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Grüner Militarismus

Ströbele wirbt für Kongo-Einsatz

Von Peter Schwarz
25. Mai 2006

Die Zeiten, in denen die Grünen Auslandseinsätze der Bundeswehr ablehnten oder sich zumindest darüber stritten, sind lange vorbei. Nach sieben Regierungsjahren auf die Oppositionsbänke zurückgekehrt, gehören die ehemaligen Pazifisten zu den eifrigsten Befürwortern eines Bundeswehreinsatzes in der Demokratischen Republik Kongo. Dieser Einsatz könnte sich leicht zur bisher umfangreichsten und gefährlichsten Auslandsmission deutscher Soldaten entwickeln.

Soweit die Grünen die Bundesregierung überhaupt kritisieren, tun sie dies von rechts und nicht von links. Ihnen gehen die Pläne der Großen Koalition nicht weit genug. Während die Regierung den Einsatz der Bundeswehr örtlich auf die Hauptstadt Kinshasa sowie deren unmittelbare Umgebung und zeitlich auf vier Monaten beschränken will, plädieren die Grünen für eine unbegrenzte Mission.

Einen Tag, bevor das Kabinett am 17. Mai beschloss, im Rahmen einer EU-Mission 780 Soldaten in den Kongo zu schicken, legte die Grüne Bundestagsfraktion einen Entschließungsantrag vor, der diesen Einsatz ausdrücklich begrüßt. Die Bundesrepublik Deutschland habe "das Interesse und die Verpflichtung, einen angemessenen langfristigen Beitrag zur Stabilisierung und Verstetigung des Friedensprozesses in der Demokratischen Republik Kongo zu leisten", heißt es darin. "Die von der EU zugesagte Truppe ist ein wichtiger Beitrag zur Sicherung der Wahlen."

Ausdrücklich wendet sich der Antrag gegen die von Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) ursprünglich versprochene Begrenzung auf die kongolesische Hauptstadt. "Die Bundesregierung darf diesem Auftrag der Vereinten Nationen nicht künstliche Beschränkungen auferlegen. Akute Nothilfe der Bundeswehr darf nicht an der Stadtgrenze von Kinshasa enden", fordern die Grünen.

Während die Bundesregierung an der Fiktion festhält, beim Kongoeinsatz handle es sich um eine zeitlich begrenzte Hilfsmaßnahme im Auftrag der UNO, die ausschließlich den geordneten Ablauf der bevorstehenden Wahlen sicherstellen solle, erklären die Grünen die Entsendung deutscher Soldaten ins Herzen Afrikas zum Bestandteil einer umfassenden außenpolitischen Strategie. "Die Unterstützung der Demokratischen Republik Kongo muss Teil einer kohärenten und partnerschaftlichen Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik gegenüber den Staaten unseres südlichen Nachbarkontinents Afrika sein", heißt es im Antrag der Grünen-Fraktion.

Die Fraktion wirbt für ein langfristiges militärisches Engagement in ganz Afrika. So fordert sie die Bundesregierung auf, sich im Kongo stärker bei der Polizeiausbildung und der Armeereform zu engagieren, die UN-Truppe Monuc "längerfristig mit Logistik und zivilem wie militärischem Führungspersonal zu unterstützen" und deren Fähigkeit zu stärken, "Waffenlager aufzuspüren und die zahlreichen Milizen ... endlich zu entwaffnen".

Das läuft auf die dauerhafte Stationierung deutscher Soldaten hinaus - und das nicht nur im Kongo. Im Rahmen ihrer "kohärenten Afrikapolitik" treten die Grünen dafür ein, dass die Bundesregierung "Peacekeeping Missionen der Vereinten Nationen in Afrika verstärkt durch finanzielle Mittel, ziviles und militärisches Fachpersonal und Logistik" unterstützt.

Dem Antrag der Bundestagsfraktion war eine Erkundungsreise der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele und Winfried Nachtwei in den Kongo vorausgegangen. Beide verfassten anschließend ausführliche Berichte, in denen sie mit Nachdruck für den Bundeswehreinsatz warben.

Ströbeles Rolle ist dabei besonders bemerkenswert. Der 67-jährige Rechtsanwalt, Veteran der 68er Bewegung und Gründungsmitglied der Grünen galt lange Zeit als Exponent des linken Flügels der Partei und als innerparteilicher Gegner Joschka Fischers. Als ihm die Grünen 2002 einen sicheren Listenplatz verweigerten, trat er im Berliner Alternativbezirk Kreuzberg als Direktkandidat an und wurde - als bundesweit einziger Grüner - direkt in den Bundestag gewählt.

Früher hatte sich Ströbele bei innerparteilichen Auseinandersetzungen über Auslandseinsätze der Bundeswehr meist zum Wortführer der Nein-Sager aufgeschwungen - allerdings nur, um dann im letzten Moment einzulenken und die Partei geschlossen für ein Ja zu gewinnen. Nun versucht er, mögliche Einwände gegen den Kongo-Einsatz von vornherein im Keim zu ersticken.

Gleich im ersten Satz seines Kongo-Berichts heißt es: "Die EU-Soldaten sollen in der Demokratischen Republik Kongo (DRC) nicht der Regierung oder der Bevölkerung europäischen Willen aufzwingen, sie sollen auch keinen Krieg beginnen oder führen, nicht mal einen beenden und schon gar nicht europäische oder deutsche wirtschaftliche Interessen sichern."

Den Beweis für diese Behauptungen bleibt Ströbele schuldig. Er wäre auch schwer zu erbringen. Schließlich gibt es (auch in der deutschen Presse) keinen Mangel an Hintergrundberichten über den enormen Rohstoffreichtum des Landes. Der deutsche UN-Diplomat Albrecht Conze, mit dem sich Ströbele und Nachtwei im Kongo trafen, listet in der April-Ausgabe der Zeitschrift Internationale Politik detailliert auf, wie diese Reichtümer durch verschiedene Großmächte und ihre Agenten vor Ort geplündert und außer Landes geschafft werden.

Dass Deutschland und Europa hier keine eigenen wirtschaftlichen Interessen verfolgen, ist ein Ammenmärchen, das umso unglaubwürdiger wird, je öfter Ströbele es wiederholt. "Am Geringsten scheint mir die Gefahr", schreibt er an anderer Stelle, "dass mit dem EU-Einsatz und dem der Bundeswehr deutschen ökonomischen Interessen gedient und eine neokoloniale Politik gefördert wird." Der Beweis? Ein "Gesprächspartner aus der Zivilgesellschaft in Bukavu" habe auf diesen Vorwurf geantwortet: "stupid"!

Auch sonst beruft sich Ströbele gern auf anonyme Gesprächspartner. Demnach sind deutsche Soldaten im Kongo nicht nur willkommen, sondern sie werden geradezu herbeigesehnt. "Die EU-Truppe und insbesondere eine mit deutscher Beteiligung wird als besonders effektiv und neutral eingeschätzt", schreibt er. "Die Absage des EU-Einsatzes aber würde als Desinteresse Europas und Deutschlands an der Entwicklung in Afrika angesehen."

Auch die Ausweitung des Mandats über Kinshasa hinaus rechtfertigt er auf diese Weise: "Ein Mandat beschränkt örtlich auf die Hauptstadt Kinshasa und den Flugplatz und auf die Aufgabe der Evakuierung von Wahlhelfern und Europäern im Krisenfall" stoße auf wenig Verständnis und "wäre der kongolesischen Bevölkerung kaum zu vermitteln", schreibt Ströbele.

Betrachtet man die verschiedenen Gruppen, die im Kongo um Macht und Einfluss buhlen, so ist es nicht verwunderlich, dass die Bundeswehrpläne Ströbeles und Nachtweis begeisterte Aufnahme fanden. Die diversen Warlords, Milizionäre und Stammesführer, die sich gegenseitig befehden, streben alle nach guten Beziehungen zu einer oder mehreren imperialistischen Mächten. Ohne Unterstützung von außen könnten sie sich nicht halten. Deutschland ist dabei ein besonders heiß begehrter Partner, weil es erstens ziemlich reich ist und sich zweitens - im Gegensatz etwa zu Frankreich und den USA - noch nicht auf eine bestimmte Gruppe festgelegt hat.

Die angeblich demokratischen Wahlen werden an den katastrophalen Zuständen im Land nichts ändern. Sie werden bestenfalls bestimmen, welche ethnische oder politische Gruppe der kongolesischen Elite in Zukunft die Bevölkerung ausplündern und bevorzugte Beziehungen zu den Großmächten unterhalten darf. Der Kongo unterscheidet sich in dieser Hinsicht nicht grundsätzlich vom Irak, wo der angebliche "Demokratisierungsprozess" unter der Regie der Besatzungsmächte zu einer fortwährenden Verschärfung der Spannungen zwischen den Bevölkerungsgruppen geführt hat.

Keine andere Fraktion im Bundestag unterstützt den Kongo-Einsatz derart enthusiastisch und geschlossen wie die Grünen. In der Union, der SPD und der FDP gibt es erhebliche Vorbehalte. Die Linkspartei lehnt ihn ganz ab.

Viele Abgeordnete fürchten, dass sich die Bundesregierung auf ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang einlässt. Sie argwöhnen, die Bundeswehr könnte in einen Konflikt hineingezogen werden, auf den sie weder militärisch noch psychologisch vorbereitet ist. Selbst wenn sie solche Einsätze grundsätzlich befürworten, glauben sie, die deutsche Bevölkerung sei auf militärische Rückschläge und hohe Verluste noch nicht genügend vorbereitet.

Die Grünen kennen keine derartigen Skrupel. Um das Leben und die Gesundheit der Soldaten machen sie sich am wenigsten Sorgen. Dahinter steckt eine Menge soziale Arroganz. Viele dieser ehemaligen Pazifisten haben von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Militärdienst zu verweigern und Zivildienst zu leisten. Auch ihre Kinder findet man nur selten in der Bundeswehr. Es ist also nicht ihre Haut, die sie zu Markte tragen.

Die Grünen befürworten eine Berufsarmee und - so der Hintergedanke: Wer sich fürs Soldatsein bezahlen lässt, muss auch bereit sein, dafür auch sein Leben aufs Spiel setzen. Sie legen gegenüber den Bundeswehrsoldaten denselben Standesdünkel an den Tag wie gegenüber Arbeitslosen, denen sie Hartz IV und zahlreiche soziale Kürzungen verordnet haben.

Die Verwandlung der Grünen ist atemberaubend. Aus Pazifisten haben sie sich zu glühenden Befürwortern imperialistischer Militäreinsätze gemausert. Früher pflegten die Imperialisten Missionare vorzuschicken, bevor die Truppen folgten. Heute übernehmen diese Aufgabe die Grünen.

Siehe auch:
Deutschland drängt nach Afrika
(20. Mai 2006)
Joschka Fischer wirbt für militärisches Engagement im Nahen Osten
( 14. Februar 2006)