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Wachsende Opposition gegen die UCK im Kosovo

Von Chris Marsden
28. Oktober 1999
aus dem Englischen (27. Oktober 1999)

Die Befreiungsarmee des Kosovo UCK, die unter der Aufsicht der NATO die Macht übernommen hat, stößt auch unter der albanischen Mehrheit der Bevölkerung auf zunehmende Opposition.

Mehrere Meinungsumfragen ergaben, dass die Partei des demokratischen Fortschritts, die der UCK-Führer Hashim Thaci gegründet hat, massiv an Unterstützung verloren hat. Als Gründe gelten Empörung über das rücksichtslose Machtmonopol der UCK und über die von ihr geförderten Gewaltakte gegen Serben und Roma sowie gegen politische Gegner innerhalb der albanischen Bevölkerung.

Einige Umfragen gehen davon aus, dass die UCK bei Regionalwahlen auf sämtlichen Ebenen geschlagen würde, und dass Ibrahim Rugova, der Vorsitzende der Demokratischen Liga des Kosovo, Thaci im Falle von Präsidentschaftswahlen mit Leichtigkeit überflügeln würde. Rugova ist Thacis wichtigster Rivale innerhalb der nationalistischen Bewegung des Kosovo. Er stand an der Spitze eines zehn Jahre währenden passiven Widerstands gegen die serbische Regierung, wurde jedoch abserviert, als die USA in den Monaten vor Beginn ihres Krieges gegen Serbien im vergangenen Frühjahr die UCK zu ihrem Partner erhoben.

Eine Umfrage kam zu dem Ergebnis, dass Rugova Thaci im Verhältnis 4 zu 1 schlagen würde. Eine weitere Umfrage unter 2500 Wählern ergab, dass Rugova bei einer Stichwahl gegen Thaci 92 Prozent erhalten würde. Die Unterstützung für die UCK liegt selbst in deren früheren Hochburgen, wie etwa Thacis Hauptsitz im Gebiet von Drenica im Zentrum des Kosovo, im einstelligen Prozentbereich.

Am 2. April, während der zweiten Woche des NATO-Bombardements, war als Frontorganisation der UCK die Provisorische Regierung des Kosovo geschaffen worden. Bis Ende Juli weitete sie ihre Kontrolle auf alle Städte und Kommunen aus. Nach einer Resolution des Sicherheitsrates der UN üben die Vereinten Nationen die Regierungsgewalt aus und erkennen Thacis Regierung nicht offiziell an. Doch weder UN noch NATO schreiten gegen die UCK ein, und die UN haben UCK-Kämpfer in das Schutzkorps für den Kosovo (KPC) aufgenommen, das als offizielle Polizei bevollmächtigt ist.

Unter den Augen des sogenannten Innenministeriums der UCK entfesselten sowohl die KPC als auch weniger offizielle Einheiten der UCK eine Welle von Gewalt gegen Serben. Mitte Oktober beispielsweise endete eine Demonstration von Albanern in Mitrovice in einer Gewaltorgie gegen Serben, die von der UCK angezettelt wurde. Bereits zuvor war Walentin Krumow, ein belgischer Mitarbeiter der UN, von einer Gruppe albanischer Jugendlicher ermordet worden. Als er ihre Frage, wie spät es sei, in serbischer Sprache beantwortete, traten und schlugen sie ihn, bevor sie ihn vor einer johlenden Menge in den Kopf schossen. Die UCK hat Listen mit den Namen von Serben ausgehängt, die sie wegen Kriegsverbrechen verdächtigt, und zum Selbstschutz aufgerufen.

Angriffe auf Serben sowie Roma werden regelmäßig durchgeführt, um UCK-Mitglieder, die oftmals in kriminelle Machenschaften im Drogenhandel, in der Prostitution oder auf dem Schwarzmarkt verwickelt sind, mit Wohnraum zu versorgen. Die Zeitungen berichten von jungen UCK-Soldaten mit dicken DM-Bündeln und teuren Autos, die sich der öffentlichen Gebäude und serbischen Häuser bemächtigen, um die ansässige Bevölkerung herumzukommandieren.

Die Lage der Roma ist nicht besser. Von einstmals 40.000 Angehörigen dieser Volksgruppe sind noch etwa 800 geblieben, die in einem Flüchtlingslager außerhalb der Provinzhauptstadt Pristina leben. Ausnahmslos alle Roma sind von den Kosovo-Albanern aus ihren Häusern vertrieben worden und sehen einem harten Winter in Zelten entgegen.

Androhungen von Gewalt sind an der Tagesordnung - sei es gegen Anhänger Rugovas oder gegen Frauen, die sich mit ausländischem UN-Personal oder Beschäftigten von Hilfsorganisationen treffen. Die UCK ließ durchblicken, dass sie bereits prüfe, welchen Parteien die Teilnahme an künftigen Wahlen gestattet werden soll.

Der Winter wird die Spannungen innerhalb der albanischen Bevölkerung verschärfen. Während sich die UCK-Generäle die Taschen füllen, soll der Wiederaufbau der 100.000 Häuser, die während des Krieges zerstört oder schwer beschädigt worden sind - das sind 65 Prozent aller Häuser des Kosovo - erst im kommenden Frühjahr beginnen. Hunderttausende werden möglicherweise in provisorischen Unterkünften bitterer Kälte ausgesetzt sein.

Ein Mitarbeiter einer Hilfsorganisation vor Ort schätzt, dass rund 500.000 Menschen noch nicht wissen, wo sie den Winter verbringen werden. Seit dem Ende des Krieges am 12. Juni hat sich die Bevölkerungszahl von Pristina auf 200.000 verdoppelt. Die Strom- und die Wasserversorgung brechen immer wieder zusammen. Dazu kommt der Mangel an Unterkünften und Nahrungsmitteln. Unruhen sind durchaus möglich, besonders, wenn der Zustrom der Landbevölkerung in die überfüllten Städte anhält.

Die NATO-Mächte vermerken die Verschlechterung der Lage mit Sorge. Während seines ersten Besuchs im Kosovo vergangenen Freitag warnte der neue NATO-Generalsekretär George Robertson, das "Recht der Bürgerwehren ist keine Gerechtigkeit, sondern die Rückkehr zu willkürlicher Gewalt. Die NATO wird nicht untätig zusehen, wie ein ethnisch einheitliches Kosovo geschaffen wird."

Noch bezeichnender war eine frühere Äußerung des UN-Generalsekretärs Kofi Annan. Er hatte vor den "einprogrammierten Spannungen" zwischen den ethnischen Albanern und den Vereinten Nationen gewarnt. Erstere wollten ihre Unabhängigkeit, letztere verwalteten das Gebiet als Teil Jugoslawiens.

Das Ziel der UCK sind die Unabhängigkeit und künftige Vereinigung mit Albanien. Annan warnte, dass die verfrühte Abhaltung von Wahlen die separatistischen Tendenzen stärken könnte: "Unser Mandat lautet, das Gebiet als Teil der souveränen Bundesrepublik Jugoslawien zu verwalten, aber diejenigen, die wir verwalten, wollen Unabhängigkeit. Dieser Zwiespalt wird auf der ganzen Linie Probleme mit sich bringen." Am Ende sähen die Albaner die UN möglicherweise noch als "Besatzungsmacht" - mit allen entsprechenden Folgen.

Gegen den Einspruch von UN und NATO reagierten die Führer der Serben auf die ständigen Angriffe der Albaner mit der Ankündigung, sie wollten sichere Enklaven und eine Schutztruppe für die verbliebenen 20.000 bis 100.000 Serben schaffen, um zu verhindern, dass dieser Rest der ursprünglich 200.000 Menschen umfassenden Volksgruppe auch noch aus der Provinz fliehe. Bernard Kouchner, der das Kosovo im Auftrag der UN regiert, bezeichnete diese Pläne als "Verstoß gegen die Vorschriften der UN-Mission und außerdem unnötig".

Während des gesamten Krieges gegen Serbien war die UCK als eine Befreiungsbewegung dargestellt worden, die darum kämpfe, die albanische Volksgruppe von der Vorherrschaft der Serben zu befreien. Ihr wirkliches Programm, nämlich die Vertreibung sämtlicher Minderheiten und die Schaffung eines ethnisch reinen Großalbanien, wurde ebenso vertuscht wie ihre bekannten terroristischen und kriminellen Aktivitäten seit ihrer Gründung 1993.