USA fordern härtere Sanktionen gegen Iran
Von James Cogan
7. August 2008
aus dem Englischen (6. August 2008)
Die Bush-Regierung hat bekannt gegeben, sie wolle sich gemeinsam mit Großbritannien, Frankreich und Deutschland um zusätzliche Wirtschaftssanktionen gegen den Iran bemühen. Der Iran weigert sich nach wie vor, der Forderung nach dem Einfrieren seiner Urananreicherung nachzugeben. Die relativ unaufgeregte Diktion der amerikanischen Reaktion ist allerdings erneut ein Hinweis, dass das Weiße Haus zumindest für den Moment die Spannungen im Zusammenhang mit dem iranischen Atomprogramm nicht weiter verschärfen will.
Im Juni hatte die so genannte P5+1-Gruppe - d.h. die fünf permanenten Mitglieder des Sicherheitsrats plus Deutschland - dem Iran einen Vorschlag unterbreitet, der von der Zustimmung Teherans abhängig ist, seine Urananreicherung und andere nukleare Aktivitäten auszusetzen. In dem Angebot wurden Schritte zu einer Normalisierung der Beziehungen in Aussicht gestellt, die auch von den USA unterstützt werden. Die USA praktizieren bisher ein Wirtschaftsembargo gegen den Iran und unterhalten seit 1979 keine diplomatischen Beziehungen zu Teheran.
Bei einem Treffen in Genf am 19. Juli gab der Iran keine formelle Antwort auf den Vorschlag. Aber an diesem Treffen nahm mit William Burns zum ersten Mal ein hoher US-Diplomat gemeinsam mit dem iranischen Vertreter teil. Der Washington Post zufolge geht dieser Kurs von Bush auf den Rat von Außenministerin Condoleezza Rice und Verteidigungsminister Robert Gates zurück. Bush setzte sich damit über Bedenken von Vizepräsident Cheney hinweg und signalisierte ein gewisses Abrücken vom bisherigen Konfrontationskurs.
Nach den Gesprächen erklärte EU-Außenbeauftragter Javier Solana, der als Sprecher der P5+1 an den Verhandlungen teilnahm, dass Teheran zwei Wochen Zeit habe, auf den Vorschlag zu reagieren. Der Termin verstrich am vergangenen Wochenende.
Der iranische Präsident Mahmoud Achmadinedschad wiederholte am Samstag, der Iran werde "kein Iota von seinem Recht abrücken", eine zivile Atomindustrie aufzubauen. Anfang der Woche hatte der oberste Führer des Iran, Ajatollah Ali Khamenei, im staatlichen Radio erklärt: "Sie [die Großmächte] wissen, dass der Iran die Nuklearenergie zur Produktion von Elektrizität entwickeln will. Aber sie sagen: Weil euch das auch die Fähigkeit zum Bau von Atomwaffen verschafft, werden wir es nicht erlauben... Die iranische Nation achtet nicht auf solches Gerede und wird ihren Weg weitergehen."
Die iranische Regierung hat die Tür zur Diplomatie aber nicht zugeschlagen. Achmadinedschad machte bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem syrischen Präsidenten Bashar al-Assad am Sonntag versöhnliche Bemerkungen. Er sagte, der Iran sei "ernsthaft" an weiteren Gesprächen interessiert. "Wir wollen Verhandlungen auf der Grundlage von geltenden Gesetzen, die zu praktischen Ergebnissen führen", erklärte er. "Wir hoffen, dass die andere Seite bereit ist, regionale und internationale Fragen im Sinne von Frieden und Sicherheit zu diskutieren."
Der iranische Vertreter Said Jalali übersandte Solana gestern eine schriftliche Antwort an die Großmächte. Ersten Berichten zufolge unterscheidet sie sich nicht wesentlich von den Äußerungen Achmadinedschads und Khameneis. In dem einseitigen Brief wurde der jüngste Vorschlag nicht erwähnt. Dieser trug den Namen "Freeze-freeze" (Einfrieren für Einfrieren - keine weitere Urananreicherung, dafür keine weiteren Sanktionen) und sah einen gewissen Zeitraum vor, um vorbereitende Gespräche zu führen und formelle Verhandlungen vorzubereiten. Auch dieser Vorschlag forderte jedoch vom Iran das vollständige Einfrieren seiner Urananreicherung als Vorbedingung für offizielle Gespräche.
In dem iranischen Brief werden stattdessen "offene Fragen und Zweideutigkeiten" im Angebot der P5+1 benannt. Es heißt da: "Beidseitige Klärungen können den Weg für einen schnellen und transparenten Verhandlungsprozess mit guten Aussichten freimachen." Ein ungenannter westlicher Vertreter sagte gegenüber Reuters, der Brief enthalte "absolut nichts Neues". Ein US-Sprecher nannte ihn ein "weiteres Verdunkelungs- und Verzögerungsmanöver, um Zeit zu gewinnen".
Der Iran betont ständig, keine Atomwaffen bauen zu wollen, sondern nur Atomkraftwerke. Russland unterstützt den Iran beim Bau eines Atommeilers bei Buschehr der im Jahr 2020 ca. 20.000 Megawatt Leistung bringen soll. Der Brennstoff für diesen Reaktor wird in einer Urankonversionsfabrik in Isfahan und in der Urananreicherungsanlage in Natans hergestellt.
Der Atomwaffensperrvertrag erlaubt dem Iran diese Projekte. Die Internationale Atomenergieagentur (IAEO) konnte die iranischen Anlagen inspizieren und hat keine Beweise für ein Waffenprogramm gefunden. Der nationale amerikanische Geheimdienstbericht gab im vergangenen Dezember die Einschätzung ab, dass der Iran seine Waffenprogramme 2003 eingestellt habe und selbst, wenn er wollte, nicht in der Lage wäre, vor 2015 eine Atomwaffe zu bauen.
Trotzdem sind die Großmächte und Israel entschlossen zu verhindern, dass der Iran den Aufbau seiner Atomindustrie vollendet, die dann auch für den Bau von Atomwaffen weiterentwickelt werden könnte. Die Bush-Regierung behauptet nach wie vor, der Iran sei entschlossen, Atomwaffen herzustellen, und klammert sich dabei an den Bericht der IAEO, der Iran habe nicht alle offenen Fragen über frühere Nuklearprogramme und über Ungereimtheiten zur Zufriedenheit beantwortet.
Deswegen unterliegt der Iran jetzt einer Reihe wirtschaftlicher und diplomatischer Sanktionen. Richard Grenvell, Sprecher der amerikanischen Mission bei den Vereinten Nationen, erklärte am Sonntag, die Bush-Regierung werde im UN-Sicherheitsrat noch schärfere Maßnahmen beantragen.
Grenvell erklärte: "Es ist klar, dass die Regierung des Iran nicht bereit ist, der Forderung der internationalen Gemeinschaft nachzukommen, die Urananreicherung zu stoppen, oder auch nur darüber zu reden. Sie lässt dem Sicherheitsrat keine andere Wahl, als die Sanktionen zu verschärfen, wie schon in der letzten Resolution angekündigt."
Der Sprecher des amerikanischen Außenministeriums Gonzago Gallegos behauptete am Montag, dass auch Russland und China der Meinung seien, dass "wir angesichts des Fehlens einer positiven Reaktion keine andere Wahl haben, als weitere Maßnahmen zu ergreifen". Zu den angedrohten Sanktionen gehören ein Einfrieren der europäischen und asiatischen Guthaben der iranischen Staatsbank Melli, Beschränkungen der Einfuhr von Ersatzteilen für die Öl- und Gasindustrie und möglicherweise eine eingeschränkte Einfuhr von verarbeiteten Ölprodukten. Diese letzte Maßnahme hätte weitgehende wirtschaftliche Folgen, weil der Iran nicht genügend Raffineriekapazitäten hat, um seinen eigenen Bedarf zu decken, und bis zu 40 Prozent seines Benzins einführen muss.
Es fiel auf, dass in den amerikanischen Erklärungen keine Rede von der militärischen Option war. Die USA haben sehr reale Gründe, für den Moment eine Verringerung der Spannungen zu wünschen. Vor dem Hintergrund der Präsidentschaftswahl im November leidet die US-Wirtschaft nach wie vor unter den Folgen der Bankenkrise und unter hohen Ölpreisen. Letztere haben ihre Ursache teilweise in der Instabilität im Nahen Osten, die von den Kriegsdrohungen der USA genährt werden. Jede Woche gibt es neue Anzeichen dafür, dass die USA in eine Rezession abgleiten könnten.
George Friedman, Gründer der Firma für Nachrichtendienste, Stratfor, der enge Beziehungen zu Bushs Republikanischer Partei unterhält, erklärte der Nachrichtenagentur Barron, dass Militärschläge gegen den Iran vom Tisch genommen worden seien, weil sie "den Ölpreis auf mehr als 300 Dollar hochtreiben könnten, was für die globale Wirtschaft und die Börsen kurzfristig eine Katastrophe wäre". Friedman mutmaßte, die Drohung mit amerikanischen oder israelischen Militärschlägen sei eher "psychologische Kriegsführung", um Teheran zu diplomatischem Nachgeben zu zwingen.
Das andere Schlüsselargument gegen einen Angriff auf den Iran ist der Konsens, der sich in den herrschenden Kreisen der USA herausgebildet hat. Dieser Konsens lautet, dass die relative Stabilität der US-Besatzung im Irak die Bedingungen für einen Truppenabzug und ihre Verlegung nach Afghanistan und an die Grenze zu Pakistan für den Kampf gegen die stärker werdende Aufstandsbewegung geschaffen habe. Im Fall eines Schlags gegen seine Atomanlagen könnte der Iran den Irak radikal destabilisieren. Er könnte entweder Rebellionen der schiitischen Bevölkerung im Irak anstacheln, oder seine eigenen Truppen über die Grenze in den Kampf gegen die US-Truppen schicken.
David Ignatius berichtete in einer Sonntags-Kolumne in der Washington Post, dass die Bush-Regierung Schritte ergriffen habe, um Israel davon abzuhalten, seine Drohung wahr zu machen und die iranischen Atomanlagen anzugreifen. Seine Quellen hätten Ignatius informiert, dass der amerikanische Geheimdienstdirektor Mike OConnell und der Generalstabschef Admiral Michael Mullen den Israelis im Juni mitgeteilt hätten, dass die USA einen Überflug israelischer Flugzeuge über den Irak nicht erlauben würden. Das wäre die kürzeste und sicherste Route für einen Angriff auf den Iran.
Ein Sprecher informierte Ignatius: "In der US-Regierung gibt es eine einheitliche Meinung über den Umgang mit dem Iran. Jeder im Weißen Haus, und das schließt auch den Vizepräsidenten mit ein, stimmt darin überein, dass die militärische Option im Moment nicht die beste Option ist und wir den Weg diplomatischen und ökonomischen Drucks weiter verfolgen sollten."
Washington bevorzugt momentan die diplomatische Schiene auch deshalb, weil es in der iranischen Führung Fraktionen zu erkennen glaubt, die zu einer Übereinkunft mit den USA bereit sind. Das Land ist von dem globalen Inflationsdruck stark betroffen, und die Regierung hat jetzt schon Mühe, die schnell wachsende und unruhige Arbeiterklasse unter Kontrolle zu halten. Die allgemeine Preissteigerungsrate beträgt 28 Prozent, während die Preise für Lebensmittel dieses Jahr um 45 Prozent gestiegen sind. Der Preis des Grundnahrungsmittels Reis ist um phantastische 238 Prozent gestiegen.
Die hohen Ölpreise haben dem Iran zwar vorübergehend hohe Staatseinnahmen beschert, die es Achmadinedschad erlaubt haben, die Unzufriedenheit durch soziale Ausgaben zu dämpfen. Aber die Sanktionen und die Unsicherheit verhindern den Zufluss von dringend benötigten Investitionen in die marode Infrastruktur des Landes, besonders in die Öl- und Gasindustrie. Im Juli hatte der französische Ölmulti Total seinen Rückzug aus der Entwicklung eines großen iranischen Gasfeldes verkündet, weil das Unternehmen "zu riskant" sei. Ein Ende der nuklearen Konfrontation würde mehrere große Investitionsvorhaben freisetzen.
Ein Krieg mit dem Iran erscheint zwar kurzfristig eher unwahrscheinlich, aber generell ist er keineswegs von der Tagesordnung gestrichen. Die politische Lage in Israel ist ein nicht zu unterschätzender Faktor. Ungleichheit und Armut haben in den letzten Jahren stark zugenommen, und das politische Establishment wird immer wieder von Korruptionsskandalen erschüttert. Gegen den angeblichen iranischen Feind gerichtete nationalistische Hysterie wird von der herrschenden Elite benutzt, um innenpolitische Unruhe in Schach zu halten.
Die Propaganda kann leicht in die Tat umschlagen und die USA und andere Mächte in einen Konflikt hineinziehen, ob sie es wollen oder nicht. Zahlreiche Politiker im israelischen Establishment treten für einen Präventivschlag gegen den Iran mit dem Argument ein, dass der Iran die Nukleartechnologie anstrebt, um den zionistischen Staat zu zerstören. Der stellvertretende Ministerpräsident und potentielle nächste Ministerpräsident Shaul Mofas erklärte vergangene Woche in Washington, Israel werde "keinen zweiten Holocaust zulassen". Im Juni hatte Mofas einen israelischen Angriff auf den Iran als "unvermeidlich" bezeichnet.
Die gefährlichsten und verantwortungslosesten Kriegstreiber finden sich allerdings immer noch im Weißen Haus und im Pentagon. Die Architekten der Invasionen in Afghanistan und im Irak und Autoren der Lüge über "Massenvernichtungswaffen" haben ihren Plan eines Regimewechsels in Teheran noch nicht fallen gelassen. Ein Regimewechsel würde die enormen Energievorkommen und potentiellen Märkte des Iran der amerikanischen Finanz- und Wirtschaftselite ausliefern.
Neuere Enthüllungen des Journalisten Seymour Hersh belegen das Ausmaß der kriminellen Verschwörung, mit der ein Krieg provoziert werden sollte. Hershs Quellen zufolge diskutierten Cheney und seine Kumpane Anfang dieses Jahres Pläne, einen iranischen Angriff auf US-Kräfte zu erfinden, nachdem im Januar iranische und amerikanische Kriegsschiffe in der Straße von Hormus beinahe aneinander geraten waren.
Hersh äußerte sich gegenüber Faiz Shakir von ThinkProgress.org: "[Der Plan] der mich am meisten interessierte, ging so: Warum bauen wir nicht vier oder fünf Schiffe, die wie iranische PTs aussehen, bemannen sie mit ein paar Navy Seals mit einer Menge Waffen und brechen eine Schießerei vom Zaun, wenn wieder mal eins unserer Schiffe durch die Straße von Hormus fährt. Könnte einige Leben kosten und wurde abgelehnt, weil es nicht geht, dass Amerikaner Amerikaner töten. Aber solche Sachen werden diskutiert. Provokationen..."
Auch wenn Hershs Version nicht bestätigt werden kann, so kalkulieren Cheney und die Schichten, die eine Konfrontation befürworten, damit, dass ein Zwischenfall im Persischen Golf die Öffentlichkeit für einen Militärschlag gegen den Iran mobilisieren würde. Im Moment scheint sich die Waagschale allerdings in die andere Richtung zu senken. Es bildet sich ein Konsens heraus, dass der Iran etwas in den Hintergrund treten muss, während sich der US-Imperialismus auf die drängenden ökonomischen Probleme und die schlechter werdende strategische Lage in Afghanistan konzentriert.