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Joschka Fischer und die Grünen verteidigen den israelischen Bombenterror im Libanon

Von Ulrich Rippert
28. Juli 2006

Anfang der Woche reiste der grüne Bundestagsabgeordnete Jerzy Montag an der Spitze einer Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe nach Israel. In einer Pressemeldung teilte sein Berliner Abgeordnetenbüro mit, dass auch die Deutsch-Israelische Gesellschaft an der Reise nach Haifa beteiligt sei.

Ziel sei es, für das "militärische Vorgehen und die aktuelle Politik Israels" zu werben, weil diese Politik in Deutschland "bei vielen unter Kritik" stehe, und auf "verbreitetes Unverständnis" stoße, heißt es in der Presseerklärung.

Am Dienstag wiederholte Jerzy Montag - der bisher vor allem durch sein intensives Werben für eine engere Zusammenarbeit der Grünen mit CDU/CSU auf sich aufmerksam machte - Wort für Wort die israelische Kriegspropaganda. Gegenüber Spiegel Online sagte Montag: "Israel hat keinerlei Anlass gegeben dazu, dass feindliche Kämpfer aus libanesischem Staatsgebiet heraus Armeeangehörige entführt und getötet haben. Israel hat keinen Anlass gegeben, dass israelische Städte bombardiert werden. Israel hat ein Recht, seine Bürger zu schützen. Und das tut es." Die tagelange ununterbrochene Bombardierung des Südlibanon, die systematische Zerstörung von Straßen und Brücken, Kraftwerken, Häfen, Flugplätzen und ganzer Stadteile von Beirut bezeichnete Jerzy Montag als "Notwehrhandlungen".

Am Mittwochmorgen, als viele Menschen entsetzt die Nachricht erfuhren, dass israelische Kampfflugzeuge gezielt einen UN-Stützpunk im Libanon angegriffen und vier UN-Mitarbeiter getötet hatten, veröffentlichte der ehemalige Außenminister der rot-grünen Regierung, Joschka Fischer einen Kommentar in der Süddeutschen Zeitung. Unter der Überschrift "Ein Krieg gegen die Existenz Israels" schreibt Fischer: "Israel wird angegriffen und damit instrumentalisiert, die palästinensischen und libanesischen Opfer als Legitimation missbraucht, aber die strategischen Absichten der Akteure im Hintergrund gehen weit darüber hinaus."

Es handle sich um einen "Stellvertreterkrieg" behauptet Fischer und zwar in dem Sinne, dass das Vorgehen der Hisbollah aus Damaskus und Teheran gesteuert werde, "von wo sie auch die meisten ihrer Waffen erhält". Eine "radikale Ablehnungsfront" die jeden Ausgleich mit Israel ablehne und sich "aus Hamas und Islamischem Dschihad auf palästinensischer Seite, aus Hisbollah im Libanon, Syrien und Iran zusammensetzt", habe Israel angegriffen.

Fischer sagt im Grunde nichts Neues. Jede seiner orwellschen Verdrehungen der wahren Verhältnisse wurde bereits von der israelischen und amerikanischen Propaganda in den vergangenen Tagen immer und immer wieder verbreitet. Auch Fischers Vorschlag, wie das Problem gelöst werden solle, ist weder neu noch originell. Er fordert, das "Nahost-Quartett" (USA, Russland, die UNO und die Europäische Union), "angeführt von den USA" müsse sich endlich dauerhaft und entschlossen engagieren und für Israel "politische, ökonomische und militärische Garantien" übernehmen.

Also, mehr amerikanische Präsenz im Nahen Osten. Aber der gegenwärtige Krieg mit seiner systematischen und massiven Bombardierung des südlichen Libanon und Teilen von Beirut ist gerade ein Ergebnis, der "politischen, ökonomischen und militärischen" Zusammenarbeit zwischen Washington und Jerusalem.

Für jeden unvoreingenommen und objektiven Beobachter der politischen Situation ist mittlerweile klar, dass die Verschleppung der israelischen Soldaten durch die Hisbollah oder Hamas der Regierung in Jerusalem als willkommener Vorwand diente, um eine militärische Offensive zu beginnen, die sie seit langem vorbereitet und in Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Kriegsministerium geplant hatte.

Wie stark die israelische Armee als Instrument amerikanischer Kriegspläne fungiert, wurde spätestens in dem Moment klar, als die US-Regierung sich strikt weigerte die Bombardierung eines UN-Stützpunkts und Tötung von vier UN-Mitarbeitern zu kritisieren. Deutlicher hätte die US-Regierung ihre Ablehnung der UNO und internationaler Friedensbemühungen kaum machen können.

Der Stellvertreter-Charakter des gegenwärtigen Nahost-Krieges besteht gerade darin, dass die israelische Armee im Auftrag und in Absprache mit der Bush-Regierung und ausgerüstet mit amerikanischen Waffen die bewaffneten Gruppierungen der Hisbollah und Hamas attackiert, um eine kommende Offensive der US-Truppen vorzubereiten die sich gegen Syrien und vor allem gegen den Iran richten wird.

Ein Blick auf die Karte zeigt, dass Afghanistan östlich und der Irak westlich an den Iran angrenzen. Ungeachtet der Tatsache, dass die amerikanischen Streitkräfte in beiden Ländern auf wachsenden Widerstand stoßen, treiben die Strategen im Pentagon Pläne für ein militärisches Vorgehen gegen den Iran voran.

Der ehemalige Sicherheitsberater von US-Präsident Carter, Zbigniew Brzezinski ist zwar mit dem gegenwärtigen Vorgehen der Bush-Regierung in vielen Fragen nicht einverstanden, aber er war es, der vor knapp zehn Jahren in seinem Buch " Die einzig Weltmacht - Amerikas Strategie der Vorherrschaft " die strategische Bedeutung des Iran erklärte. Brzezinski betonte damals, dass nach der Auflösung der Sowjetunion 1991 die amerikanische Regierung systematische Schritte unternehmen müsse, um sich als beherrschende Weltmacht durchzusetzen.

In den ersten Kapiteln seines Buches legt er dar, dass eine solche Vormachtstellung vor allem eine Beherrschung der "eurasischen Landmasse" erfordere und darin spiele der Iran auf Grund seiner eigenen großen Öl und Gasvorkommen, seines modernen Pipelinesystems und vor allem seiner strategischen Lage mit seiner Grenze zum Kaspischen Becken im Norden und Arabischen Meer und damit Indischen Ozean im Süden, eine Schlüsselrolle.

Brzezinski betont, dass die russische Vorherrschaft in Zentralasien und der kaspischen Region nur gebrochen werden könne, wenn "eine Pipeline übers Kaspische Meer nach Aserbaidschan verläuft und von dort durch die Türkei zum Mittelmeer und eine weitere Pipeline durch den Iran zum Arabischen Meer führt." (Die einzig Weltmacht - Amerikas Strategie der Vorherrschaft, Seite 204)

Gerechter weise muss man anerkennen, dass Brzezinski mittlerweile ziemlich entsetzt darüber ist, in welcher Form seine strategischen Pläne in die politische Praxis übertragen wurden und warnt davor, dass sie zu einem Desaster führen könnten. Vor wenigen Tagen wies er Argumente der amerikanischen Außenministerin zurück, die von den Geburtswehen eines neuen Nahen Osten gesprochen hatte. Gegenüber der Presse sagte Brzezinski, das Wort "Geburtswehen" sei "keine sehr glückliche Formulierung. Wehen bringen manchmal auch eine Totgeburt. Man muss schon genau wissen, was diese Geburtswehen produzieren. Sonst ist das reine Spekulation, eine Art russisches Roulette mit der Geschichte. Das könnte für Amerika im Nahen Osten in einem Desaster enden.

Joschka Fischer weiß all das. Schon als Anfang der neunziger Jahre von Georg Bush (Vater) der erste US-Krieg gegen den Irak begonnen und damit der amerikanische Anspruch auf Weltherrschaft sichtbar wurde, sprach Fischer auf einer Protestkundgebung unter der Parole "Kein Blut für Öl!" Doch das ist lange her und angesichts der anhaltenden Rechtsentwicklung der Grünen erinnert man sich kaum noch daran, dass diese Partei vor nicht allzu langer Zeit aus einer pazifistischen Bewegung entstanden war.

Es gibt viele Gründe, die Fischers Nachplappern der israelisch-amerikanischen Propaganda so abstoßend und widerwärtig machen. Er spricht für eine ganze Schicht von ehemaligen Radikalen, die nach Karriere und gesellschaftlichem Aufstieg nicht nur ihren Frieden mit einer Gesellschaft gemacht haben deren soziale und politische Probleme viel krassere Formen annehmen, als zur Zeit ihrer rebellischen Jugend, sondern die demokratischen Rechten zunehmend ablehnend gegenüberstehen und autoritäre Formen der Herrschaft bevorzugen.

Fischers und Montags Glorifizierung des Bombenterrors gegen die Bevölkerung im Libanon und in den Palästinensergebieten ist direkt damit verbunden, dass sich diese Partei nicht nur in der Außenpolitik auf Merkel und Co. zubewegt, sondern auch in der Innenpolitik ein Bündnis mit der Union anstrebt.

Das Wichtigste aber ist, dass der ehemalige Außenminister deutlich macht, dass niemand in der offiziellen Politik Europas es wagt der aggressiven amerikanisch-israelischen Kriegspolitik entgegenzutreten. Zwar weis man mittlerweile, dass die Opposition der deutschen Regierung in der Vergangenheit mehr als halbherzig und inkonsequent war. Doch als Fischer vor gut drei Jahren auf der Münchner Sicherheitskonferenz den Kriegsplänen von US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld eine Abfuhr erteilte und sagte: "Sie haben mich nicht überzeugt, Herr Minister!", hatte das Auswirkungen.

Nun hat er ihn doch überzeugt und zwar nicht nur, weil Fischer sich für das Angebot einer Professur an der renommierten Princeton-Universität - als erster Professor ohne Abitur und Studium - artig bedankt. Die schiere Gewalt und Rücksichtslosigkeit mit der sich die amerikanische Regierung über internationales Recht, über Verträge, Vereinbarungen und auch über internationale Kritik hinwegsetzt, hat die europäische Politik im Allgemeinen und die deutschen Philister im Besonderen, tief beeindruckt.

Fischers Unterstützung für die israelische Kriegspolitik und seine Einschätzung, dass nur das verstärkte Eingreifen der US-Regierung dem Nahenosten "Stabilität" bringen könne, ist auch ein Eingeständnis, dass seine eigenen politischen Konzeptionen über eine verstärkte Friedensrolle Europas in der internationalen Politik gescheitert sind.

Im Millenniumsjahr 2000 hielt Fischer eine, damals als "wegweisend" bezeichnete Grundsatzrede über die Zukunft Europas in der Humboldt-Universität zu Berlin. "Gedanken über die Finalität der europäischen Integration" hatte Fischer seinen Vortrag am 12. Mai 2000 überschrieben. Zwar war die gemeinsame Währung noch nicht eingerührt, aber bereits beschlossene und weit vorbereitete Sache. Immer wieder betonte Fischer, dass sich die europäische Integration als "phänomenal erfolgreich erwiesen" habe.

Aber wie so oft in der Geschichte war das Denken auch damals von der Vergangenheit geprägt und Fischers Europa-Euphorie widerspiegelte eine politische Periode, die gerade zu Ende ging. Als die europäischen Großmächte mit der so genannten "Lissabon-Strategie" die Vereinigung Europas und Erweiterung des europäischen Binnenmarktes zu einem Bollwerk gegen die wirtschaftliche und politische Vorherrschaft Amerikas ausbauen wollten, mussten sie feststellen, dass sich damit die Situation innerhalb Europas stark veränderte.

Es ist eine Sache, Europa in Zusammenarbeit und mit der Unterstützung der USA als gemeinsamen Markt aufzubauen, es ist aber etwas völlig anderes Europa als Festung und Bollwerk gegen die USA errichten zu wollen. In dem Maße in dem die amerikanische Regierung begann auf Europa politischen und wirtschaftlichen Druck auszuüben, nahmen auch die Konflikte innerhalb der europäischen Gemeinschaft zu.

Die Wiederkehr imperialistischer Großmachtpolitik mit militärischer Unterdrückung und kolonialer Ausbeutung ist nicht auf die USA beschränkt. Die Unfähigkeit der europäischen Regierungen dieser Politik entgegenzutreten, bedeutet, dass auch für sie die Eigeninteressen an erster Stelle stehen und die Konflikte innerhalb Europas zunehmen werden. Die einzig progressive Form dem Widererstarken imperialistischer Gewalt und militärischer Aggression entgegenzutreten besteht durch die Vereinigung Europas von unten, durch die politische Mobilisierung der arbeitenden Bevölkerung im Kampf für die vereinigten sozialistischen Staaten von Europa.