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Ein Kommentar zum Dortmunder Basisgrün-Treffen

19. Juni 1999

Zum Artikel "Grün-Linkes-Alternatives Netzwerk bereits am Ende" (http://www.wsws.org/de/1999/jun1999/dort-j09.shtml) von Andreas Kuckartz erreichte uns folgendes Schreiben:

Liebe Mitmenschen jeglicher Couleur,

Ich bin ein Gründungsgrüner und nicht erst seit Beginn des Kosovo-Krieges entsetzt, mit welcher Schnelligkeit und Leichtigkeit viele grüne Mandatsträger und -innen programmatische grüne Grundsätze aufgeben, kaum daß sie an irgendeiner Stelle mit an der Macht sind.

Insgesamt kann ich Andreas Kuckartz nur rechtgeben in seiner Einschätzung von dem Dortmunder Basisgrün-Treffen. Ein vermutlicher "Rohrkrepierer" mit denselben Spielchen, Aufgeregtheiten und Betroffenheitsgedusel wie bei Normalgrün. Oder im Jargon der 70iger Jahre: Wenn die Antithese die gleichen Prämissen hat wie die These, so gibt es keine Synthese, weil nämlich die Antithese nur eine verklausulierte These ist.(schön gesagt, gell!).

Eine Standortbestimmung - früher hätten wir Analyse gesagt - wäre in Dortmund vonnöten gewesen, doch Fehlanzeige. Was um Himmelswillen hat denn dazu geführt, daß in Bielefeld eine Mehrheit der programmatischen Öko-Pax-Partei für den Fischer-Kriegs-Kurs stimmte, obwohl das Ergebnis ja eigentlich programmwidrig in einem Grundsatzpunkt war und keine Änderung der Grundstatuten der Grünen erging. Das hätte eine Hauptfragestellung sein müssen in Dortmund. War sie aber nicht! Bielefeld war deshalb eine Zäsur. Dies à la Ströbele noch hin und her zu wenden, ist scheinheilig.

Egal wie man zu der Kosovo-Geschichte steht, die grüne BDK hätte erst mit 2/3-Mehrheit das Grundsatzprogramm ändern müssen, bevor eine Entscheidung zum Jugoslawienkrieg hätte gefällt werden können. Hier wurde ein rechtsstaatliches und demokratisches Grundprinzip verletzt und dem Alltagsgeschäft untergeordnet.

Ich weiß auch, daß dies gängige Praxis bei "regierenden" Grünen auf kommunalen und Landesebenen ist, das macht es aber nicht besser, sondern wirft unausweichlich die Frage auf, was denn strukturell in der grünen Partei falsch läuft. Ein Aufbau eines basisgrünen Netzwerks von Dringebliebenen und Ausgetretenen ist nur dann erst sinnvoll und erfolgversprechend, wenn diese Fragen nach strukturellen Fehlentwicklungen auch zugelassen sind, wie es in Dortmund nicht der Fall war.

Hier ein paar zusätzliche Fragen von mir:

Wieso ist die Partei der GRÜNEN zur größten und schnellsten "UMFALLSTATION" mutiert, obwohl sie sich u.a. als Sammelbecken für nicht-Konformisten gründete?

Ist diese Mutation zu stoppen, was sind Ursachen dafür, welches die Mechanismen?

Woher kommt es, daß trotz des offensichtlichen Verstosses der BdK gegen das eigene Grundsatzprogramm so gut wie kein "Promi" aus Protest ausgetreten ist? (anders als in Jugoslawien ist das hier nämlich völlig risikolos!)

Wenn man/frau über den Ausverkauf der grünen Grundwerte, über den Niedergang einer Partei als Hoffnungsträger und über mögliche Alternativen reden will, muß man/frau schauen, wo die Ursachen liegen/lagen. Und dafür müssen die Dogmen und Tabus der Grünen wieder thematisierbar werden dürfen für alle wertkonservativen, linken und fortschrittlichen Personen in und außerhalb der Grünen. (jedenfalls alle aufrechten und ehrlichmeinenden!)

Dazu gehört meines Erachtens der grundgesetzwidrige Frauenförderwahn, identisch mit offener Männerdiskriminierung, wie sie bei den Grünen seit 91/92 eingeführt wurde (quotierte Redelisten, Frauenvetorecht usw.) Das wie auch immer selbstlegitimierte Podium der ex- oder noch-Grünen in Dortmund gab aber die quotierte Redeliste wie eine Naturgewalt einfach vorab als gesetzt vor. Als dann der Aufruf kam, es mögen sich doch Frauen als Rednerinnen melden, damit die gemeldeten Männer überhaupt reden dürften, hatte ich die Suppe auf und verließ die Versammlung, weil für mich das gleiche unseriöse Spielchen ablief, wie ich das aus meinem Kreisverband gewohnt bin.

Das ist einfach sektiererisch und ein grünes Übel, was in seiner jahrelangen Praxis die Partei und die Menschen darin, ob Frauen oder Männer, in ihrem Rechts- bzw. Unrechtsempfinden so verstümmelt hat, daß die Wahrnehmung von Grundwerten der Verfassung und der eigenen Partei vernebelt und ausgehebelt wurde zugunsten der Vorteile weniger GrünInnen!

Ansonsten viele herzliche Grüße

L. R.

Siehe auch:
Grün-Linkes-Alternatives Netzwerk bereits am Ende
(9. Juni 1999)