Köln: Schwarz-grün plant sozialen und kulturellen Kahlschlag
Von Dietmar Henning
30. Mai 2003
Der schwarz-grün regierten Stadt Köln steht eine Kürzungsorgie bevor, wie sie Deutschland bislang noch nicht erlebt hat. Die Stadtverwaltung schlägt vor allem im sozialen und kulturellen Bereich einen fast vollständigen Kahlschlag vor.
Als CDU und Grüne Anfang Februar zum ersten Mal in einer Millionenstadt eine Koalitionsvereinbarung unterzeichneten, sprach der grüne Ratsfraktionsvize Jörg Frank von einem "schwarz-grünen Notstandsregime", das den "härtesten Sparkurs seit dem Zweiten Weltkrieg" bewältigen müsse. Im Koalitionsvertrag vereinbarten die beiden Parteien weitreichende Einsparungen in nahezu allen Bereichen des städtischen Lebens. Nun hat die Stadtverwaltung unter CDU-Oberbürgermeister Fritz Schramma und Kämmerer Peter-Michael Soénius (CDU) diese Vorgaben in einem fast 400-seitigen Haushaltsicherungskonzept, das bis ins Jahr 2007 reicht, in gut 8.000 Punkten konkretisiert.
Auf diese Weise sollen die Kassen der Metropole, die in den vergangenen Jahren durch den kölschen "Klüngel" (Korruption), die Steuergesetze der rot-grünen Bundesregierung und die Wirtschaftsflaute geleert worden sind, auf Kosten der Bevölkerung wieder gefüllt werden. Laut einer Studie des Bunds der Steuerzahler zählt Köln zu den fünf Großstädten, die allein 53 Prozent des bundesweiten Gewerbesteuer-Rückgangs zu tragen haben.
Oberbürgermeister Schramma gewinnt dem bevorstehenden Kahlschlag dennoch positive Seiten ab. Im Fernseh-Magazin Monitor erklärte er: "Wir müssen gemeinsam jetzt sehen, wie wir diese schlimme Situation bewerkstelligen. Das heißt für uns konkret, jedes Jahr 55 Millionen strukturell wegsparen. Das bringt Härten, bietet aber auch die Chance, sich zu konzentrieren und manches, was vielleicht bisher als Ballast mitgeschleppt worden ist, zu eliminieren."
Im Folgenden eine - stark gekürzte - Zusammenstellung von dem, was der Christdemokrat Schramma als "Ballast" bezeichnet.
Soziales
Im Sozialbereich, man kennt dies inzwischen, sparen die hochdotierten Berufspolitiker bevorzugt bei den sozial Schwachen - bei Sozialhilfeempfängern, Flüchtlingen, Senioren, Jugendlichen, Schülern, Behinderten, Arbeitslosen, und Kranken.
Das Haushaltssicherungskonzept sieht vor, dass an jeder zweiten Schule die Hausmeister abgezogen werden. Die Schulsozialarbeit ist genauso von der Streichung bedroht wie die Förderung von Ganztagesangeboten; die Nachmittagsbetreuung wird komplett abgeschafft. Die Hochbegabtenförderung an Grundschulen wird eingestellt. Auch die Hortplätze der Stadt werden wohl allesamt geschlossen. Kaum noch Geld soll es für das Schul- und Vereinsschwimmen geben. Das Waldschwimmbad muss wohl bald seine Tore schließen. Auf Vereine und Organisationen kommen höhere Mieten für stadteigene Häuser, Sportanlagen und -einrichtungen zu. Viele Sportanlagen werden wohl stillgelegt - mangels Instandsetzung.
Die Geschäftsstellen der Volkshochschule in den Stadtteilen Ehrenfeld, Chorweiler, Rodenkirchen, Kalk, Mülheim und Porz werden aufgegeben, die Tageskollegs Mülheim und Nippes, an denen bislang Arbeitslose Schulabschlüsse nachholen, aufgelöst.
Jeder dritte Kinderspielplatz soll geschlossen werden, weil sie "nur wenig bis gar nicht angenommen werden".
Die Familien-Beratungsstellen in den Stadtteilen Rodenkirchen, Mülheim, Porz und Chorweiler-Nord werden aufgegeben und der Familienpass für verbilligte Eintrittskarten ist bald Vergangenheit. Die Finanzierung der Schwangerschaftsberatungsstelle wird bis 2005 auf Null zurückgefahren, die Zuschüsse für die Frauenhäuser radikal zusammengestrichen. Gleiches droht der Kölner AIDS-Hilfe.
Besonders stark trifft es die Kölner Drogen-Hilfsprojekte. Der Drogenkonsumraum, eingerichtet vor zwei Jahren, um die offene Drogenszene in der Stadt aufzulösen, wird 2004 geschlossen, ein zweiter erst gar nicht eingerichtet.
Der Behindertenfahrdienst wird komplett eingestellt.
Drei bis vier Jugendzentren werden demnächst wohl ihre Türen schließen, und die Seniorenclubs sollen einen großen Teil ihrer Förderung verlieren. Auffallend ist, dass es die Stadtteile, die als soziale Brennpunkte gelten, am schlimmsten trifft. Vor allem die ehemaligen Kölner Arbeiterbezirke, in denen heute jeder Fünfte arbeitslos ist, sind betroffen. In Köln-Vingst zum Beispiel, wo der Ausländeranteil bei knapp 40 Prozent liegt, könnte der Bürgertreff den Sparzielen von CDU und Grünen zum Opfer fallen. Sozialarbeit in diesen sogenannten "Problembezirken" ist gar nicht mehr vorgesehen.
Ein sehr großes Sparpotenzial stellt laut Stadtverwaltung offensichtlich auch die Versorgung von Flüchtlingen dar. Bei Asylbewerbern sollen noch in diesem Jahr 685.000 Euro eingespart werden. Unter dem Posten "Ausländer ohne Aufenthaltsberechtigung" findet man die Einsparungen von 1,715 Millionen im Jahr 2004. Hier soll insbesondere das Flüchtlingsschiff im Deutzer Hafen aufgegeben werden - der Mietvertrag läuft aus. Die dort untergebrachten Flüchtlinge, überwiegend Roma, sollen dann an Land einquartiert werden.
Kultur
Köln bewirbt sich als Kulturhauptstadt Europas für das Jahr 2010. Das hat der Stadtrat noch am 27. März 2003 beschlossen. Wie dies mit den angekündigten Kürzungen einhergehen soll, wissen wohl nur die Grünen und Christdemokraten.
Die weltbekannten Kölner Museen müssen zukünftig auf Millionen verzichten. Höhere Eintrittspreise sollen 285.000 Euro in diesem und 570.000 Euro im nächsten Jahr einbringen. Fast alle Stadtteilbibliotheken sollen geschlossen werden, die Medienbibliothek will Köln sich ebenfalls nicht mehr leisten. Und auch die Blindenbibliothek, ein einmaliges Angebot für die gesamte Region, schließt wohl ihre Pforten. Selbst die Kunst- und Museumsbibliothek, die in Europa ihresgleichen sucht, wird geschlossen.
Unvermittelt trifft es die Theaterbühnen der Stadt, wie z. B. die Kinderoper. Vor acht Jahren gegründet, droht jetzt das Aus - trotz guter Besucherzahlen. Das Hänneschen-Theater soll, wie viele andere öffentlichen Einrichtungen auch, die Eintrittspreise erhöhen. Für mehrere kleinere Bühnen der Stadt, nicht selten umfunktionierte alte Industriehallen, heißt es endgültig "Vorhang zu". Die Betreiber, Künstler und Besucher der Halle Kalk gehören genauso zu den Spar-Opfern wie die des Westendtheaters oder der Schlosserei.
Kahlschlag auch in der freien Theaterszene. Nicht einen Euro soll es hierfür ab 2004 mehr geben.
Sollte es tatsächlich zu dieser Zerstörung kultureller Einrichtungen und Strukturen, ja der gesamten kulturellen Infrastruktur kommen, dürfte der Verlust unwiederbringlich sein.
Weitere Kürzungen
Die Stadt will auch bei sich selbst sparen, was nichts anderes als Personalabbau im öffentlichen Dienst heißt. In der städtischen Verwaltung möchten die Oberverwalter bis 2007 noch 60 Millionen Euro einsparen. Durch Personalabbau sollen bis Jahresende bereits 1,736 Millionen Euro eingespart sein. Außerdem sollen durch die Streichung von 35 ABM-Kräften noch in diesem Jahr 250.000 Euro eingespart werden. Nicht nur die dann arbeitslosen und die verbleibenden Angestellten, auf die eine höhere Arbeitsbelastung zukommt, sind hier die Verlierer. Auch die Kölner Bevölkerung muss sich in Zukunft auf die Zusammenlegung von Behörden und damit auf längere Wege und Wartezeiten einrichten.
Die Gewächshäuser im Botanischen Garten werden abgerissen. Auch die beiden Wildparkgehege im Stadtwald und in Köln-Brück werden geschlossen, die Tiere - "soweit möglich" - an andere Institutionen abgegeben.
Die Einsparungen im Infrastrukturbereich haben es ebenfalls in sich. Ein großer Teil der Straßen soll nicht mehr ausgebessert werden, die Pflege der Grünanlagen wird auf ein Minimum reduziert. Auch für die Geh- und Radwege wird es kaum noch Geld geben. Viele Fußgängerampeln und -überwege werden demnächst wohl abgebaut und das Luftmess-System der Stadt komplett abgeschafft. Die Straßenbeleuchtung wird demnächst eine halbe Stunde früher ausgeschaltet.
CDU und Grüne beschlossen auch, die Vergnügungssteuer, die bislang nur Spielhallen entrichten, für Bordelle zu erheben. Man erahnt bereits die Zoten in den noch zahlreich vorhandenen Kölner Kabaretts. Auch die Einstellung der Abteilung "Korruptionsvermeidung" - in der Stadt, die den Begriff "Klüngel" prägte! - wird noch Thema auf so mancher Bühne sein.
Mehrere Millionen will die Stadtverwaltung durch stärkere Verkehrskontrollen einnehmen. Zu diesem Zweck werden zwei neue Radarwagen angeschafft, zwanzig neue Politessen eingestellt und die Parkgebühren erhöht.
Die Studenten an der größten deutschen Universität wird die Einführung der Zweitwohnungssteuer treffen: Fast 1,5 Millionen Euro sollen so in den nächsten anderthalb Jahren in die Stadtkasse gespült werden.
Verschonung der Unternehmen
Die angestrebten Kürzungen sind beispiellos. Die Kölner Lokalpolitiker von CDU und Grünen scheinen völlig den Kopf verloren zu haben. Dabei versuchen sie die Kürzungen mit Verweis auf die leeren Kassen als alternativlos darzustellen und betonen ständig, dass die katastrophale finanzielle Lage der Stadt zwangsläufig "Einschnitte bei allen" zur Folge habe.
Doch sind mit "Allen" nicht die Unternehmen und Banken, sondern ausschließlich die Bevölkerung gemeint. Im letzten Jahr zahlte die Stadt rund 200 Millionen Euro für den Schuldendienst - drei Viertel davon für Zinsen, nur ein Viertel für Tilgungsraten. Selbstverständlich kommt nicht einer der grünen Stadträte auf die Idee, die Banken könnten auch ihren Anteil tragen.
Und die privaten Unternehmen in Köln? Werden sie die Konsequenzen der Finanzmisere spüren? Weit gefehlt. CDU und Grüne wollen den Gewerbesteuer-Hebesatz, der seit 16 Jahren nicht erhöht worden ist, belassen wie er ist. "Das", so der Grüne Frank, "stand nicht zur Debatte." Dafür verweist Frank darauf, dass die vorliegende Sparliste nur ein Konzept der Verwaltung sei. Die Politiker müssten nun Schwerpunkte setzen. Kommen sie zum Schluss, einige Kürzungen so nicht durchzusetzen, müssten sie aber auch sagen, wo an anderer Stelle noch mehr gespart werden müsse.
So werden Grüne und CDU die kommenden drei Wochen bis zur Verabschiedung des Doppelhaushaltes 2003/2004 vor allem nutzen, um eine Scheindebatte über die Kürzungen zu führen, um sie letztendlich zu verabschieden. Denn die Streichung einer Kürzung an einer Stelle bedingt nach ihren Vorstellungen Einsparungen an einer anderen. Nur eins ist sicher: Die Zeche bezahlt die Bevölkerung.