Geschworene nehmen die Beratung im Prozess gegen Jose Padilla auf
Von Joe Kay
21. August 2007
aus dem Englischen (16. August 2007)
Dieser Artikel wurde geschrieben, bevor Jose Padilla schuldig gesprochen wurde. Wir werden in den nächsten Tagen über den Urteilsspruch berichten.
Die Beweisführung im Prozess gegen Jose Padilla ist beendet und die Geschworenen sind am Mittwoch in die Beratung eingetreten. Der dreimonatige Prozess vor einem Distriktgericht in Südflorida hat ein fünfeinhalb Jahre dauerndes Martyrium abgeschlossen: Der US-Bürger Jose Padilla wurde ohne Verbindung zur Außenwelt gehalten, gefoltert, war erfundenen Anschuldigungen sowie in der Öffentlichkeit absurden Vorwürfen ausgesetzt. Und überhaupt wurden ihm die elementarsten demokratischen Rechte vorenthalten.
Padilla steht zusammen mit zwei anderen Angeklagten vor Gericht: mit Adham Amin Hassoun und Kifah Wael Jayyousi. Die Regierung behauptet, dass sich alle drei zu Mord und der materiellen Unterstützung terroristischer Organisationen verschworen hätten. Insbesondere wird Padilla unterstellt, er sei 1998 nach Afghanistan gereist, um an einem al-Qaida Ausbildungslager teil zu nehmen - mit der Unterstützung von Hassoun und Jayyousi.
Padilla wurde im Mai 2002 verhaftet, im Juni als "feindlicher Kämpfer" eingestuft, und dann ohne Anklageerhebung und Zugang zu einem Anwalt in einem Militärgefängnis dreieinhalb Jahre lange eingesperrt. Während der gesamten Zeit wurde er nach Aussage seiner Anwälte in Einzelhaft gehalten und gefoltert - mit Schlafentzug, Entzug von Sinneswahrnehmungen ("sensory deprivation"), Einsatz von psychoaktiven Drogen sowie so genannten Stresspositionen.
Die Bush-Administration behauptete zunächst, dass Padilla eine radioaktive "schmutzige Bombe" zünden wollte. Um eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu vermeiden, ob die Regierung Padilla unbeschränkt und ohne Vertretung durch einen Anwalt festhalten könne, wurde sein Fall 2005 einem zivilen Gericht überwiesen. Die Behauptung betreffs einer "schmutzigen Bombe" wurde fallen gelassen, um jede Untersuchung der Behandlung Padillas durch die Regierung zu umgehen. Sie wurde durch die gegenwärtigen Anklagen ersetzt. Sein Prozess vor dem Zivilgericht begann im Mai dieses Jahres.
Die Verteidiger von Padilla pflückten am Dienstag in ihren Schlussplädoyers die fadenscheinige Anklage der Regierung auseinander.
Entgegen der Anklage der Staatsanwaltschaft, wonach Padilla ein "Star-Mitglied" der angeblichen Floridagruppe war, die in Afghanistan "zum Töten ausgebildet" worden sei, sagte Padillas Anwalt Michael Caruso: "Er hatte die Absicht zu studieren, nicht die Absicht zu morden." Um eine Verurteilung wegen Konspiration zu rechtfertigen (was die Möglichkeit einer lebenslangen Haftstrafe beinhalten würde), muss die Regierung nicht nur beweisen, dass Padilla in einem al-Qaida-Camp ausgebildet worden ist, sondern dass er Mord- und Anschlagspläne entwickelt hat.
Padillas Anwälte haben keine Zeugen oder Beweismaterial im Interesse ihres Klienten präsentiert. Sie verließen sich offenbar auf die Tatsache, dass die Anklage der Regierung gegen ihn so schwach ist.
Die wichtigsten Beweise, die von der Staatsanwaltschaft vorgelegt wurden, bestehen aus einem Dokument, das angeblich von Padilla unterzeichnet ist, und seine Bewerbung für die Aufnahme in ein Al-Qaida-Camp betrifft, und mitgeschnittenen Telefonaten, welche laut der Regierung kodierte Absprachen für geplante terroristische Anschläge enthalten.
Caruso führte in seinem Schlussplädoyer aus, dass das Bewerbungsschreiben, welches die Regierung in Afghanistan gefunden haben will, ein Schwindel ist. Es enthält nicht Padillas Namen, wenngleich es einige biographische Angaben (einschließlich des Geburtsdatums und Sprachfertigkeiten) enthält, die zu Padilla passen. Caruso bemerkte, dass das Dokument verschiedene Typen von Tinte aufweist sowie mindestens drei verschiedene Handschriften.
Caruso bemerkte ferner, dass Padillas Fingerabdrücke nur auf der Vorder- und Rückseite des Formulars vorhanden sind, nicht aber auf den Innenseiten. Dies legt nahe, dass Padilla nur in seiner Haftzeit mit dem Formular in Berührung kam, es aber nicht selbst ausfüllte. Neben der Unterschrift existiert der Abdruck einer Handfläche. Die Regierung versuchte aber nicht, diesen als Padillas zu identifizieren. "Sie wollten nicht die Wahrheit herausfinden", so Caruso, "sie wollten einen Fall konstruieren".
Die Verteidigung hat zugestanden, dass Padilla 1998 nach Ägypten gereist ist, aber sie sagte, dass er dies nur tat, um Arabisch zu lernen. Nach Afghanistan sei er nie gereist. Die Regierung hat keinen direkten oder durch Augenzeugen gestützten Beweis vorgelegt, dass Padilla je in Afghanistan war.
Die Anwälte der Verteidigung haben ebenfalls argumentiert, dass, selbst wenn Padilla ein Lager in Afghanistan besucht hätte, dies in keiner Weise beweise, dass er Mordpläne geschmiedet habe. Im Kreuzverhör sagte einer der Zeugen der Anklage aus, dass Padilla ein al-Qaida-Camp besucht habe, aber nur um die Verteidigung von Moslems zu erlernen, nicht um Terrorakte zu begehen.
Die Regierung hat Auszüge von über 300.000 mitgeschnittenen Telefonaten vorgelegt, welche sich über einen Zeitraum von mehreren Jahren erstrecken. Padilla hört man allerdings nur auf sieben dieser Aufnahmen, und er spricht nur von Schwierigkeiten mit seinem Studium sowie anderen persönlichen Angelegenheiten. Auf diese Tatsache bezogen fragte Caruso: "Wo sind die Gewalt verherrlichenden Worte Jose Padillas?".
In dem Bemühen, die Telefonate mit angeblichen terroristischen Verschwörungen in Verbindung zu bringen, hat die Regierung Zeugen präsentiert, die eine ausgefallene Interpretation von "Codeworten" feil boten, in der sich Ausdrücke wie "Football" und "Tourismus" angeblich auf Gewaltakte beziehen.
Noch verheerender für die Regierung war indessen das Eingeständnis des FBI-Agenten James Kavanaugh, eines Zeugen der Anklage, dass von Padilla nie irgendeines dieser Codeworte benutzt wurde.
Während des gesamten Prozesses hat sich die Regierung mehr auf Unterstellungen und Schuld-durch-Bekanntschaft verlassen als auf irgendwelche realen Beweise. Insbesondere hat die Staatsanwaltschaft versucht, bei den Geschworenen den Eindruck zu erwecken, dass Padilla mit den Anschlägen vom 11. September in Verbindung stand. Richterin Cooke ließ zu, dass die Staatsanwaltschaft ein Interview von Peter Arnett mit Osama Bin Laden aus dem Jahr 1997 zeigte. Die Mitangeklagten Padillas hatten das Interview erörtert, doch es hatte keinen direkten Bezug zum Fall.
Einer der Verteidiger hat festgestellt, dass die Staatsanwaltschaft den Ausdruck "al-Qaida" in ihrem Plädoyer über 100 Mal benutzt hat. "Die Regierung versucht, an Ihre Furcht zu appellieren", sagte Jayyousis Verteidiger, William Swor. Das sei "Quacksalberei".
Selbst wenn die Jury Padilla freispricht, wird sein gesamter Fall als ein Zeugnis für den außerordentlichen Verfall demokratischer Rechte in den USA stehen.
Für die Regierung war der Fall ein kritischer Test für den Anspruch des Präsidenten, als "oberster Kriegsherr" im "Kampf gegen den Terrorismus" das Recht zu haben, jede Person zu verhaften, festzuhalten und ihr jegliches demokratisches Recht zu entziehen.
Alberto Gonzales, ehemaliger Rechtsanwalt des Weißen Hauses und gegenwärtiger Justizminister, verteidigte die Position der Regierung in den Fällen Padilla und Hamdi im Februar 2004 damit, dass die Rechte der Habeas Corpus Akte und das Recht auf einen Anwalt "hinter den Bedürfnissen der nationalen Sicherheit dieses Landes zurückstehen müssen, um Informationen von gefangenen feindlichen Kämpfern zu erlangen". Mit anderen Worten, der Präsident nimmt die diktatorische Macht in Anspruch, jede Person zu verhaften, festzuhalten, die von der Regierung als "feindlicher Kämpfer" gekennzeichnet wird.
Obwohl die Administration einige juristische Rückschläge erlitt - und die Entlassung Padillas aus der militärischen Haft war zum Teil dadurch motiviert, einen direkten Beschluss in dieser Auseinandersetzung zu vermeiden - hält sie an dieser antidemokratischen Vollmacht fest. Wenn Padilla verurteilt wird, wird das als Rechtfertigung für die Ansprüche der Regierung verstanden werden.
Es ging bei diesem Fall auch um das Recht der Regierung, US-Bürger auf amerikanischem Boden zu foltern. Padillas Anwälte versuchten den Fall abweisen zu lassen, indem sie argumentierten, dass die Behandlung Padillas "das Gewissen schockiere" und folglich wäre es eine Verletzung seiner ihm zustehenden Prozessrechte, ihn überhaupt vor Gericht zu stellen. Sie haben außerdem argumentiert, dass Padilla aufgrund der psychologischen Folgen seiner Behandlung unfähig war, einen Prozess durchzustehen. Richterin Cooke hat beide Einwände zurückgewiesen.