Venezuela verlangt Auslieferung des CIA-Terroristen
Bush-Regierung verhaftet Posada Carriles
Von Bill Van Auken
25. Mai 2005
aus dem Englischen (18. Mai 2005)
Die amerikanische Bundespolizei FBI hat am 17. Mai in Miami den Castro-feindlichen kubanischen Terroristen Luis Posada Carriles festgenommen. Dieser hatte kurz zuvor eine Pressekonferenz abgehalten und Reportern mitgeteilt, dass er von staatlicher Seite nicht gesucht würde und sich nicht zu verstecken bräuchte.
Nach seiner Verhaftung wurde Posada mit einem Blackhawk-Kampfhubschrauber an einen unbekannten Ort überführt. Die Festnahme erfolgte, nachdem das US-Außenministerium über Wochen hinweg an der unglaubwürdigen Behauptung festgehalten hatte, dass es keinerlei Erkenntnisse über den Aufenthaltsort Posadas gäbe und man nicht einmal wüsste, ob er im Lande sei.
Die venezolanische Regierung hatte eine Woche zuvor an die Vereinigten Staaten einen formalen Antrag auf Auslieferung Posadas gestellt. Venezuela will Posada als Organisator eines Bombenanschlags auf ein kubanisches Zivilflugzeug anklagen, bei dem im Jahre 1976 alle 73 Passagiere ums Leben kamen. Zur Zeit dieses Terroranschlags war der Exilkubaner bereits seit vielen Jahren Mitarbeiter des US-Geheimdienstes CIA und ein hoher ehemaliger Vertreter der venezolanischen Geheimpolizei DISIP.
Washingtons angebliches Nichtwissen über Posadas Aufenthaltsort konnte nicht länger aufrechterhalten werden, als der Miami Herald am Dienstag auf seiner Titelseite ein Interview mit dem heute 77-jährigen Terroristen brachte. Die Zeitung berichtete, dass das Interview in Miami in einer "Luxuswohnung, nur wenige Blocks vom Innenministerium entfernt" geführt wurde.
Posadas Anwesenheit sollte in Miami kaum jemanden überrascht haben, nachdem die kubanisch-amerikanische Presse ausführlich von seiner Ankunft Ende März berichtet hatte. Es wurden Spendensammlungen zu seine Gunsten organisiert, und bereits vor einem Monat hatte der Anwalt des Terroristen eine Pressekonferenz gegeben, in der er verkündete, er habe Kontakt mit den staatlichen Behörden aufgenommen und die ersten Schritte eingeleitet, um seinem Mandaten politisches Asyl in den Vereinigten Staaten zu sichern.
Das Interview mit dem Miami Herald bewies - durch seinen Inhalt und den Ort, an dem es gegeben wurde - trotzdem das Offensichtliche: Posada versteckte sich nicht und hatte auch nicht den Eindruck, dies tun zu müssen, weil er im Land unter dem Schutz der US-Regierung stand.
"Der militante Castrogegner sagt, ihm sei klar geworden, dass ihn die US-Regierung nicht suche", berichtete die Zeitung. Weiter hieß es im Artikel: "Vertreter des Innenministeriums haben erklärt, dass sie nicht aktiv nach Posada suchen, weil es in den Vereinigten Staaten keinen Haftbefehl gegen ihn gibt."
Das warf die Frage auf, warum kein Haftbefehl vorlag. Posada war flüchtig. Er versteckt sich, seit ihn der Präsident von Panama Mireya Moscoso unvermittelt begnadigt hatte. Berichten zufolge hatten bei dieser plötzlichen Begnadigung US-amerikanischer Einfluss und die Zahlung von vier Millionen Dollar eine wichtige Rolle gespielt.
Posada war in Panama zusammen mit drei anderen rechten Exilkubanern verhaftet worden. Ihnen wurde vorgeworfen, im Jahr 2000 ein Attentat gegen Fidel Castro geplant zu haben, bei dem der kubanische Präsident mit 20 Pfund Sprengstoff in einer vollbesetzten Halle getötet werden sollte - ein Verbrechen, dass zahlreiche Opfer gefordert hätte. Seine Mitverschwörer durften in die Vereinigten Staaten zurückkehren, ohne von den staatlichen Behörden behelligt zu werden.
Posada reiste nach seiner Begnadigung von Panama aus mit einem falschen Pass nach Honduras, wo er sich versteckte, als im ganzen Land eine Suche nach ihm stattfand. Anschließend fuhr er weiter nach Guatemala, wo er im Untergrund lebte und von kubanischen Exilorganisationen ebenso wie von der guatemaltekischen Rechten geschützt wurde.
Als die venezolanische Regierung im vergangenen Monat erfuhr, dass sich Posada in den Vereinigten Staaten aufhält, stellte sie einen Haftbefehl gegen ihn aus. Am 13. Mai forderte sie Washington formell auf, den Gesuchten zu verhaften und auszuliefern, damit er in Zusammenhang mit dem Flugzeugattentat von 1976 wegen Mordes und Landesverrat vor Gericht gestellt werden kann.
Posada ist damit zu einem politischen Problem für die Bush-Regierung geworden. Bushs Versprechen, Terroristen zur Strecke zu bringen und Länder, die sie beherbergen, zur Verantwortung zu ziehen, wird zum Gespött, wenn sich einer der berüchtigsten internationalen Terroristen unverhohlen in Miami aufhalten kann. Als das Interview mit dem Miami Herald erschien, konnte die Regierung nicht länger so tun, als wüsste sie nicht, wo er sich befindet.
Posada war sich offenbar bewusst, dass seine Lage unhaltbar geworden war. Auf einer hastig organisierten Pressekonferenz am Dienstag erklärte er den Reportern, dass er seinen Antrag auf politisches Asyl in den Vereinigten Staaten fallen lasse und dem Land den Rücken kehren wolle. Er behauptete, er tue dies, um dem Castro-Regime in Kuba keine Möglichkeit zu geben, die Kontroverse über seine Anwesenheit ausnutzen.
Massive Demonstration in Havanna
Die Verhaftung in Miami fiel zeitlich mit einer der größten Demonstrationen in der kubanischen Geschichte zusammen. Schätzungen zufolge nahmen rund 1,2 Millionen Menschen an einem massiven "Marsch gegen den Terrorismus" teil und forderten Bush auf, Posada festzunehmen. Die Demonstranten passierten die US-Vertretung in Havanna und hielten Plakate mit Fotos von den Kubanern, die 1976 getötet wurden, als die DC-8 der Cubana Airlines auf dem Weg von Barbados nach Venezuela explodierte. Viele der Opfer waren junge Athleten des kubanischen Fechtteams.
Washington hatte im April 2002 versucht, den venezolanischen Präsidenten Hugo Chavez und seine Regierung zu stürzen, und hat seitdem keine Gelegenheit ausgelassen, Venezuela politisch anzugreifen und unter Druck zu setzen. Daher ist klar, dass das Weiße Haus auf keinen Fall Chavez einen politischen Sieg gönnen wird.
Das Ministerium für Heimatschutz gab am Dienstag eine Meldung heraus, laut der die Vereinigten Staaten offenbar ihr Auslieferungsabkommen mit Venezuela brechen wollen. Es heißt darin: "Aufgrund der Einwanderungsgesetze und -politik überführt die ICE [Einwanderungs- und Zollbehörde] nicht generell Menschen nach Kuba, noch überführt die ICE Menschen in Länder, von denen anzunehmen ist, dass sie im Interesse Kubas handeln."
Die Bush-Regierung und ihre Unterstützer haben die engen Verbindungen zwischen der Castro-Regierung in Kuba und der Chavez-Regierung in Venezuela als "Achse der Subversion" in Lateinamerika bezeichnet.
Die Frage jedoch, was mit dem Terroristen zu tun ist, stellt die US-Regierung vor ein Dilemma. Er ist von der Einwanderungsbehörde verhaftet worden, die ihn allerdings nur 48 Stunden lang festhalten kann, um seinen Status zu klären.
Wenn er politisches Asyl erhält oder ihm gestattet wird, heimlich in ein anderes Land zu verschwinden, so würde dies nur noch deutlicher die Doppelzüngigkeit und Heuchelei der Bush-Regierung herausstellen, deren "weltweiter Krieg gegen den Terrorismus" seit dreieinhalb Jahren als Vorwand für amerikanische Militäraggressionen fungiert. Aber Posada an die venezolanische Justiz auszuliefern, birgt für Washington unakzeptable Risiken.
Jüngst veröffentlichte CIA- und FBI-Dokumente, die freigegeben und dem Nationale Sicherheitsarchiv in Washington ausgehändigt wurden, bestätigen das Offensichtliche: Posada verübte seine Terroranschläge als Agent der CIA.
Die freigegebenen Dokumente schildern Posadas lange Verbindung mit amerikanischen Geheimdiensten: Von seiner Rekrutierung für die Brigade 2506, die für die misslungene Invasion in der Schweinebucht vorgesehen war, über seine Sprengstoffausbildung bei der CIA und der US-Armee in den 1960-er Jahren bis zu seiner nachfolgenden Beteiligung an einer Reihe von Terroranschlägen gegen Kuba, die von Exilantengruppen mit Unterstützung der CIA verübt wurden.
Die Dokumente enthalten auch deutliche Beweise dafür, dass Posada die Verantwortung für die Bombe an Bord des kubanischen Flugzeugs trug.
Ein Dokument, das das FBI im November 1976 verfasste, zitiert einen gewissen Ricardo Morales Navarrete als Quelle, einen Offizier, der zu dem Zeitpunkt für einen Teilbereich der Gegenspionage der venezolanischen Geheimpolizei DISIP verantwortlich war. Aus dem Dokument ergibt sich, dass Posada an mindestens zwei Treffen teilnahm, auf denen der Bombenanschlag auf das kubanische Flugzeug geplant wurde.
"Einige Pläne hinsichtlich des Bombenanschlags auf ein Flugzeug der Cubana Airlines wurden in der Bar des Anauco Hilton Hotels in Caracas, Venezuela diskutiert. Auf diesem Treffen waren Frank Castro, Gustavo Castillo, Luis Posada Carriles und Morales Navarrete anwesend", stellt das Dokument fest. "Morales Navarrete sagte der Quelle, dass ein weiteres Treffen zur Planung des Bombenanschlags gegen ein Flugzeug der Cubana im Appartement von Morales Navarrete im Anauco Hilton stattfand. Dieses Treffen fand ebenfalls vor dem Bombenanschlag gegen das Flugzeug der Cubana am 6. Oktober 1976 statt. Anwesend bei dem Treffen waren Morales Navarrete, Posada Carriles und Frank Castro [...]."
In einer freigegebenen CIA-Akte vom Oktober 1976 heißt es: "Wir haben festgestellt, dass unsere Behörde eine Beziehung zu einer Person unterhält, deren Name in Zusammenhang mit dem erwähnten Bombenanschlag genannt wurde. [...] Der Auftraggeber von Lugo und Lozano [zwei Venezolaner, die unter dem Verdacht, den Sprengstoff an Bord gebracht zu haben, in Barbados festgenommen wurden] in Caracas ist Luis Posada Carriles, der ehemalige Leiter der Abteilung Gegenspionage des Directorate for the Services of Intelligence and Prevention (DISIP), des zivilen Geheimdienstes von Venezuela. Posada ist ein ehemaliger Agent der CIA [...]."
Aus dem Dokument lässt sich nicht klar entnehmen, wann Posada aufhörte, für die CIA zu arbeiten, aber es ist deutlich herauszulesen, dass er noch wenige Monate vor dem Bombenanschlag auf das Flugzeug mit der Behörde in Kontakt stand. Ein anderes Dokument beweist Posadas Beteiligung - nachdem er 1985 aus einem venezolanischen Gefängnis ausbrechen konnte - an der illegalen Operation zur Versorgung der nicaraguanischen Contras. Dies ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass seine CIA-Verbindungen niemals endeten.
Zu Posadas jüngeren Terroraktionen zählten die Bombenanschläge gegen Hotels in Havanna 1997, bei denen der italienische Tourist Fabio di Celmo ums Leben kam, und der Attentatsversuch gegen Castro 2000 in Panama.
Als Organisator des Bombenanschlags gegen das Flugzeug der Cubana 1976 verurteilt wurde auch Orlando Bosch. Bosch entkam dem Gefängnis dank einer Intervention des damaligen US-Botschafters in Venezuela Otto Reich, der in Bushs erster Amtszeit zum höchsten Verantwortlichen für die US-Politik in Lateinamerika aufstieg.
1990 kam Bosch aus dem Gefängnis frei und erhielt eine unbegrenzte Aufenthaltserlaubnis für die Vereinigten Staaten von Bushs Vater, dem damaligen Präsidenten George H.W. Bush. Dieser setzte sich damit über die Proteste des Justizministeriums hinweg, das Bosch als "Terroristen, unbeeinflusst von Gesetzen und ohne menschlichen Anstand", beschrieb.
Es sollte ergänzt werden, dass der von diesem langjährigen CIA-Agenten organisierte Anschlag auf das Flugzeug zu einem Zeitpunkt stattfand, als Bush Senior die CIA leitete.
Der Bruder des derzeitigen Präsidenten, Jeb Bush, verdankt seinen Gouverneursposten im Bundesstaat Florida nicht zuletzt denselben Gruppen rechter Exilkubanern, die über die ganzen Jahre hinweg Posada und Bosch unterstützt haben. Aus diesem Grund stellte sich Jeb Bush an die Spitze einer Kampagne, die seinen Vater drängte, Bosch Asyl in den Vereinigten Staaten zu gewähren - einem Mann, der neben dem Bombenanschlag auf die Maschine der Cubana Airlines noch in etwa 30 weitere terroristische Anschläge verwickelt war.
Nachdem Jeb Bush Gouverneur von Florida geworden war, berief er Boschs Anwalt an den Obersten Gerichtshof des Bundesstaates. Der relativ unerfahrene Jurist namens Raoul Cantero ist zufällig der Enkel des ehemaligen kubanischen Diktators Fulgencio Batista, dessen Regime bis zu seinem Sturz von den Vereinigten Staaten gestützt worden war. Canteros juristische Karriere ist eng mit dem terroristischen Anti-Castro-Netzwerk in Südflorida verbunden. Sein Vater war ein Geheimdienstoffizier im kubanischen Büro zur Unterdrückung Kommunistischer Aktivitäten (BRAC), dass berüchtigt war für seinen Einsatz von Folter und Mord gegen Regimegegner.
Eine Auslieferung Posadas an Venezuela hätte allerdings nicht nur politische Nachwirkungen innerhalb der rechten kubanischen Basis der Republikanischen Partei in Florida. Sie könnte darüber hinaus die Verbrechen der CIA ans Tageslicht bringen, vor allem aber auch die umfassenden und engen Beziehungen zwischen der Familie Bush und dem derzeitigen Präsidenten zum staatlich unterstützten Terrorismus.
Allein aus diesem Grund muss Washington wohl seinen langjährigen Agenten Posada weiter schützen - oder zumindest dafür sorgen, dass er schweigt.