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Irakkrieg

50.000 demonstrieren in Brüssel

Von Marianne Arens
18. März 2003

Brüssel, 15. März 2003: Erneut strömen 50.000 Menschen in die Innenstadt, um gegen den drohenden Irakkrieg zu demonstrieren.

Keiner weiß so recht, wer die Initiative dazu ergriffen hat - seit einigen Tagen ist der Treffpunkt "Samstag um zwei Uhr am Gare du Nord" auf den Internet-Seiten mehrerer Friedensgruppen, linker Organisationen und von Attac-Belgien zu lesen. Dies reicht, um die zentrale Achse der Stadt - vom Nordbahnhof zum Gare du Midi - an diesem Nachmittag mit einem Meer von Menschen zu überschwemmen, die selbstgemalte Transparente, Plakate und bunte Kostüme tragen.

Neben den verschiedensten Friedens- und Protestinitiativen bestimmen Familien, ganze Schulklassen und Jugendgruppen das Bild. Die Demonstration ist international: Die Forderung "Kein Krieg für Öl" wird auf französisch, flämisch, spanisch, türkisch, arabisch und englisch vorgetragen und oft auf weitere Slogans ausgedehnt wie: "Freies Palästina, Sharon vor das internationale Strafgericht", "Cola, Marlboro, Pepsi, Nestlé, Mars und Ariel finanzieren den Krieg", "Morgen sind wir alle Iraker". Weitere Aufschriften lauten: "Bush und Blair: Die Geschichte hat viele Lehren - aber keine Schüler".

Die Forderung "Keine logistische Unterstützung Belgiens für die US-Armee!" richtet sich an die belgische Regierung, eine Ampelkoalition von Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen. Bei der ersten Massendemonstration vor einem Monat, am 15. Februar, wurden Sprecher der Sozialistischen Partei PS hier mit Eiern beworfen. Diesmal gibt es überhaupt keine Rednertribüne und keine offiziellen Sprecher.

Delegationen der Regierungsparteien, vor allem der PS, aber auch der belgischen Gewerkschaften, marschieren im Zug mit, nachdem der Aufruf des europäischen Gewerkschaftsbunds zum 15-minütigen Streik am vorhergehenden Freitag von den Hafenarbeitern von Antwerpen massiv befolgt worden ist. Am Freitag, 14. März ist in Antwerpen sowohl im Hafen als auch bei den Opelwerken die Arbeit zum Erliegen gekommen, während die Sirenen heulten und Kirchenglocken läuteten. Nach wie vor spielen Regierungspolitiker die Nutzung des Antwerpener Hafens durch die US-Armee als "Routinetransporte" herunter, "une mission normale", wie es der Verteidigungsminister und PS-Führer Jean-Marie Flahaut bezeichnet hat.

Im Zentrum von Brüssel blockiert die Menge symbolisch die Börse, um die schnellen Geschäfte mit dem Krieg anzuprangern: In den letzten Tagen war die Presse voller Berichte darüber, dass die überwiegende Mehrheit der Börsianer weltweit auf einen schnellen, kurzen Krieg hoffe. Ein großes weißes Transparent weht vor der Börse, darauf steht: "Stellt Briefträger ein und keine Soldaten".

Unser Team, das den Aufruf des WSWS ("Vor welchen Aufgaben steht die Bewegung gegen den Krieg?", 11. Februar 2003) in französischer und holländischer Sprache verteilt, fragt die Teilnehmer, was sie davon halten, den Kampf gegen Krieg mit dem sozialen Kampf gegen Arbeitslosigkeit und Sozialabbau zu verbinden, und erhält große Zustimmung zu dieser Forderung.

Eine junge Frau aus Liège berichtet, dass in ihrer Stadt der traditionsreiche Stahlbetrieb Coquerilles (2.000 Beschäftigte) im nächsten Jahr geschlossen werden soll. Über 10.000 Familien werden in dieser Region, die jetzt schon von über zwanzig Prozent Arbeitslosigkeit gezeichnet ist, direkt oder indirekt davon betroffen sein.

Amri und Brasi Ahmed aus Marokko unterstützen die Forderung, dass die Arbeiter sich international zusammenschließen müssen, und nicht auf Chirac, Schröder und andere europäische Politiker hoffen dürfen. Sie berichten uns von der hohen Arbeitslosigkeit in der Hauptstadt Brüssel und den Schwierigkeit junger Menschen, eine vernünftige Arbeit statt bloß brotloser Minijobs zu erhalten, besonders wenn es sich um Menschen ausländischer Herkunft handelt.

Ein älterer Arbeiter aus Turnhout in Flandern ist mit anderen Senioren nach Brüssel gekommen, weil, wie er erklärt, seine Gegend Schauplatz zweier Kriege im letzten Jahrhundert war. Es befinden sich dort zahlreiche Soldatenfriedhöfe: "Einige von uns haben den letzten Weltkrieg noch selbst mitgemacht. Deshalb sind wir heute hier."

Siehe auch:
Die weltweiten Massendemonstrationen vom 15. Februar waren ein historischer Wendepunkt
(18. Februar 2003)
Vor welchen Aufgaben steht die Bewegung gegen den Krieg?
( 11. Februar 2003)