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Rom: Die größte Antikriegsdemonstration Europas

Von Francis Dubois
23. März 2004

In Rom fand zum Jahrestag des Kriegsbeginns im Irak eine der größten Antikriegsdemonstrationen der Welt und die größte in Europa statt. Über eine Million Menschen waren mit Sonderzügen und -Bussen in die italienische Hauptstadt gereist. Gewerkschaften, Globalisierungskritiker und offizielle italienische Linksparteien hatten dazu aufgerufen. Die Demonstration musste früher als vorgesehen losgehen und dauerte über sieben Stunden.

Neben Gruppen mit Transparenten der Gewerkschaften Cobas oder CGIL, der "Disobbedienti", der Globalisierungskritiker oder politischer Parteien, wie von Rifondazione, der Grünen oder des Olivenbaums, marschierten Familien, Arbeiter, Studenten und vor allem sehr viele junge Menschen. Vor der Demonstration hatten mehrere so genannte "Friedenskarawanen" stattgefunden, die seit dem 28. Februar auf ihrem Weg aus Venedig, Genua und Sizilien zahlreiche Kundgebungen und Veranstaltungen gegen den Krieg organisiert hatten.

Am auffälligsten war das mehrere Hundert Meter lange Transparent der Friedensbewegung in allen Regenbogenfarben, das bereits im letzten Jahr das Markenzeichen der Antikriegsdemonstrationen in Italien gewesen war. Eine zentrale Aussage war die Forderung nach Rückzug der italienischen Truppen aus dem Irak. Ein weiterer Slogan - "Euer Krieg, unsere Toten" - den spanische Demonstranten letzte Woche auch gegen Aznar gerufen hatten, wurde jetzt auf die Berlusconi-Regierung umgemünzt. Italien hat 3.000 Soldaten im Irak stationiert, die im letzten November starke Verluste durch Angriffe des irakischen Widerstands erleiden mussten. Auf der Schlusskundgebung auf dem Circo Massimo sprachen sich mehrere Witwen von US-Soldaten gegen den Krieg aus.

Die große Teilnehmerzahl, die auch die Organisatoren überraschte, stand in scharfem Kontrast zu einer offiziellen Demonstration "gegen Terrorismus", die am 18. März in Rom stattgefunden hatte. Diese offizielle, "überparteiliche" Demonstration, organisiert von der Nationalen Vereinigung der Italienischen Gemeinden (ANCI) und unterstützt von politischen Parteien von Links bis Rechts inklusive Regierungsparteien, fand kaum Zuspruch und erntete den Hohn und Spott vieler Sprecher auf der Massendemonstration vom Samstag.

Einer der Teilnehmer an der Demonstration vom Donnerstag, Piero Fassino, der Führer der Linksdemokraten (DS, Democratici di Sinistra, Nachfolgepartei der italienischen Kommunisten), versuchte, sich am Samstag mit einem Tross Bodyguards dem Marsch anzuschließen, wurde jedoch erst verbal, dann auch physisch von Teilnehmern attackiert und vertrieben. Auch ein Teil der Jugendorganisation der Linksdemokraten musste die Demonstration verlassen. Die DS war von einigen Organisatoren ausdrücklich eingeladen worden.

Während die Demonstration gemeinhin als "Friedensmarsch" deklariert wurde und die überwiegende Mehrheit der Teilnehmer ihren aufrichtigen Hass gegen den imperialistischen Krieg zum Ausdruck brachte, verrieten die Aussagen der offiziellen Sprecher eine ganz andere Haltung. So schätzte Vittorio Agnoletto, Führer des Sozialforums von Genua, die Teilnahme der DS am Friedensmarsch von Rom als einen "Sieg der Bewegung" ein.

Die Forderung der CGIL nach Rückzug der italienischen Truppen aus dem Irak ziele, wie der Gewerkschaftssekretär Guglielmo Epifani erklärte, "nicht darauf ab, ein Vakuum zu schaffen, sondern eines auszufüllen - mit der UNO.... Das ist der einzige vernünftige Weg vorwärts."

Auch andere Sprecher traten dafür ein, die Besetzung durch die USA und ihr Verbündeten durch eine von den UN sanktionierte Besetzung abzulösen.

"Der Rückzug der Truppen aus dem Irak ist die mutige und wirklich reformistische Lösung, die wir fordern. Wenn sie dort bleiben, wäre das konservatives Handeln", sagte der Führer der Grünen, Alfonso Pecoraro Scanio. Italienische Truppen im Irak zu belassen bedeute, "die Haltung der amerikanischen Rechten und von Bush zu unterstützen. Nur der Rückzug kann die Rechte zur Einsicht zwingen, dass der Weg für die UN freigemacht werden muss", sagte er.

Francesco Rutelli, der Führer von Margherita (einer Koalition der italienischen Oppositionsparteien), erklärte: "Heute ist es notwendig, dass wir alle gegen den Krieg im Irak sind, und wir sollten uns erinnern, dass unser Ziel darin besteht, die UN so schnell wie möglich hineinzubringen, damit eine Wende vorbereitet werden kann, die dazu beitragen wird, den Terrorismus effektiver zu bekämpfen."

Die Regierungsparteien reagierten ärgerlich auf die Demonstration vom Samstag und erklärten, sie sei Wasser auf die Mühlen des Terrorismus. "Genug der Friedensmärsche", ereiferte sich Roberto Calderoli, ein Führer der Lega Nord und Vizepräsident im Senat. "Es ist möglich, dass einige heute... in gutem Glauben für Frieden demonstrieren, aber es ist eine Tatsache, dass Demonstrationen dieser Art nur den Terroristen nützen", sagte er.

Und Marco Follini, der Führer der Christdemokratischen Union (UDC), die ebenfalls Mitglied der Regierungskoalition ist, erklärte, die Feinde seien doch nicht "auf der andern Seite des Atlantiks oder im Palazzo Chigi [dem italienischen Regierungssitz], sondern in den Höhlen von Afghanistan zu finden".

Die Regierung hatte umfangreiche Polizeikräfte mobilisiert, um Regierungsgebäude und staatliche Einrichtungen, darunter auch Berlusconis römische Residenz, zu schützen, und über den Köpfen der Demonstrationsteilnehmer kreisten die Polizeihubschrauber.

Siehe auch:
Hundreds of thousands join in international protests against Iraq war
(22. März 2004)
Die weltweiten Massendemonstrationen vom 15. Februar 2003 waren ein historischer Wendepunkt
( 18. Februar 2003)