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Obamas Team für Nationale Sicherheit und das Scheitern der amerikanischen Demokratie

Von Bill Van Auken
3. Dezember 2008
aus dem Englischen (2. Dezember 2008)

Am Montag wurde in Chicaco offiziell das Team für Nationale Sicherheit der künftigen Obama-Regierung vorgestellt. Das Ereignis belegte endgültig, dass der so genannte "Wandel, an den ihr glauben könnt" des Demokratischen Präsidentschaftswahlkampfs ein Betrug war, und - was noch wichtiger ist - dass die amerikanische Demokratie selbst gescheitert ist.

Neben dem frisch gewählten Präsidenten standen Senatorin Hillary Clinton, seine Kandidatin für das Außenministerium, und Robert Gates, Bushs Verteidigungsminister, auf der Bühne. Obama will Gates als Verteidigungsminister von George W. Bush übernehmen und weiter im Amt belassen. Abgerundet wurde das Bild von dem pensionierten Marinegeneral James Jones, der als neuer Sicherheitsberater vorgesehen ist.

Die Aussage dieser Nominierungen ist unmissverständlich. Sie drücken offene Verachtung des Wählerwillens aus. Millionen gingen im November zur Wahl, um acht Jahre Krieg und Unterdrückung unter der Bush-Regierung zu beenden. Doch die Ankündigungen vom Montag machen deutlich, dass es diesen Wandel nicht geben wird.

Im Gegenteil: Auf der Pressekonferenz herrschte ein unüberhörbarer militaristischer und aggressiver Ton vor. Obama versprach, "alle Elemente amerikanischer Machtentfaltung" einzusetzen und "unser Militär zu stärken und die Zahl der Kampftruppen zu erhöhen, um für die Bedrohungen des 21. Jahrhunderts gerüstet zu sein". Zu diesen "Bedrohungen" zählte Obama "neu aufstrebende Mächte, die Spannungen in das internationale System getragen haben".

Die Botschaft war unüberhörbar: Der US-Imperialismus wird - mit taktischen Anpassungen - weiter und sogar verstärkt militärische Gewalt einsetzen, um seine globalen Interessen zu vertreten und so seinen ökonomischen Niedergang zu kompensieren. Diesen Kurs garniert Obama mit rhetorischen Blüten über "amerikanische Werte" und "unser moralisches Beispiel".

Solche Worte sind, angesichts der Bilanz Washingtons von Folter, außerordentlichen Überstellungen und Aggressionskriegen, allein schon eine Obszönität. Anstatt diese Praktiken zu verdammen, erklärte Obama artig: "Keine Partei besitzt ein Monopol auf die Macht oder hat die Weisheit gepachtet."

Die Weiterbeschäftigung von Gates, der in besonderem Maße Verantwortung für den "Surge", die Truppenverstärkung im Irak, trägt und schon immer ein Befürworter des Regimewechsels im Irak war, stellt die ungebrochene Kontinuität mit der Kriegspolitik der Bush-Regierung sicher.

Auch James Jones lehnt, ähnlich wie Gates, einen Zeitplan für den Rückzug aus dem Irak ausdrücklich ab. Der Ex-Kommandant des Marine Corps sitzt im Zivilberuf auch im Vorstand des Ölgiganten Chevron und ist außerdem ein Propagandist für "Energiesicherheit". Im Wahlkampf unterstützte er den Republikanischen Kandidaten John McCain.

Und dann Hillary Clinton. Obama verdankte seinen Sieg bei den Vorwahlen in erster Linie der Tatsache, dass er sich als Anti-Kriegs-Kandidat verkaufte. Immer wieder wies er darauf hin, dass seine Rivalin Clinton im Oktober 2002 für die Ermächtigungsresolution für die Invasion im Irak gestimmt hatte.

Nachdem er also im Wahlkampf betont hatte, ihre außenpolitischen Vorstellungen disqualifizierten sie für das Präsidentenamt, nominiert Obama sie nun für den wichtigsten außenpolitischen Posten seiner Regierung. Als er am Montag von einem Reporter auf den offensichtlichen Widerspruch zwischen seiner im Wahlkampf eingenommenen Position und der Nominierung von Clinton als Außenministerin angesprochen wurde, reagierte Obama mit einem Scherz: "Mag die Presse ruhig ihren Spaß damit haben, alle möglichen Zitate aus dem Wahlkampf auszugraben."

Welch ein Zynismus! Die Massenopposition gegen den Irakkrieg war ohne Zweifel die wichtigste außenpolitische Frage, nicht nur in der Wahl von 2008, sondern auch in den beiden vorhergehenden nationalen Wahlen. Sie spielte bei Obamas eigenem Sieg eine entscheidende Rolle. Nachdem er jetzt gewählt ist, sollen die Differenzen über den Krieg plötzlich nur noch Wahlkampfrhetorik gewesen sein, ohne jede wirkliche Bedeutung. Stattdessen ernennt Obama ein Kabinett, im dem die Kriegsbefürworter den Ton angeben. Übereinstimmend beteuern sie ihre Absicht, den anderen Krieg, in Afghanistan, auszuweiten und sich auf neue und noch blutigere Kriege vorzubereiten.

Ein Teil von Obamas "linken" Jubeltruppen ist angesichts der Nominierungen für das Kabinett in Schock und Entsetzen verfallen. Andere versuchen sich irgendwelche Rechtfertigungen aus den Fingern zu saugen.

Die World Socialist Web Site ist weder schockiert, noch überrascht. Die Ausrichtung der kommenden Obama-Regierung war vollkommen vorhersehbar und liegt auf einer Linie mit der Politik der Demokratischen Partei seit den Halbzeitwahlen von 2002, als sie die bewusste Entscheidung traf, die Resolution Bushs für die Autorisierung der Invasion im Irak passieren zu lassen, um die Kriegsfrage aus dem Wahlkampf herauszuhalten.

Zwei Jahre später, im Jahre 2004, bestimmte die Partei Senator John Kerry zu ihrem Präsidentschaftskandidaten. Dieser hatte für den Krieg gestimmt und im Wahlkampf versprochen, den Krieg weiter zu eskalieren, wenn er gewählt werden sollte.

Als die Demokraten schließlich 2006 die Mehrheit in Senat und Repräsentantenhaus gewannen - vor allem wegen der überwältigenden Ablehnung des Kriegs in der Bevölkerung - tat die Demokratische Führung nichts, um den Krieg zu beenden, sondern stimmte immer wieder für seine Finanzierung und Ausweitung.

Auch als Obamas Kandidatur erheblichen Enthusiasmus auslöste, erklärten wir, dass es bei dieser Wahl genauso laufen werde. In jedem ihrer Artikel warnte die WSWS, dass die große Ablehnung des Kriegs durch die amerikanischen Wähler erneut wirkungslos bleiben werde.

Am Vorabend der Wahl fassten wir diesen Standpunkt in der Perspektiv-Kolumne vom 3. November 2008 zusammen:

"Zig Millionen Menschen werden in der Hoffnung für Obama stimmen, dass er den Irakkrieg rasch beenden und in der Innenpolitik Arbeitsplätze und einen anständigen Lebensstandard fördern wird, und nicht die hemmungslose Profitgier des Großkapitals und der Reichen, wie dies die Bush-Regierung getan hat.

Doch die Politik der kommenden Regierung wird nicht durch diese weit verbreiteten Illusionen bestimmt sein, sondern durch die Realität der weltweiten Finanzkrise, des Wirtschaftszusammenbruchs in den Vereinigten Staaten und durch den andauernden Widerstand gegen die imperialistische Besetzung des Iraks und Afghanistans. ...

Trotz einer großen Zunahme der Wahlbeteiligung und einer breiten Mobilisierung neuer Bevölkerungsschichten, insbesondere von Jugendlichen und Studierenden, spielt das amerikanische Volk nicht viel mehr als die Rolle eines Statisten in dem Konflikt innerhalb der herrschenden Elite. Wenn der Wahltag erst vorbei ist, wird Obama die "Hoffnung" und die "Veränderung" in seine Brieftasche zurückstecken und seinen wirklichen Geschäften nachgehen, der Verteidigung der Interessen der amerikanischen Wirtschaft

Die Demokraten haben auf die Gefahr einer Kernschmelze an den Finanzmärkten reagiert, indem sie bereitwillig Billionen öffentlicher Gelder zur Rettung der Banken und Spekulanten ausgaben. Die gleichen politischen Figuren werden sich nach der Wahl an die arbeitende Bevölkerung wenden und ihr erklären, es sei kein Geld da, um Gesundheitsversorgung, Arbeitsplätze, Bildung und andere soziale Aufgaben zu finanzieren, vor allem weil mehr Geld für die Kriege im Nahen Osten und Zentralasien gebraucht werde."

Diese Warnungen werden jetzt vollkommen bestätigt.

Die Einflussmöglichkeit von Millionen Wählern wurde durch Manöver und Täuschungen bei den letzten Wahlen systematisch untergrabenen. Was sagt diese politische Erfahrung über das gesamte amerikanische Wahlsystem aus?

Das bürgerlich-demokratische System in den Vereinigten Staaten ist bis auf die Knochen verfault. Das Zwei-Parteien-System befindet sich im Besitz der herrschenden Finanz- und Wirtschaftsinteressen und wird von ihnen kontrolliert. Es bietet der großen Mehrheit der Bevölkerung keinerlei Einflussmöglichkeit. Unter den Bedingungen einer beispiellosen sozialen Polarisierung zwischen der Finanzelite und der Masse der arbeitenden Bevölkerung und einer Krise des gesamten Wirtschaftssystems, die die Arbeitsplätze und den Lebensstandard von Millionen zerstört, wird es immer schwieriger, zu verheimlichen, dass in der Realität die Banken und die Großindustrie eine Diktatur ausüben.

Es ist unmöglich, die Politik der amerikanischen Regierung mittels Wahlen zu ändern, das wird auch die kommende Obama-Regierung erneut beweisen. Darin liegt eine tiefe revolutionäre Bedeutung.

Der Kampf gegen Krieg und für soziale Gleichheit und die Verteidigung der Interessen der arbeitenden Bevölkerung gegen die Folgen der tiefsten Wirtschaftskrise seit der Großen Depression erfordert den Aufbau einer neuen unabhängigen Massenpartei der Arbeiterklasse. Nur eine Partei mit sozialistischem und internationalistischem Programm kann die Ursache von Krieg, Ungleichheit und politischer Unterdrückung - das Profitsystem selbst - beseitigen.

Wir kämpfen für den Aufbau dieser Partei. Angesichts der Geschwindigkeit der Entwicklung müssen politische Schlussfolgerungen gezogen werden, je früher desto besser. Wer mit dieser sozialistischen Perspektive übereinstimmt, sollte handeln und Mitglied der Socialist Equality Party werden.

Siehe auch:
Obama und Guantanamo
(29. November 2008)
Obamas "linke" Jubeltruppe und sein Rechtskurs zur Regierungsübernahme
( 25. November 2008)