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Nach der Zerstörung von Falludscha: US-Besatzungstruppen werden aufgestockt

Von Joseph Kay
9. Dezember 2004
aus dem Englischen (3. Dezember 2004)

Am 1. Dezember gab das Pentagon bekannt, dass die Zahl der im Irak stationierten Soldaten im Lauf des Januar 2005 um 12.000 erhöht wird. Damit wird mit 150.000 Soldaten der bisher höchste Stand erreicht. Die Entscheidung, die Besatzungskräfte zu verstärken, geht mit einer verschärften Kampagne zur Unterdrückung des Widerstands der irakischen Bevölkerung einher.

Die Aufstockung erfolgt großenteils durch eine Ausdehnung der Dienstzeit der bereits im Irak stationierten Truppen. Davon betroffen sind 3.500 Angehörige der Zweiten Brigade der Ersten Kavalleriedivision, deren Dienstzeit bereits um zwei Monate verlängert worden war. Neben Einsätzen in Bagdad war die Division im November auch am Angriff auf Falludscha beteiligt.

Das Pentagon bezeichnet die Erhöhung der Truppenstärke zwar als Schritt, um im Vorfeld der für Ende Januar vorgesehenen Wahlen die "Sicherheit" zu gewährleisten, doch in Wirklichkeit bedeutet die Maßnahme etwas anderes. Mit dem Angriff auf Falludscha eröffnete das amerikanische Militär eine Großoffensive, mit dem der irakische Widerstand durch den Einsatz überwältigender Gewalt erdrückt werden soll.

Die Zerstörung und die vielen Toten haben den Widerstand in der irakischen Bevölkerung weiter angefacht, was den Einsatz zusätzlicher Soldaten erforderlich macht. Das Muster ähnelt dem aus den frühen Tagen des Vietnamkrieges: Widerstand führt zum Einsatz von mehr Soldaten, die Eskalation des Krieges wiederum zu verstärkter Opposition. Washingtons einzige Antwort auf die durch die Besatzung hervorgerufene Feindschaft der Massen besteht in einer ständigen Verschärfung der Repression und noch mehr Blutvergießen.

Die Erhöhung der Truppenzahl deutet darauf hin, dass für das amerikanische Militär nicht alles so glatt läuft, wie es die amerikanischen Medien oft darstellen. Mehr als drei Wochen nach Beginn des Sturms auf Falludscha, und selbst, nachdem das US-Militär große Teile der Stadt in Schutt und Asche gelegt hat, gibt es dort immer noch Kämpfe. Der Widerstand in Bagdad und anderen Teilen des sogenannten sunnitischen Dreiecks, wie auch in der nördlich gelegenen Stadt Mossul, hat sich verstärkt.

Den US-Besatzern ist es nicht gelungen, nennenswerte Unterstützung in der irakischen Bevölkerung zu gewinnen. Selbst die von ihnen ausgebildeten Sicherheitskräfte haben in vielen Fällen ihre Posten verlassen, wenn sie mit Widerstandskämpfern konfrontiert waren. Die Financial Times zitiert einen amerikanischen Offizier, der einen Grund für die Notwendigkeit zusätzlicher Soldaten darin sieht, dass Posten in irakischen Polizeistationen besetzt werden müssen.

Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die Zahl der Truppen wieder reduziert wird; und auch nach den Wahlen wird sie wohl nicht unter den neuen Höchststand fallen. Richard Stark, pensionierter Oberst und Militärexperte beim Centre for Strategic and International Studies, bemerkte: "Das [Verteidigungs-]Ministerium setzt die Streitkräfte zurückhaltend und so vorsichtig wie möglich ein, dennoch werden wir wohl für über ein Jahr kaum von den 150.000 Mann herunterkommen."

Wahrscheinlicher ist es sogar, dass in den kommenden Monaten noch mehr Truppen aufgeboten werden. Mehrere bekannte amerikanische Politiker, darunter die republikanischen Senatoren John McCain und Richard Luger, und auch die New York Times, das führende Organ des liberalen Establishments , haben mehr als die vom Pentagon genannten 12.000 Soldaten gefordert. Die militärische Strategie wird unausweichlich zu einer immer stärkeren Konzentration der Streitkräfte führen und es schließlich notwendig machen, das Militär zu vergrößern und die allgemeine Wehrpflicht einzuführen.

Falludscha - eine zerstörte Stadt

Viele der neuen Truppen werden zur Verstärkung der amerikanischen Militärpräsenz in Falludscha eingesetzt werden. Über die Stadt ist praktisch eine Nachrichtensperre verhängt worden, da die einzigen Reporter in das amerikanische Militär "eingebettet" sind. Klar ist aber, dass die amerikanische Armee die einstige Stadt von 250.000 Einwohnern stark verwüstet hat.

Einer der wenigen Berichte, die in der amerikanischen Presse erschienen sind, gibt einen Eindruck vom Ausmaß der Zerstörung. Robert Worth schrieb in der N ew York Times vom 1. Dezember ("Große Pläne und drohendes Chaos in den Ruinen von Falludscha"), das Militär stehe nun einer "ungewöhnlichen Herausforderung gegenüber: Wie gewinnt man das Vertrauen von Menschen zurück, deren Stadt man gerade zerstört hat".

Die Aussage, dass Falludscha "zerstört" worden sei - ein Begriff, der vorher von den amerikanischen Medien nicht verwendet wurde - ist bemerkenswert. Selbst unter den Bedingungen außerordentlicher Selbstzensur schleicht sich die Wahrheit über die enorme Verwüstung der irakischen Stadt langsam in die etablierte Presse ein. Liest man zwischen den Zeilen, bekommt man ein Bild davon, was für ein gigantisches Verbrechen da stattgefunden hat.

"Das volle Ausmaß des von amerikanischen Bomben, Panzern und Artilleriegeschossen angerichteten Schadens wird erst jetzt sichtbar", fährt Worth fort. "Die Zahl der im Lauf der Kämpfe zerstörten Gebäude ist laut Ingenieuren und Kommandeuren weitaus höher als die letzte Woche vom irakischen Premierminister Iyad Allawi angegebene Zahl von 200. Die Stromversorgung der Stadt ist so schwer beschädigt, dass die Kabel herausgerissen und komplett neu verlegt werden müssen."

Der Autor gibt keinen Hinweis darauf, wie viele Gebäude tatsächlich von amerikanischen Bomben und bei der anschließenden Invasion zerstört worden sind. Andere Schätzungen vermuten, dass bis zu einem Drittel der Gebäude der ganzen Stadt ernstlich beschädigt oder zerstört worden sind. Die amerikanische Taktik während des Einmarsches bestand darin, jedes Gebäude, in dem Widerstandskämpfer vermutet wurden, dem Erdboden gleichzumachen.

Viele Einwohner der Stadt, die rechtzeitig flüchten konnten, hausen nun in armseligen Lagern in der Umgebung. Der Artikel in der Times machte deutlich, dass viele dieser Flüchtlinge über Monate nicht zu den Überresten ihrer Häuser werden zurückkehren können. Diejenigen, die zurückkehren, werden praktisch in eine Art großes Konzentrationslager gepfercht, das von amerikanischem Militär bewacht wird.

Worth schreibt: "Einige amerikanischen Offiziere hier sind skeptisch, ob es möglich sein wird, mehr als eine kleine Zahl von Einwohnern vor den Regionalwahlen im Januar zurückkehren zu lassen."

Den Rückkehrern wird man Bedingungen des Kriegsrechts aufzwingen. "Jeder Haushaltsvorstand wird ein Erkennungszeichen tragen müssen", so Oberst John Ballard, der Kommandeur der Vierten Gruppe für Zivile Fragen der Marines, "und amerikanische und irakische Truppen werden spezielle Anweisungen zur Bekämpfung von Diebstahl erhalten". Während der Oberst nicht erläuterte, worin diese "Anweisungen" bestehen, hat NBC News berichtet, dass das Militär sich das Recht herausnehmen wird, auf alles zu schießen, was sich bewegt.

Der Transport in der Stadt wird strikter Kontrolle unterworfen. "Zunächst wird man keine Autos in der Stadt erlauben, um Bombenanschläge zu verhindern. Stattdessen wird ein kostenloses Bussystem eingerichtet. Welches System auch immer eingerichtet wird, es wird unter Kontrolle der amerikanischen Besatzer stehen. Damit werden Iraker sich nicht ohne Genehmigung der USA durch die Stadt bewegen können."

Worth bemerkte außerdem ganz nebenbei: "Um die Wirtschaft der Stadt wiederzubeleben, werden die Marines alle Rückkehrer mit entsprechenden Fähigkeiten dazu anhalten, eine Arbeit in Wiederaufbau-Projekten anzunehmen." Mit anderen Worten, nachdem sie ihre Stadt verwüstet, Tausende ihrer Bewohner massakriert und weitere Tausende verhaftet haben, werden die Militärs die Rückkehrer zwingen, an amerikanisch kontrollierten "Wiederaufbau"-Projekten teilzunehmen.

Der Orwell’sche Charakter des amerikanischen Projektes kommt hier deutlich zum Vorschein. Im Namen von "Operation Irakische Freiheit" baut das amerikanische Militär, soweit es dazu in der Lage ist, einen Polizeistaat auf, der eine totalitäre Kontrolle über die Bevölkerung errichtet.

Setzen die USA chemische Waffen ein?

Die US-Streitkräfte führen immer noch in manchen Stadtteilen Operationen gegen irakische Kämpfer durch. Viele arabischen Medien und Augenzeugen haben berichtet, dass sie dabei chemische Waffen - einschließlich Napalm - einsetzen, um jede noch verbliebene Opposition auszulöschen.

Laut einem Bericht von Pepe Escobar auf der Website der Asia Times hat sich folgendes abgespielt: "Ärzte in Falludscha haben aufgeblähte oder gelbfarbene Leichen ohne jegliche Verletzung entdeckt, sowie,geschmolzene Körper’ - Opfer von Napalm, dem furchtbaren Gemisch von Polystyrol und Flugzeugtreibstoff. Unsere Quellen bestätigen Aussagen von Einwohnern, die der Bombardierung des Jolan-Viertels mit,giftigen Gasen’ entkommen konnten. Ein Einwohner mit Namen Abu Sabah berichtete von,schlimmen Bomben, die eine pilzartige Rauchwolke verursachen... und dann kommen kleine Stücke aus der Luft, die lange Rauchwolken hinter sich herziehen. Die Stücke dieser seltsamen Bomben explodieren in große Feuerbälle, die deine Haut selbst dann verbrennen, wenn du sie mit Wasser löschen willst’. Genau das passiert, wenn Menschen mit Napalm oder weißem Phosphor bombardiert werden."

Al Quds Press zitiert ungenannte Quellen aus dem Widerstand: "Die US-Besatzer setzen Gas und andere international geächtete chemische Waffen gegen Widerstandskämpfer ein."

Al Jazeera zitierte Ibrahim al-Kubaisi, einen Arzt aus Bagdad, der einen medizinischen Konvoi begleitete und von den amerikanischen Truppen nicht nach Falludscha hineingelassen wurde. Al-Kubaisi erklärte: "In Falludscha findet ein furchtbares Verbrechen statt, und sie wollen nicht, dass irgend jemand davon erfährt. Ich habe vier Verletzte aus dem jordanischen Feldlazarett [in der Nähe von Falludscha] in ein Krankenhaus nahe Bagdad gebracht. Sie haben mir gesagt, was für ein Verbrechen stattfindet, es werden chemische Waffen eingesetzt. Die US-Truppen erlauben den Leuten zwar den Zugang in das Gebiet al-Hadra al-Muhammadija in Falludscha, aber sie verbieten allen, nach al-Julan, al-Askari und al-Senai zu gehen [wo noch Kämpfe stattfinden]."

Der Sprecher des Irakischen Roten Halbmonds Muhammad al-Nuri schätzt, dass etwa 6.000 Menschen getötet wurden, viele davon Zivilisten. Er sagte der BBC, wegen der vielen Leichen auf den Straßen sei es schwer, sich in der Stadt zu bewegen.

Al-Nuri erklärte: "Überall kann man Leichen sehen, und die Menschen, die die Essenspakete [vom Irakischen Roten Halbmond] erhielten, brachen in Tränen aus. Es ist sehr traurig, es ist eine menschliche Tragödie."

Es ist unmöglich, ohne Zugang zur Stadt die Zahl der Toten genau zu bestimmen. Einigen Berichten zufolge hat das amerikanische Militär bereits viele Beweise in Massengräbern verschwinden lassen.

Manche Stadtteile konnten erst letzte Woche Hilfslieferungen empfangen. Von Beginn der Invasion bis dahin hatte das US-Militär jeder Hilfeleistung das Durchkommen zu den belagerten Einwohnern Falludschas verweigert.

Laut einem Bericht von Al Jazeera wurde die Hilfe schließlich doch durchgelassen, um den Einwohnern eine Falle zu stellen. Die Nachrichtenagentur zitiert einen Bewohner von Falludscha, laut dem die US-Truppen alle Familien aufgerufen haben, zum Zentrum des Roten Halbmonds zu gehen und dort Hilfslieferungen in Empfang zu nehmen. "Nachdem die Menschen dann im Zentrum des Roten Halbmondes angekommen waren, um die Hilfslieferungen abzuholen, umzingelten die US-Truppen das Gebäude und ließen niemand mehr heraus. Später durften dann nur die Frauen und Kinder sowie Männer unter 15 und über 55 wieder gehen."

Siehe auch:
Weitere US-Luftangriffe auf Falludscha
(2. Oktober 2004)
USA begehen Kriegsverbrechen in Nadschaf
( 14. August 2004)