USA: Vereinbarung gegen Folter dient als legaler Deckmantel für Misshandlungen
Von Joe Kay und Barry Grey
24. Dezember 2005
aus dem Englischen (17. Dezember 2005)
Die zwischen dem Weißen Haus und Senator John McCain vereinbarten Maßnahmen zur Ächtung von Folter sind nichts dergleichen. Die offizielle Verurteilung "grausamer, unmenschlicher oder entwürdigender Behandlung" vorgeblicher Terroristen durch die USA soll vertuschen, dass Washington das internationale Folterverbot bisher mit Füßen getreten hat, und dient als pseudo-legaler Deckmantel für die Fortsetzung derselben Methoden.
Allein schon die Tatsache, dass die US-Regierung gezwungen ist, Folter öffentlich zu verurteilen, spricht Bände über Washingtons gesetzeswidrige Praktiken. Die ganze Welt weiß, dass die Vereinigten Staaten im Namen ihres globalen "Kriegs gegen Terror" foltern, Entführungen praktizieren, Geheimgefängnisse unterhalten und Menschen ohne Urteil und Berufungsmöglichkeit gefangen halten.
Die Übereinkunft zwischen dem Weißen Haus und McCain, einem rechten republikanischen Senator und glühenden Unterstützer des Irakkriegs, hat die Form einer Ergänzung zum Haushaltsbewilligungsgesetz für das Verteidigungsministerium. Die Ergänzung legt fest, dass das US-Militär mit seinen Gefangenen so umgeht, wie es das Armee-Feldhandbuch vorschreibt. Weiter heißt es, kein Gefangener dürfe "unter Aufsicht oder physischer Kontrolle der Regierung der Vereinigten Staaten, ungeachtet der Nationalität oder des Aufenthaltsortes, grausamer, unmenschlicher oder entwürdigender Behandlung unterworfen werden".
Die Bush-Regierung, die bisher jede Art Folterverbot mit Hinweis auf die "nationale Sicherheit" und den "Krieg gegen den Terror" abgelehnt hat, sah sich zu einer Vereinbarung mit McCain gezwungen, nachdem dieser seinen ursprünglichen Zusatzantrag mit einer von beiden Fraktionen getragenen Mehrheit im Senat durchgebracht und das Repräsentantenhaus diesen Zusatzantrag am 14. Dezember in einer nicht bindenden Resolution unterstützt hatte.
Während die Ergänzung ausformuliert wurde, erklärten Bush und Außenministerin Condoleezza Rice im Brustton der Überzeugung, die Vereinigten Staaten würden Folter weder anwenden noch befürworten. Das sind dreiste Lügen.
Was war Abu Ghraib? Was ist mit den Beweisen, denen zufolge die dort praktizierten sadistischen Methoden das Ergebnis politischer Entscheidungen hoher Mitglieder der Bush-Regierung waren, zu denen Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und der damalige Berater im Weißen Haus und heutige Justizminister Alberto Gonzales gehörten?
Es gibt auch Enthüllungen über Gefangenenmisshandlung und -mord in Afghanistan, Irak und dem US-Konzentrationslager Guantánamo Bay. Außerdem unterhält die CIA Geheimgefängnisse, zu denen selbst das Internationale Rote Kreuz entgegen geltendem internationalem Recht keinen Zugang hat.
Vergessen wir auch die Praxis der "außerordentlichen Überstellungen" (rendition) nicht, eine beschönigende Umschreibung für die Entführung von Menschen durch US-Agenten außerhalb der USA und ihre Einlieferung in die Folterkammern ausländischer, mit Washington verbündeter Regierungen. Bis jetzt sind mindestens zwei Fälle bekannt geworden, bei denen Unschuldige durch die USA entführt und zur Folter überstellt wurden: der Fall von Maher Arar, einem kanadischen Bürger, der in New York festgenommen und von der CIA nach Syrien verschleppt wurde, und der von Khalid al-Masri, einem Deutschen, der aus Mazedonien "verschwand" und zur Folter nach Afghanistan verfrachtet wurde.
Es ist offensichtlich, dass die Bush-Administration die durch das Hitler-Regime perfektionierten Lügentechniken benutzt, um die Anwendung barbarischer Methoden zu vertuschen, wie sie von den deutschen Faschisten in noch größerem Maßstab angewendet wurden.
Im Jahr 2001 haben die Vereinigten Staaten die Gültigkeit der Genfer Konventionen für in Afghanistan gemachte Gefangene offen abgelehnt. Warum sollte die Bush-Regierung diesen Eckstein des Völkerrechts zurückweisen, außer um sich selbst eine Lizenz auszustellen, das Gesetz zu brechen und Verhör- und Verhaftungsmethoden anzuwenden, die den Konventionen zuwiderlaufen?
In den folgenden Monaten bemühten sich Regierungsbeamte und Rechtsanwälte wie Gonzales darum, die Folter neu zu definieren und pseudo-legale Rechtfertigungen für ihren Einsatz zu entwickeln.
Wäre die verbale Verurteilung von Folter durch die US-Regierung ernst gemeint, müsste Washington seine Haltung zu den Genfer Konventionen offiziell widerrufen, all jene freilassen, die illegal in Guantánamo und anderswo festgehalten werden, die Lage seiner geheimen Gefängnisse preisgeben und seine Gulags schließen. Nichts von alledem wird geschehen.
Der Ergänzungsantrag McCains wird keine Auswirkungen auf die Methoden haben, mit denen Washington seine gefangenen angeblichen Terroristen behandelt. Diese Methoden ergeben sich organisch aus dem Bestreben der amerikanischen herrschenden Elite, mit militärischen Mitteln ihre Vormachtstellung in ölreichen Regionen wie dem Nahen Osten und Zentralasien zu sichern, die als entscheidend für ihre imperialistische Vorherrschaft im Weltmaßstab gelten.
Wie heuchlerisch McCain vorgeht, zeigte sich, als er am Donnerstag gemeinsam mit Präsident Bush an die Öffentlichkeit trat. Er beendete seine Lobhudelei für das Weiße Haus mit der Aussage: "Jetzt, denke ich, können wir weitermachen und den Krieg gegen Terror und im Irak gewinnen."
Die Behauptung, man könne internationale Rechtsgrundsätze über die Behandlung von Gefangenen befolgen und gleichzeitig den Irakkrieg unterstützen, steht im Widerspruch zu einem Prinzip, das nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse gegen die Nazis formuliert wurde. Damals insistierte die Anklage unter Robert Jackson, einem Richter am Obersten Gerichtshof der USA, darauf, dass die grundlegende Straftat der Angeklagten darin bestand, einen Angriffskrieg geplant und geführt zu haben. Aus ihr, so Jackson, ergaben sich notwendigerweise alle anderen Verbrechen - einschließlich der Folter, dem Netz von Konzentrationslagern, selbst der Vernichtung der europäischen Juden. Bush, McCain, ja das gesamte politische Establishment der USA verteidigen einen solchen Aggressionskrieg - den unprovozierten "Präventivkrieg" gegen den Irak, der seit Jahren geplant worden war und auf der Grundlage von Lügen begonnen wurde.
Die Meinungsverschiedenheiten zwischen McCain und dem Weißen Haus drehten sich von Anfang an mehr um formale als um inhaltliche Fragen. Bush und Vizepräsident Dick Cheney wollten, dass die CIA von jedem Folter- und Misshandlungsverbot ausgenommen wird.
McCain und die Kongressmitglieder, die seinen Ergänzungsantrag unterstützten, halten eine zu offene Befürwortung von Folter für politisch und militärisch unzweckmäßig. Natürlich wissen sie, dass die Vereinigten Staaten und von Washington ausgebildete und finanzierte Militärs seit langem derartige Methoden anwenden, die in Lateinamerika und Vietnam zu trauriger Berühmtheit gelangt sind. Sie vertreten aber den Standpunkt: Man tut es, doch man spricht nicht darüber.
McCain, ein Navy-Pilot aus der Vietnam-Zeit, der Kriegsgefangener in Hanoi war, steht der militärischen Führungsschicht nahe. Er spricht für die Vertreter des Militärs und der herrschenden Elite, die eine offene Befürwortung von Gefangenenmisshandlung als hochgradig schädlich für die Interessen des amerikanischen Imperialismus erachten, auch wenn es darum geht, den Aufstand im Irak niederzuschlagen und weitere Militärinterventionen in anderen Ländern vorzubereiten.
Sie fürchten, Bushs offene Missachtung von internationalen Rechtsnormen könne dem Ruf der Vereinigten Staaten als Verteidiger demokratischer Rechte schaden, amerikanische Soldaten der gleichen Art von Behandlung aussetzen und amerikanische Zivilisten wie Militärs auf die Anklagebank künftiger Kriegsverbrecherprozesse bringen.
Das eigentliche Ziel der Übereinkunft zwischen McCain und Bush besteht darin, eine neue juristische und öffentliche Fassade zu errichten, hinter der Washington Menschen auch weiterhin misshandeln und unbegrenzt festhalten kann.
Das wird sowohl in den Formulierungen des "Kompromiss"-Zusatzantrags, als auch durch andere, damit verbundene Maßnahmen deutlich. Als McCain mit dem Weißen Haus über die Abfassung der Vereinbarung verhandelte, stimmte er einer Passage zum Schutz von CIA-Agenten zu. Sie sollen das Recht haben, sich gegen gerichtliche Foltervorwürfe darauf zu berufen, sie hätten in gutem Glauben gehandelt, legale Befehle auszuführen. Damit kann jeder Versuch, die Folterer zu bestrafen, im Keim erstickt werden.
Die Ergänzungsresolution hat weitere Lücken: In der einzigen Passage, die den erlaubten Methoden ausdrücklich Grenzen setzt, heißt es, dass keine Person in der Hand des Verteidigungsministeriums "einer Behandlung oder Verhörtechnik ausgesetzt werden darf, die nicht durch das Armee-Feldhandbuch über geheimdienstliche Verhöre autorisiert und darin aufgeführt ist".
Noch während das Abkommen zwischen McCain und der Bush-Regierung ausgehandelt wurde, war das Pentagon eifrig damit beschäftigt, das Armee-Feldhandbuch zu überarbeiten, zweifellos um grünes Licht für Folter und anderen missbräuchliche Methoden zu geben. Die New York Times berichtete am 13. Dezember, das Pentagon habe einen geheimen Nachtrag zum Handbuch genehmigt, der Verhörprozeduren betreffe. Armeesprecher weigerten sich, Details über die zulässigen Methoden bekannt zu geben. "Einige Militärsprecher haben aber durchblicken lassen, die neuen Richtlinien könnten den Eindruck vermitteln, die Armee erweitere die Grenzen für legale Vernehmungen", schrieb die Times.
Ein anderer Zusatz zu dem gleichen Gesetz zur Bewilligung des Verteidigungshaushalts will den Gefangenen in Guantanamo das Recht auf Haftprüfung absprechen. Newsweek berichtete am Donnerstag, sie habe Kenntnis von einem neuen Entwurf des Ergänzungsantrags erlangt, der von dem demokratischen Senator Carl Levin mit eingebracht wurde. Er enthalte Formulierungen, die es US-Militärtribunalen erlauben, Aussagen zuzulassen, die durch die Folterung von Gefangenen in anderen Ländern erlangt wurden. "Der neue Graham-Entwurf enthält auch zusätzliche Beschränkungen des Rechts von Terrorverdächtigen, außerhalb des engen Korridors eines Berufungsverfahrens Klage gegen die US-Regierung einzureichen", schreibt das Magazin.
Der Graham-Zusatz wurde mit der Unterstützung der meisten demokratischen Senatoren sowie John McCains angenommen. Schon diese Tatsache beleuchtet den Zynismus von McCains Ergänzungsantrag gegen unmenschliche Behandlung. In einem Atemzug behauptet sein Autor, er sei gegen die Folter, und unterstützt die Zulassung von "Aussagen", die durch die Anwendung derselben erlangt wurden.
Darüber hinaus definiert die Bush-Regierung Folter in völligem Gegensatz zum Völkerrecht so eng, dass fast alle missbräuchlichen Methoden nicht darunter fallen. Ein Leitartikel in der New York Times vom Freitag bemerkte, dass nur Stunden nach der Bekanntgabe der Vereinbarung zwischen McCain und dem Weißen Haus "Justizminister Alberto Gonzales glasklar gemacht hat, dass die Regierung Folter völlig nach ihren eigenen Vorstellungen definieren werde. Er sagte auf CNN, dass Folter die absichtliche Zufügung von schwerem physischem oder psychischem Schaden sei, und wiederholte das Wort schwer zweimal. Er wollte noch nicht einmal sagen, ob dazu das Waterboarding gehört. Dabei wird ein Gefangener gequält, indem man ihm immer wieder den Eindruck vermittelt, er werde ertränkt."
Der Leitartikel der Washington Post vom gleichen Tag lobte die Ergänzung im Großen und Ganzen, merkte aber an, die Bush-Regierung und das Pentagon versuchten Folter und unmenschliche Behandlung so umzudefinieren, "dass CIA-Techniken wie Waterboarding, d.h. simuliertes Ertrinken, kalte Zellen, d.h. das absichtliche Herbeiführen von Fast-Erfrieren, Scheinhinrichtungen und die schmerzhafte Kurzfesselung über einen langen Zeitraum nicht unter allen Umständen ausgeschlossen sind."
Die Zeitung fügte hinzu, die Haltung der Regierung impliziere, dass solche Methoden auch gegen US-Bürger eingesetzt werden könnten.
Die Regierung kann solche Methoden nur anwenden und die amerikanische Bevölkerung so offen belügen, weil sie weiß, dass sie von der Demokratischen Partei oder den Medien nicht ernsthaft zur Rechenschaft gezogen wird. Im Gegenteil, die demokratische Führung unterstützt nicht nur den Krieg im Irak, sondern auch, offen oder stillschweigend, die Anwendung von Folter als Instrument imperialistischer Politik der USA auf der ganzen Welt.