochen. Mit 1,4890 Dollar für einen Euro hat der Dollar auch praktisch die 1,50-Schranke erreicht. Sie wird allgemein als psychologischer Wendepunkt angesehen, der dazu führen könnte, dass Dollars im großen Stil abgestoßen werden. Länder, die zurzeit Dollars anhäufen - speziell die Ölstaaten und die asiatischen Exporteure - werden dann versuchen, ihre Überschüsse in wertbeständigeren Währungen wie zum Beispiel dem Euro oder dem Yen anzulegen.
Der jüngste Kurseinbruch des Dollars gilt als Reaktion auf die Stellungnahme des Vorsitzenden der US-Notenbank, Ben Bernanke, von letzter Woche, in der er "bedeutende zusätzliche Maßnahmen" ankündigte, um die US-Wirtschaft zu stützen. Die Erklärung wurde allgemein als Zusicherung angesehen, dass die US-Zinsen weiter gesenkt würden, und zwar um mindesten ein halbes Prozent noch in diesem Monat.
Weitere US-Zinssenkungen, die auf Geheiß der Wall Street durchgeführt werden, um einen Zusammenbruch des Vertrauens in das Finanzsystem abzuwehren, verschlimmern die Krise letztendlich, denn eine Verringerung der Kapitalverzinsung zwingt die ausländischen Investoren, ihre Anlagen in Dollars aufzugeben und ihre Devisenbestände in anderen lukrativeren Investitionen anzulegen.
Besonders das gewaltige US-Handelsbilanz-Defizit übt ständig Druck auf den Wert des Dollars aus. Es hat laut Zahlen des US-Handelsministeriums vom 11. Januar im letzten November seinen höchsten Stand seit vierzehn Monaten erreicht. Das Handelsbilanzdefizit schoss um 9,3 Prozent auf 63,1 Milliarden Dollar hoch; das war viel mehr, als man erwartet hatte. Angetrieben wurde es durch einen 16,3-prozentigen Kostenanstieg für importiertes Öl. Die Ölimporte erreichten eine Summe von 34,4 Milliarden Dollar und machten damit über die Hälfte des Nettodefizits aus.
Voraussichtlich werden die Zahlen des Einzelhandelsumsatzes, die kommenden Dienstag veröffentlicht werden, die Auswirkungen sowohl der höheren Benzinpreise und Heizkosten als auch der fallenden Immobilienpreise zum Ausdruck bringen. Ein effektiver Rückgang des Einzelhandelsumsatzes im Dezember, verglichen mit demselben Monat des Vorjahres, wäre der erste derartig negative Wert seit Juni.
Verkaufszahlen von einigen Einzelhändlern deuten schon darauf hin, in welchem Ausmaß die Verbraucherausgaben rückläufig sind: Macys meldet einen Rückgang um 7,9 Prozent beim Kaufhaus-Geschäft im Dezember 2007 verglichen mit Dezember 2006, Kohls meldete einen Rückgang um 11 Prozent und Nordstrom um 4 Prozent. Dieser deutliche Rückgang zeigt, dass jeder beim Konsum zurücksteckt, sowohl die oberen Schichten als auch die Verbraucher mit mittlerem Einkommen.
Andere Zahlen zeigen immer deutlicher, welches Ausmaß die Immobilienhypotheken-Krise annimmt und wie sie sich allmählich zu einer allgemeinen Krise des Verbraucherkredits auswächst:
* Eine Erhebung der Vereinigung der Hypotheken-Banken hat herausgefunden, dass 18,81 Prozent - eine Rekordzahl - der ca. drei Millionen zweitklassiger Kredite mit variablen Zinsen, die ihre Mitglieder vergeben haben, schon überfällig sind.
* Freddie Mac, die große Hypotheken-Finanzierungsgesellschaft, hat festgestellt, dass Hausbesitzer, die ihre Hypotheken umschulden, im dritten Quartal zwanzig Milliarden Dollar weniger erzielt haben als im zweiten Quartal. Die sechzig Milliarden Dollar an Immobilienkapital, die sie erzielt haben, waren die geringste Summe seit dem ersten Quartal 2005 und bedeuten, dass auch für den Konsum wesentlich weniger von diesem Geld zur Verfügung steht.
* Die American Bankers Association hat festgestellt, dass der Zahlungsverzug bei Immobilienkrediten Ende September den höchsten Stand seit zehn Jahren erreicht hat.
* Die US-Notenbank berichtete letzte Woche, dass die noch offenen Kreditkartenschulden im November 2007 um eine Jahresrate von 11,3 Prozent gestiegen sind. Im gesamten Jahr stiegen die Kreditkartenschulden um 7,4 Prozent auf 937,5 Billionen Dollar, verglichen mit einem Anstieg zwischen zwei und vier Prozent zwischen 2003 und 2005.
Die wachsende Verbraucherverschuldung und der Rückgang bei den Ausgaben beweisen beide, dass Millionen von Arbeiter- und Mittelklassehaushalten sich immer weiter verschulden, nur um ihre täglichen Ausgaben zu finanzieren. Jede neue Rechnung kann zur akuten Finanzkrise führen.
Angesichts dieser Zahlen erinnert die plötzliche Häufung von Vorschlägen von Seiten der Vertreter des Großkapitals, der Bush-Regierung, des Kongresses und der Demokratischen und Republikanischen Kandidaten, stark an ein Stühlerücken auf Deck der Titanic.
Vertreter des Weißen Hauses erklärten letzte Woche gegenüber der Presse, Bush werde in seiner für den 28. Januar geplanten Rede an die Nation ein Programm zur Ankurbelung der Konjunktur vorlegen, obwohl dafür noch gar keine Details erarbeitet sind. Finanzminister Henry Paulson erklärte am 11. Januar, die US-Wirtschaft sei "ziemlich deutlich" gebremst und die Zeit dränge, ein neues Ankurbelungspaket in die Wege zu leiten.
Die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, und der Mehrheitsführer im Senat, Harry Reid, die beiden führende Demokraten im Kongress, haben am Freitag gemeinsam einen Brief an Bush geschickt, in dem sie erklären: "Wir wollen mit Ihnen zusammenarbeiten." Der Brief traf im Weißen Haus auf eine wohlwollende Resonanz, und Pelosi hat sich am Montag mit dem US-Notenbank-Chef Bernanke getroffen, um konkrete Aktionen zu diskutieren.
Eine Kombination aus Kürzungen der Unternehmenssteuern, Steuerrückzahlungen für die, die einen Job haben und dennoch unter der Armutsgrenze liegen, eine geringe Erhöhung des Arbeitslosengeldes oder eine Beihilfe für Heizkosten ist das voraussichtliche Ergebnis solcher Diskussionen. Dabei wird die Gesamtsumme etwa fünfzig bis hundert Milliarden Dollar betragen. Aber selbst diese Vorschläge sind problematisch, da die Republikaner im Kongress die Maßnahmen für Familien mit niedrigerem Einkommen blockieren könnten.
Die Präsidentschaftskandidaten beteiligen sich an den Vorschlägen, wobei die republikanischen Kandidaten höhere Steuersenkungen für Unternehmen und Reiche vorschlagen - was nichts dazu beitragen würde, die wirtschaftliche Not der Arbeitenden zu lindern - und die Demokraten Ankurbelungsprogramme anbieten - was auf wenig mehr als ein Trostpflaster hinauslaufen würde.
Hillary Clintons Plan, der am Freitag veröffentlicht wurde, fordert ein Siebzig-Milliarden-Dollar-Ankurbelungsprogramm, das Entlastungen für Hausbesitzer, die von Zwangsversteigerungen bedroht sind, und eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes beinhaltet. Barack Obama übertraf sie mit einem 75-Milliarden-Dollar-Plan, der jedoch mehr auf Unternehmensinteressen in Form von Steueranreizen abzielt.
Keiner dieser Pläne ist mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein im Vergleich zum gewaltigen Ausmaß der sozialen und wirtschaftlichen Krise in den Vereinigten Staaten. Einer Schätzung zufolge hat die Steigerung des Ölpreises um dreißig Dollar pro Barrel im Verlauf der letzten fünf Monate alleine die US-Verbraucher 150 Milliarden Dollar gekostet - das Doppelte der "Ankurbelungs"-Programme von Clinton und Obama. Es versteht sich von selbst, dass nicht einer der etablierten Politiker den Vorschlag macht, Ölgesellschaften müssten von ihren Riesenprofiten einen Teil abgeben. Im Gegenteil: das Energiegesetz, das der Demokratische Kongress letzten Monat verabschiedet hat, sieht zwölf Milliarden Dollar staatlicher Fördermittel für die Ölgiganten vor.
Grundsätzlich wird ein geringfügiger Anstieg der Verbraucherausgaben die wachsende Finanzkrise nicht stoppen oder den Kreditmarkt stabilisieren. Das Platzen der Immobilienblase ist nur das erste Stadium einer Finanzkrise von beispiellosen Ausmaßen, die die Überlebensfähigkeit des kapitalistischen Systems weltweit in Frage stellt.